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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Joseph, der zu Napoleon die stolzen Worte gesprochen: „Sire, ich bin ein deutscher Fürst!“ Dieser Ansprache folgte unbeschreiblicher Jubel, der sich abends beim Kommerse stürmisch erneuerte, als der Wiener Vicebürgermeister Dr. Borschke hervorhob, daß man am Vorabend von des Kaisers sechzigstem Geburtstag stehe. Der Reichsrathsabgeordnete Dr. Weitlof sprach einige markige Worte zu Ehren des deutschen Kaisers. Ein dreifach donnerndes Hoch erfüllte die Halle, und mit nicht minder herzlicher Begeisterung als die österreichische Volkshymne wurde das „Heil Dir im Siegerkranz“ gesungen.

Der vierte und letzte Festtag endlich war eine große Freude. Die Sänger hatten ihren Beruf vergessen, der Tag gehörte ganz der Geburtstagsfeier des Kaisers Franz Joseph. Die mächtige Halle war ihres Bannerschmuckes schon zum Theil entkleidet und auf dem Festplatz waren die schaulustigen Wiener in der Ueberzahl, während sich die Sänger im nahen Parke der land- und forstwirthschaftlichen Ausstellung an der herrlichen Festbeleuchtung ergötzten. Den würdigen Abschluß aber fand das Sängerfest am Abend dieses Tages, als die Ottesche Riesenhalle von den Klängen der Volkshymne erdröhnte, die unter heißen Segenswünschen für den Kaiser aus zwanzigtausend Kehlen emporstieg.

Gerhard Ramberg.




„Deutsche Art geht über alles.“

Ein Nachklang vom deutschen Sängerbundesfest in Wien.

Das war einmal, wie wenn es wieder klang
Aus eines Wunderbornes tiefsten Tiefen,
Wie wenn erwacht der Töne Meister riefen
In siegesfreud’gem Auferstehungsdrang! —
Das war ein Singen nicht der Lust allein,
Der leichten, die, was flüchtig sie geboren,
Im Wechselspiel des Lebens giebt verloren:
Es war des Schönen ew’ger Wiederschein!

Du hast bereitet dir ein leuchtend Fest,
Deß Nachklang nimmer wieder wird verhallen
In ihnen, die du sahst so freudig wallen
Aus Nord und Süd, vom Ost und fernen West —
Germania, du sahst sie all mitsammen
In einem Glauben, einer Liebe Brunst.
Genährt, gesäugt durch deine Himmelskunst,
Die stets dir schuf die reinsten Opferflammen.

Und du, o Stadt der Minne, Stadt des Weins,
Du Hort allzeit des edlen Sängerthumes,
Den goldnen Blättern deines alten Ruhmes
Hast zugethan du heute wieder eins. —
Ob auch schon fern, dir bin ich ewig nah;
O daß mein Lied dich recht zu preisen wüßte,
Es klänge fort von Pregels nord’scher Küste
Hinüber bis zur blauen Adria.

Was hast du uns nicht gastlich-froh beschert! —
In deinem Haus, in deinen wonn’gen Auen,
In deinen holden, wundersel’gen Frauen
Fand ich so manchen alten Spruch bewährt. —
O hätt’ er selber es an uns gewahrt,
Der große Sänger solcher Augenfreude,
Noch heut rief Walter von der Vogelweide:
„Hoch über alles geht dort deutsche Art.“

Karl Hüdiger.




Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Ein Mann.

Roman von Hermann Heiberg.

      (5. Fortsetzung.)

