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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

unterlagen und wurden gezwungen, die Stadt zu verlassen, mit ihnen auch die Familie Gutenberg. Im Jahre 1430 erhielt Johann Gutenberg die Erlaubniß zur Rückkehr, scheint davon aber keinen Gebrauch gemacht zu haben, denn 1434 befand er sich in Straßburg, verwickelt in einen Prozeß gegen seine Vaterstadt. Diese hatte die Verpflichtung, an Gutenberg eine jährliche Rente zu zahlen, kam ihrer Verpflichtung jedoch nicht nach, weshalb jener klagbar wurde.

Bereits um diese Zeit muß sich Gutenberg mit technischen Arbeiten beschäftigt haben und ein angesehener Künstler und Erfinder gewesen sein, dessen Kenntnisse von seinen Mitbürgern geschätzt waren. So viel geht wenigstens aus den Straßburger Prozeßakten hervor, welche 1740 aufgefunden und 1760 veröffentlicht wurden, leider aber 1870 bei der Beschießung Straßburgs zu Grunde gingen. Der Inhalt des am 12. Dezember 1439 entschiedenen Prozesses bezieht sich auf einen Rechtsstreit, welchen die Brüder Klaus und Georg Dritzehn als Erben ihres verstorbenen Bruders Andreas Dritzehn gegen Gutenberg angestrengt hatten.

Angenommen, daß der Johann Gutenberg des Straßburger Prozesses derselbe ist, welcher die Buchdruckerkunst erfand, so läßt sich doch aus den Akten kein sicherer Schluß darauf ziehen, daß die „Kunst und Afentur“ (Künste und Unternehmungen), um welche der Prozeß sich dreht, wirklich mit der Buchdruckerkunst zusammenhängen, da die Beteiligten während der Verhandlungen offenbar bestrebt waren, das geschäftliche Geheimniß nicht zu verraten. Doch kommen in den Zeugenaussagen Worte wie „Blei“, „Drucken“, „Presse“ und „Form“ vor, woraus einzelne Forscher schließen , daß man es mit typographischen Arbeiten zu thun habe, während andere dieser Annahme widersprechen und überhaupt die Echtheit der Gerichtsakten anfechten. Wahrscheinlich wird die ganze Sache nie aufgeklärt werden, besonders da die Akten selbst seit 1870 nicht mehr vorhanden sind, fernere Prüfungen derselben auf ihre Echtheit also nicht stattfinden können.

Von 1439 an verstummen die Nachrichten über Gutenbergs Tätigkeit eine Zeitlang gänzlich. Was über seinen Aufenthalt ferner Auskunft giebt, sind nur noch Aktenstücke, die sich aus Geldangelegenheiten beziehen; so eine Urkunde von 1441, in welcher Gutenberg als Mitbürge für eine verkaufte Rente genannt ist; dann eine Urkunde von 1442, aus welcher hervorgeht, daß Gutenberg gegen ein Darlehn von 80 Pfund Straßburger Pfennigen seine jährliche Rente von 10 Gulden verpfändete.

Im Jahre 1448 tritt Gutenberg wieder in Mainz auf. Am 6. Oktober 1448 erhält er von Reinhard Brömser v. Rüdesheim und Henne v. Rodenstein wieder ein Darlehn von 150 Gulden, für welches ein Verwandter von ihm Bürgschaft leistet. Dieses öftere Aufnehmen von Darlehen könnte wohl beweisen, daß der von Haus aus begüterte Gutenberg inmitten seiner Erfinderthätigkeit stand, die Geldsummen wahrscheinlich für technische Versuche verausgabte und vielleicht schon sein ererbtes Vermögen zu demselben Zweck geopfert hatte. Dies wird auch von alten Schriftstellern bestätigt. So erzählt z. B. der Graf v. Zimmern in der Chronik über die Mainzer Erzbischöfe: „Unter der Regierung dieses Erzbischofs (1435 bis 1459) war die edele Buchdruckerkunst zu Mainz in der Stadt erfunden durch einen habehaften reichen Bürger daselbst, Hannes Gudenberger genannt, der alle seine Güter und sein Vermögen darauf verwenden that, bis er es zu wegen bracht.“

Ohne Zweifel wird um jene Zeit, d.h. um 1448 bis 1450, Gutenbergs Erfindung in den Haupttheilen bereits ausgebildet vorgelegen und greifbare Ergebnisse geliefert haben, denn nur so ist es erklärlich, daß der Erfinder einen Geldmann zu gewinnen vermochte, welcher ihm ein für jene Zeit sehr bedeutendes Kapital zur Verfügung stellte. Dieser Geldmann war der Mainzer Bürger Johann Fust, angeblich ein Goldschmied.

Mit ihm schloß Gutenberg 1450 einen Vertrag, nach welchem sich Fust verpflichtete, gegen 6% Zinsen 800 Gulden zur Herstellung der Typen, der Pressen und des Werkzeuges herzuleihen, sowie ferner jährlich noch 300 Gulden für Lohn, Miethe etc. zu zahlen, wogegen er Miteigentümer aller hergestellten Drucksachen war. Als Deckung für sein Kapital erhielt er die Typen und Werkzeuge zum Pfand. Der Vertrag wurde am 22. August 1450 geschlossen; mit diesem Tage beginnt also die praktische Ausübung der Buchdruckkunst und damit deren eigentliche Geschichte.

