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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Zeiten alle Stände, und voll vergnügter Gemüthsruhe sitzen der hohe Beamte, der Offizier, der berühmte Künstler mit ihren Damen zwischen den einfachen Arbeiter- und Handwerkerfamilien. Kein roher Ausruf, kein häßliches Wort stört den Frieden der allgemeinen Erholung; das Münchener Volk besitzt ein sicheres Schicklichkeitsgefühl und dank demselben verkehrt hier alles in vollkommenstem Behagen. Die beiden Damen im Mittelgrund, Mutter und Tochter, könnten auch ohne den Schutz des jungen Doktors hier sitzen, dessen Gegenwart freilich den Reiz des Kellers für die hübsche Kleine wesentlich zu erhöhen scheint. Und es ist immer gut, einen Herrn zu haben, denn die Kellnerin, das „Fräulein“ mit der blonden Haarfrisur, ist sehr harthörig für alleinsitzende Damen, nicht minder für grämliche alte Junggesellen, deren einer hinter ihrem Rücken erbost mit dem Deckel klappert, während sie huldvoll lächelnd mit dem jungen Künstler sch[ä]kert. Wer klug ist, holt sich seine Maß selbst, das thun die Studenten im Hintergrund nicht minder als die Professoren oder der eben im Schweiß seines Angesichts mit der dicken Gattin anrückende Bürger, dessen Seele nach einem frischen Trunk lechzt.

Daß ihn hier jeder zu demselben Preise haben kann wie in seiner eigenen Behausung, daß es ihm außerdem freisteht, sein Abendessen – kaltes Fleisch, oder auch nur ein Stück Brot – mitzubringen, das erklärt einerseits den völligen Mangel an Bequemlichkeit, welcher von dem richtigen Münchener als „Gemüthlichkeit“ empfunden wird; andererseits ist es aber ein Umstand von hoher wirthschaftlicher Bedeutung, denn wenn die ganze Bevölkerung einer Großstadt abends ohne Mehraufwand Luft und Behagen im Freien genießen kann, so sind die Folgen davon für Gesundheit und gute Laune gewiß hoch anzuschlagen. Und deshalb hat München alle Ursache, sich seiner „Keller“ zu freuen – sie gehören zu den besten Eigenthümlichkeiten der alten Isarstadt! Br. 

Das Treideln auf der Havel. (Zu dem Bilde S. 501.) Nicht überreich an Reizen ist der Strom, den unser Bild dem Leser vorführt. Aber in der Nähe der größeren Städte Potsdam, Spandau, da belebt sich der Spiegel der breithinströmenden Havel mit allerlei Fahrzeug, und malerische Bilder erscheinen dem Blick.

Dem linken Stromufer entlang führt der sogenannte „Treidelsteg“, eine Einrichtung, die in andern Gegenden unseres deutschen Vaterlandes unter dem Namen „Leinpfad“ bekannt ist. Da sieht man fast täglich gebückte Männergestalten langsam dahinschreiten: an einer Leine, die an einem um die Brust geschlungenen Gurt befestigt ist, ziehen sie lange Holzflöße hinter sich her, mit einem derben Knüppel sich stützend und nachhelfend, die Treidler.

Es ist ein genügsames, hartgewöhntes Volk; einfache Strohhütten auf den mächtigen Flößen sind ihre Wohnung und schwer ist ihre tägliche Arbeit – wird sie ja doch in vielen Gegenden längst nicht mehr von Menschen, sondern von Pferden besorgt. Aber des Treidlers Leben ist darum nicht ohne Lichtblicke. Vor seinem Strohzelte kocht er sich sein einfaches Mahl, und wenn der Abend gekommen ist, da werfen die Flammen seines „Herdfeuers“ breite Feuersäulen über den glatten Spiegel des Stroms und lustige Klänge tönen herüber an das schweigende Ufer, Musik, Gesang und fröhliches Schwatzen.

Sie kommen von weit her, die Oder herab, durch den Finowkanal in die Havel, und versorgen die Bauhöfe mit dem Holz ihrer Flöße. Wenn aber der nahende Winter das Treideln verbietet, dann suchen sie sich zu Hause andere Beschäftigung, bis mit dem neuen Frühjahr auch die mühselige Fahrt nach dem städtereichen Havellande wieder beginnt.

Die Stecknadel gehört zu den kleinen Behelfen des menschlichen Lebens, mit denen man wenig Federlesens macht und die einzeln zu den werthlosen Dingen gerechnet werden. Und doch ist die Stecknadelindustrie eine der großartigsten. In Birmingham werden täglich 37 Millionen Stecknadeln hergestellt; die übrigen Fabriken in England liefern täglich ungefähr 19 Millionen; in Frankreich werden ungefähr 20, in Deutschland und andern Ländern 10 Millionen täglich verfertigt. So kann das Kleinste wie in der Natur so auch in der Industrie durch seine Masse eine große Rolle spielen. Die kleine Stecknadel ist für Arbeiter, Fabrikanten und Kaufleute so wichtig wie die riesigen Lokomotiven und Kanonen. †     



Kleiner Briefkasten.
(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

A. W. und R. Sch. Steubenville, Ohio. Die Dienstzeit eines vor Beginn der Militärpflicht freiwillig eintretenden Infanteristen beträgt wie bei den Ausgehobenen drei Jahre. Nur den Truppentheil, bei welchem er dienen will, kann der Freiwillige sich wählen.

