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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

„ich möchte von Ihnen hören, ob Sie glauben, daß Fräulein Dina mich liebt, und ob Sie meinen, – beachten Sie wohl, – daß sie in diesem Fall mit mir glücklich werden würde?“

„Wie seltsam, daß Sie diese letzte Frage hinzufügen. Herr Graf!“ entgegnete Susanne, ohne über die Eröffnung eine sonderliche Ueberraschung zu zeigen. „Sie scheint mir schwerer zu beantworten als die erste, die ich unter Umständen bejahen möchte. Sie sind beide sehr verschieden. Dina ist gut bürgerlich geartet, ich wähle absichtlich diesen Ausdruck; Sie, Herr Graf, sehen einmal – es ist dies das natürliche Ergebniß Ihrer Erziehung und Ihrer gesellschaftlichen Stellung – alles in einem – verzeihen Sie – etwas einseitigen Lichte an.“

„Gerade weil Fräulein Dina mir stets denselben Vorwurf macht, der Mensch doch aber nicht über seinen eigenen Schatten springen kann, kommen mir Bedenken,“ erwiderte Snarre. „Aber glauben Sie mir, der bürgerliche Hochmuth ist nicht weniger groß als der unsrige, und doch erscheint er den Leuten als etwas vollkommen Berechtigtes. Manche treten schon von vornherein dem Adeligen mit steifer Kopfhaltung entgegen. Weshalb? Sie sagen, Du trägst ein ‚von‘ vor Deinem Namen, aber ich bin doch besser als Du!“

„Ich kann Ihnen darin nicht ganz Unrecht geben und finde dies auch tadelnswerth, obwohl der erste Anlaß dazu doch wohl von der anderen Seite ausgegangen ist. Es sind die bösen Beispiele, die hier die guten Sitten verdarben.“

Snarre sprang von dem Thema ab, er wußte, er würde Susanne nicht überzeugen, auch wünschte er, nicht allzuweit von seinem Ziele abzuschweifen, obgleich er im Grunde recht enttäuscht war, daß Susanne die Frage einer Heirath zwischen ihm und ihrer Schwester so überaus gelassen aufgenommen hatte. Es entging seiner Empfindlichkeit nicht, daß sie die Ehre einer solchen Verbindung für eine gegenseitige schätzte, ohne im geringsten seine hohe Geburt und die geopferten Ueberlieferungen seines Hauses dabei in Betracht zu ziehen. Doch überwand er rasch diesen Rückfall in alte, eben gerügte Vorurtheile und sagte ganz unbefangen:

„Und was ist nun Ihre Meinung in der Hauptfrage? Glauben Sie, daß ich das liebe, kleine Mädchen fragen darf, ohne einen Korb zu gewärtigen?“

Susanna reichte ihm die Hand. „Sie sind besser, als Sie sich manchmal den Anschein geben, es zu sein. Wenn es Ihnen recht ist, will ich im Vertrauen mit Dina sprechen. Dieses Anerbieten schon sagt Ihnen, wie sehr die Erfüllung Ihrer Wünsche den meinigen entspricht.“

„Nehmen Sie aufrichtigen Dank, gnädigste Gräfin,“ rief Snarre freudig erleichtert. „Ich sehe Ihr Anerbieten als ein großes Geschenk an, das ich Ihnen nie werde vergelten können. Und Fräulein Dina glücklich zu machen, ist mein redlicher Wunsch. Ich leugne nicht, daß sie einen guten Einfluß auf mich übt, jeder Mensch hat eine Doppelnatur. Ich erkenne die meine, das ist schon etwas. In meiner Jugend ließ man mich eben immer nur in einen einzigen Spiegel schauen, und da sah ich allein mich selbst, die Welt gruppirte sich um mich, nicht ich war ein Theil des Ganzen. Daß dem in Wirklichkeit nicht so ist, davon habe ich bei meiner jüngsten geschäftlichen Unternehmung täglich Gelegenheit, mich in einer Weise zu überzeugen, die mir das Leben nicht gerade erheitert und einen Ausbruch schlechter Laune gelegentlich wohl verzeihlich macht. Alten ist nicht mein Mann, ich habe das gleich erkannt, und nur aus Rücksicht auf seinen Schwager und seine Frau habe ich ihm die Stellung gegeben. Aber es geht nicht länger so, am liebsten wäre ich ihn mitsammt den Werken los. Ja, wenn Tromholt nach da wäre!“ – –

Snarre schwieg plötzlich. Es war das erste Mal, daß Tromholts Name von ihm genannt wurde, und die schmerzliche Wirkung, die er auf Susanne herausbrachte, konnte ihm nicht entgehen.