Jahre mögen vergangen sein, bevor Gutenberg mit seinen Gehilfen die vielen Bleitypen und all die anderen Hilfsmittel in derjenigen Vollkommenheit hergestellt hatte, welche sie zeigen mußten, um so vollendet schöne Druckwerke damit hervorbringen zu können, wie die Gutenbergbibeln sind, besonders die 42-zeilige. Auch können die 800 Goldgulden nicht entfernt zur Beschaffung der Werkzeuge genügt haben, denn wir wissen von Zeitgenossen, daß schon damals Buchdruckereieinrichtungen sehr kostspielig waren. In der That schoß Fust schon nach zwei Jahren zu der ersten Summe weitere 800 Gulden vor, unterließ es dagegen, jährlich die vertragsmäßig festgesetzte Summe von 300 Gulden zu zahlen.

Nachdem das Werkzeug fertiggestellt war, begann der Druck des ersten Buches. Man nimmt an, daß dies ein Donat, d.h. eine lateinische Grammatik, gewesen sei, was nicht unwahrscheinlich ist, da der Erfinder gewiß einen geringwertigen Druck als Gegenstand des ersten Versuchs auswählte. Ob er diesen Donat jedoch mit Fust zusammen druckte, ob vielleicht schon vor seiner Verbindung mit Fust, ist unbestimmt. Dagegen ist gewiß, daß er mit Fust den Druck einer Bibel begann, des ersten nachweislichen Druckwerkes. „Und im Jahre unseres Herrn, da man schrieb 1450, welches ein goldenes Jahr war, begann man zu drucken, und das erste Buch, welches man druckte, war die lateinische Bibel, und sie ward mit einer groben Schrift gedruckt wie die, mit welcher man jetzt Meßbücher druckt;“ so erzählt die im Jahre 1499 gedruckte Chronik der Stadt Köln, so bestätigen auch andere gleichzeitige Nachrichten.

Nun kennt man jedoch zwei Bibeln, deren Druck man Gutenberg zuschreiben könnte. Das thun auch einige Forscher, während andere annehmen, daß nur die eine, die sogenannte 42zeilige Bibel, von Gutenberg gedruckt sei, dagegen die andere, die 36zeilige, von seinem ehemaligen Gehilfen Pfister, welcher sich in Bamberg als selbständiger Drucker niedergelassen hatte. Keine der beiden Bibeln enthält eine Angabe des Druckers oder des Druckjahres, und man kann daher nur von der Schrifteigenthümlichkeit und anderen Umständen auf ihre Urheber schließen. Die 42zeilige Bibel wird fast einstimmig Gutenberg zugeschrieben. Dagegen ist über den Urheber der 36zeiligen (vgl. Abbildung 6) viel gestritten worden, doch neigen die neuesten Forscher bereits der Ansicht zu, daß dieselbe, als die ältere der beiden Bibeln, gleichfalls aus der Werkstatt Gutenbergs hervorgegangen sei.

Die von Gutenberg und dem Geldmann Fust gedruckte 42zeilige Bibel (Abbildung 3) gilt als Meisterstuck vollendeter Druckkunst und liefert den Beweis, daß die Buchdruckerkunst sofort in mustergültiger Reife und Abrundung vor die Welt trat.[1] Die Bibel sollte auf Pergament gedruckt werden, daneben wurden jedoch auch Papierexemplare mit hergestellt, denn solche finden sich 21 unter den noch vorhandenen 30 Gutenbergbibeln. Nach zeitgenössischen Aussagen druckten Gutenberg und Fust täglich 300 Bogen, wahrscheinlich die Höhe einer Auflage. Da nun um jene Zeit von gutem Papier, auf welches die Bibel gedruckt ist, das Ries 6 Pfund 8 Schillinge kostete, so würde zur Bibel bei 300 Exemplaren Auflage allein für 1200 Gulden Papier nötig gewesen sein. Unmöglich konnten die Druckausgaben von dem Fustschen Gelde mit bestritten werden, und man kann daher nur annehmen, daß Gutenberg die Pergament- und Druckkosten zum großen Theile selbst getragen habe. Auf jeden Fall wuchsen die Ausgaben im Laufe der Zeit zu bedenklicher Höhe an, ohne daß irgendwelche geschäftliche Einnahme erzielt wurde.

Fust als rechnender Geschäftsmann mochte daher wohl mißtrauisch gegen Gutenbergs Erfindung werden und das ganze Unternehmen bedenklich finden. Er hatte sich ohne Zweifel nur daran betheiligt, um Geld zu verdienen, und jetzt hatte er bereits 1000 Gulden in das Geschäft gesteckt, ohne Hoffnung auf baldige Einnahmen zu haben, ohne nur Zinsen für das Kapital zu erhalten. Fünf Jahre lang hatte Gutenberg mit seinen Gehilfen gearbeitet, und noch war kein Exemplar der Bibel fertiggestellt.

Endlich wurde Fust ungeduldig, verlangte sein Kapital mit dazu berechneten Zinsen und Zinseszinsen in Höhe von 2020 Gulden

  1. * Um aus unserer Abbildung 3 ein richtiges Bild von dem wirklichen Aussehen des dargestellten Abschnittes zu gewinnen, muß man sich die farbige Ausmalung hinzudenken. Die Umrandung ist in den Farben Grün, Blau, Roth und Gold ausgeführt, das Anfangs F zeigt außerdem noch eine Lilafüllung. Die drei über dem letzteren stehenden Zeilen sind roth
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_495.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)