P. F. in St. Sie wünschen zu wissen, wo die frühere so beliebte „Naive“ Ihres heimischen Stadttheaters jetzt ein Engagement gefunden hat. Auf solche Fragen ertheilt der „Neue Theateralmanach für das Jahr 1890“, herausgegeben von der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ (Berlin, F. A. Günther und Sohn), der jetzt an die Stelle des Gettkeschen getreten ist, zuverlässige Auskunft. Er ist ein vollständiges Adreßbuch des deutschen Theaters, giebt über alle denkwürdigen Ereignisse im Theaterleben des letzten Jahres, über die Adressen der dramatischen Schriftsteller, über die theatralischen Vereine, Agenturen und alles Wissenswürdige auf diesem Gebiete eingehenden Aufschluß.

H. R. in Bremen. Ihre Anfrage eignet sich zur Beantwortung durch den Briefkasten nicht. Lassen Sie sich gefl. durch einen Buchhändler Werke der gewünschten Art vorlegen und wählen Sie dann selbst!

„Who is right?“ Universitätsprofessoren bedürfen während der gesetzlichen Ferienzeit keines Urlaubs, doch müssen die ordentlichen Professoren dem Dekan der betr. Fakultät Anzeige machen; Privatdozenten bedürfen keines Urlaubs, doch haben sie dem Rektor eine bezgl. Anzeige zu erstatten. – Bureau- und Unterbeamte der Universitäten haben wie jeder andere Staatsbeamte in und außerhalb den Ferienzeit zu Reisen oder sonstigen zeitweiligen Unterbrechungen ihres Dienstes einen Urlaub nachzusuchen. Wie oft und unter welchen Umständen derselbe ertheilt wird, hängt von den jedesmaligen dienstlichen Verhältnissen ab.

H. B. im Ruhrthal. Es ist bis jetzt nicht nur nicht gelungen, einen Winkel, welcher kein rechter ist, mittels geometrischer Konstruktion in drei gleiche Theile zu theilen, sondern die Unmöglichkeit der Lösung ist schon lange bestimmt bewiesen. Daraus folgt, daß auch keine Hochschule einen Preis auf die Lösung des Problems der Dreitheilung eines Winkels setzen kann.

Französische Abonnentin in Tours. Der Ausdruck „Böhmische Dörfer“ findet sich nach dem neuen „Deutschen Wörterbuch“ von Moriz Heyne schon im Simplicius Simplicissimus. Er bedeutet nichts anderes als unbekannte, fremdartige Dinge, denn den Deutschen klangen die böhmischen Dorfnamen fremd und unverständlich. Uebrigens hat sich bald der Ausdruck „spanische Dörfer“ neben den von den „böhmischen“ gesetzt, selbstverständlich in durchaus gleicher Bedeutung.

M. Sch. in Altenburg. Die englischen Unterrichtsbriefe von Toussaint-Langenscheidt, die Sie durch jede gute Buchhandlung beziehen können, dürften Ihren Wünschen wohl entsprechen. Sie können daraus etwas Tüchtiges lernen, wenn Sie Fleiß und Ausdauer besitzen.

A. R. in New-York. Nicht verwendbar.

H. K. in Duisburg. Ihre Anfrage ist so allgemein gefaßt, daß wir eine bestimmte Beantwortung derselben Ihnen nicht zu geben vermögen.

M. T. in L. Ein beachtenswerther Vortrag über Frauenasyle für gebildete Stände, der viele derartige Stifte namhaft macht und deren Einrichtungen bespricht, wurde auf dem Frauentage zu Erfurt am 30. September 1889 von Emilie Busse gehalten und ist im Druck (Verlag der Körnerschen Buchhandlung [O. Biedermann] in Erfurt) erschienen.

P. N. u. E. L. in Berlin u. M. S. in Chemnitz. Wir bitten um Angabe Ihrer genauen Adresse, damit wir Ihnen brieflich antworten können.


Allerlei Kurzweil.


Hieroglyphen.

Die Bilder stellen den Anfangsbuchstaben ihres Namens dar. Die Vocale sind dem Sinne nach hinzuzufügen.

Kreuzräthsel.

Die Buchstaben dieser Figur
sind so zu ordnen,
daß die vier langen senkrechten
und die ihnen entsprechenden
wagerechten Reihen bezeichnen:

1) einen der größten Ströme Mittel-Europas,
2) eine Giftpflanze,
3) einen griechischen Mathematiker und Philosophen,
4) eine bekannte Meeresstraße.
Arithmetische Aufgabe.
Anagramm.

Nach der Regel des Dominospiels, daß nur
Felderflächen von gleicher Augenzahl an einander
kommen, bilde aus vier Dominosteinen nebenstehende
Figur. Das Eckfeld links oben hat doppelt
soviel Augen als das rechts unten; ebenso
hat das Eckfeld rechts oben doppelt soviel Augen
als das links unten. Alle vier Steine haben
zusammen 24 Augen. Welche Steine werden
benutzt?
Horst, Leid, Drache, Narbe, Lena, Nadel, Agnes, Esse, Balsam,
Osborne.

Nach dem Hinzufügen je eines Buchstabens ist aus jedem der obigen
Wörter ein neues Wort zu bilden und zwar sollen die hinzugefügten
Buchstaben einen eßbaren Pilz nennen. Die Wörter bedeuten:
1. einen Vogel, 2. eine Stadt in Ostindien, 3. eine Räthselart,
4. eine Stadt in der Rheinprovinz, 5. ein Gebirge, 6. einen Propheten,
7. einen Fluß in Asien, 8. ein Ackergeräth, 9. einen biblischen Namen,
10. eine bekannte höhere Lehranstalt in Paris. A. St.     






Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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