Seite:Die Gartenlaube (1890) 505.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Der General warf ihm einen mahnenden Blick zu und wandte sich dann in dem veränderten Ton einer spöttischen Höflichkeit gegen Lothar:

„Du hast mich nachgerade daran gewöhnt, in Deinen liebenswürdigen Aufrichtigkeiten nichts Ueberraschendes mehr zu finden; aber daß ich von Dir eine Belehrung über Ritterlichkeit empfangen soll, ist mir doch neu. Wie große Hochachtung ich auch vor Deiner juristischen Gelehrsamkeit habe, auf diesem Gebiet halte ich Dich keineswegs für sachverständig.“

„Mit solchen Spöttereien, lieber Vater, ist der Sache, die zu vertreten ich entschlossen bin, so wenig gedient als mit Engelberts übel angebrachter Heftigkeit. Es handelt sich weder um meine juristische Gelehrsamkeit, noch um mein Verständniß für Fragen der sogenannten Standesehre. Es handelt sich einfach um die Erfüllung einer Pflicht, zu deren Anerkennung es wahrlich nicht erst meines Eintretens hätte bedürfen sollen.“

„Das ist rund und bestimmt, aber leider nicht ganz deutlich; denn ich habe, offen gestanden, noch immer keine Ahnung von dem eigentlichen Zweck Deines feierlichen Gebahrens.“

Das ist die Zeit der Rosenpracht.
Nach einem Gemälde von Fr. Armin.


„Desto weniger wird, wie ich hoffe, Engelbert über diesen Zweck im unklaren sein. Er ist durch Worte und Handlungen bemüht gewesen, Marie an seine Liebe glauben zu machen; er hat das Geständniß ihrer Gegenliebe empfangen, und er war somit nicht nur nach den Ehrbegriffen unseres Standes, sondern nach denjenigen aller anständigen Leute verpflichtet, sie zu heirathen. Wenn er trotzdem ein Verlöbniß mit einer anderen Dame eingehen konnte, ohne daß Marie ihm seine Freiheit wiedergegeben hatte, so ist dies Verlöbniß eben als ungültig zu betrachten. Es muß rückgängig gemacht werden, und in Mariens Händen wird dann die Entscheidung liegen, ob sie auch jetzt noch einem Manne angehören will, der ihr Vertrauen auf eine so unrühmliche Weise zu täuschen vermochte.“

Engelbert hatte während dieser klaren, in einem fast geschäftsmäßig kühlen Tone gegebenen Darlegung sein Unbehagen hinter allerlei stummen Gebärden eines mitleidigen Erstaunens zu verbergen gesucht. Als Lothar geendet hatte, zog er die Schultern in die Höhe und ging, seinem Bruder den Rücken wendend, zum Fenster, als wollte er damit andeuten, daß es unmöglich sei, auf solche Zumuthungen überhaupt zu antworten. Statt seiner erwiderte der General:

Ich weiß nicht, wie Du dazu kommst, mich für die alberne Liebelei Engelberts, von der ich natürlich keine Ahnung hatte, mitverantwortlich zu machen. Ich billige sein Benehmen in dieser Sache durchaus nicht, und er wird mir bezeugen, daß ich ihm nach jenem abscheulichen Auftritte bei dem Bazar mein Mißfallen ganz unzweideutig zu erkennen gegeben habe. Damit aber ist die Sache für mich erledigt, und ich denke, sie könnte es auch für uns alle sein. Hätte Marie nach Engelberts Verlobung ihre vermeintlichen Rechte und Ansprüche in irgend einer angemessenen Form zur Geltung zu bringen versucht, so hätte man ja allenfalls daran denken können, einen Ausgleich herbeizuführen – innerhalb gewisser Grenzen natürlich! – Sie hat es jedoch vorgezogen, sich und uns durch einen öffentlichen Skandal bloßzustellen, und hat mich damit gezwungen, aufs entschiedenste jede

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_505.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)