Als Graf Snarre am Abend dieses Tages in seinen Gasthof zurückgekehrt war und sich zu Bett begeben hatte, vermochte er nicht gleich einzuschlafen. Dinas Bild drängte sich in seine Gedanken, und er ging ernsthaft mit sich zu Rathe, ob er nicht gleich am andern Morgen bei Frau Ericius um die Hand ihrer jüngeren Tochter anhalten sollte. Es war bei einem Manne wie Snarre natürlich, daß er trotz seiner starken Leidenschaft noch einmal alles, was für und gegen diese Verbindung sprach, in kühle Ueberlegung zog. Eine Bürgerliche zu heirathen, war ihm im Grunde genommen keineswegs erwünscht. Er fürchtete zwar nicht, daß die Welt es an schuldiger Achtung vor seiner Gemahlin fehlen lassen würde, aber die meisten seiner Standesgenossen würden sich doch stets erinnern, daß die Gräfin Esbern-Snarre eine Ericius gewesen. Snarre würde vermöge seines Reichthums und seines Namens sogar ein Recht gehabt haben, die Hand nach einer Dame fürstlichen Geblüts auszustrecken. Der Verkehr mit dem Hofe würde ihm sicher bei einer Ehe mit Dina abgeschnitten, ein solcher in seinen Kreisen mindestens erschwert werden. Daß Dinas Mutter altem schleswig-holsteinischen Adel entstammte, glich den Mangel nicht aus. Dinas Jugend und Schönheit blieben die einzigen Anziehungspunkte. – Aber wollte er denn, fragte sich Snarre wieder, eine Heirath um anderer willen schließen, oder sich um seiner selbst willen vermählen?

Das Endergebniß aller seiner Ueberlegungen lief doch darauf hinaus, daß er Ernst machen wollte, wenigstens in dem Augenblicke konnte er sich nicht denken, daß er ohne dieses kluge und liebenswürdige Geschöpf würde leben können. Fade, unbedeutend erschienen ihm alle anderen jungen Damen seiner Bekanntschaft. Es waren Marionetten in seinen Augen, nichts anderes. –

Auf den folgenden Tag war ein großes Fest beim Oberpräsidenten angesagt, und auch Snarre, der diesem und einigen andern hervorragenden Persönlichkeiten der Stadt seinen Besuch gemacht hatte, war dazu geladen.

„Ich freue mich,“ begann Dina nach Tisch, „daß wir heute abend etwas Abwechslung haben. Ich werde mich sehr schön mit den herrlichen Blumen ausnehmen, die Sie die Freundlichkeit hatten, mir zu senden. Ist es wirklich möglich, dergleichen in Kiel zu erhalten?“

„Nicht in Kiel, meine liebenswürdige und genügsame Freundin, sondern in Berlin,“ entgegnete Snarre lächelnd.

„Ja, natürlich, das hätte ich mir selbst sagen können! Sie müssen immer einen besonderen Zauberstab in Bewegung setzen, Erlaucht. Wie glücklich muß man sein, stets ein Tischchen deck’ dich! mit sich in der Westentasche herumzutragen!“

„Jedenfalls recht beschwerlich, wenn zutreffend,“ entgegnete Snarre launig. „Aber ich muß doch beides bestreiten.“

„Beides bestreiten? Ich bitte! Ich verstehe nicht –“

„Erstens, daß ich einen Zauberstab überhaupt besäße, und ferner, daß mich sein Besitz besonders glücklich machte. Wir Art Menschen sind etwas abgestumpft, so sehr wir uns gegen diese Erkenntniß sträuben. Sie freuen sich zum Beispiel auf die Gesellschaft beim Oberpräsidenten, ich empfinde solche Einladungen als eine Last.“

„Jawohl, weil Sie zu viel verlangen, weil Sie ohne besondere Beachtung sich nicht behaglich fühlen. Ihnen, Erlaucht, müßte einmal etwas wirklich Schweres in den Weg treten. In die stille Wasserfläche Ihres Glückes müßte ein Stein hineinfallen, damit Sie den Gegensatz kennenlernten.“

„Glauben Sie, ich erhöbe mich nur morgens von meinem Lager, um aus den Händen festlich geschmückter Pagen Geschenke der Glücksgötter entgegenzunehmen? Sie irren! Augenblicklich beschäftigt mich zum Beispiel eine Angelegenheit in sehr ernsthafter Weise. Ich finde gar keinen Ausweg.“

„Schlagen Sie das Auskunftslexikon für alle Stände in zwanzig Bänden, herausgegeben von Dina Ericius, unverehelichter Bürgerstochter, auf, da wird Ihnen Antwort.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_624.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2022)