„Doch wozu jetzt von Geschäften reden!“ fuhr er daher in raschem Uebergang fort; „also es bleibt dabei, liebe Frau Gräfin, Sie legen ein gutes Wort für den bösen Aristokraten bei der kleinen Bürgerin ein?“

„Gewiß, ich halte Wort, Herr Graf. Sie hören bald von mir,“ entgegnete Susanne und in ihren Mienen kam die Herzlichkeit ihrer Gesinnung zum Ausdruck.

(Schluß folgt.)




Karl Peters.

Im Jahre 1883 lebte in London ein deutscher Privatgelehrter, ein Doktor der Philosophie, Karl Peters, der in der Millionenstadt volkswirthschaftlichen Studien oblag. Er nahm einen regen Antheil an den Berichten, welche über die neue koloniale Bewegung in seiner Heimath durch die Presse veröffentlicht wurden, mußte aber mit Bedauern wahrnehmen, daß die in solchen Dingen erfahrenen Engländer über den Mangel an Unternehmungsgeist und Thatkraft bei den Deutschen spotteten.

Karl Peters.
Nach einer Photographie von Carl Günther in Berlin.

Andererseits konnte er sich aber der Erkenntniß nicht verschließen, daß die Engländer zu ihrem absprechenden Urtheile eine gewisse Berechtigung hatten. Gab es damals doch in Deutschland noch genug einflußreiche Männer, welche meinten, es genüge, das Volk zunächst über koloniale Fragen nur aufzuklären, um später erst, im 20. Jahrhundert, mit der praktischen Kolonisation zu beginnen.

Peters dachte anders, und, von dem Drange erfüllt, seine Anschauungen über die kolonialpolitische Aufgabe Deutschlands zur Geltung und womöglich zur praktischen Ausführung zu bringen, begab er sich nach Berlin. Dort aber belächelte man in maßgebenden Kreisen den jugendlichen Eifer des noch nicht dreißigjährigen Heißsporns und nahm seine Vorschläge nicht für ernst. Aus England hatte er einen fertigen Kolonisationsplan mitgebracht, nach welchem er über den Sambesi, Schire und Nyassasee nach Mittelafrika vordringen wollte. Als nun die Regierung seine Eingabe, in welcher er seine Pläne auseinandergesetzt und um staatliche Förderung gebeten hatte, unbeantwortet ließ, setzte er sich mit Leuten von kolonialfreundlicher Gesinnung in Verbindung, und es gelang ihm schließlich, eine „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ ins Leben zu rufen, welche den Zweck verfolgen sollte, auf dem Hochplateau von Südafrika deutsche Ackerbaukolonien zu gründen, was sich aber sehr bald als unausführbar erwies. – Trotz dieses Mißerfolges gewann Peters später den Vorstand seiner Gesellschaft für Erwerbungen in Ostafrika. Er erhielt den Auftrag, nach Usagara, welches Stanley in seinen Werken so sehr gepriesen hatte, zu reisen und dort Land für deutsche Kolonisten zu erwerben.

Die Aufgabe war nicht so leicht, denn die Engländer und der Sultan von Sansibar hätten nimmer unthätig dem Vorgehen der Deutschen zugesehen, wenn ihnen dieses bekannt geworden wäre. Die Erwerbung mußte darum im geheimen vorbereitet werden. Dazu kam, daß man nur über geringe Mittel verfügte. Die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ hatte mit Mühe 65 000 Mark zusammengebracht; das war gerade Geld genug, um eine größere Expedition nach Afrika auszurüsten, aber doch aller Erfahrung nach zu wenig, um damit eine Kolonie zu begründen. Peters trat jedoch nicht zurück.

Er und seine Begleiter suchten die öffentliche Meinung auf falsche Spur zu leiten, gaben vor, daß sie nach Westafrika abgedampft seien, und reisten in Wirklichkeit unter angenommenen Namen nach Sansibar. Sie erschienen dort am 4. November 1884 und gaben sich Engländern gegenüber als Mitglieder einer wissenschaftlichen Expedition aus.

„Vor drei bis vier Monaten werden Sie nicht abreisen können,“ sagte ein befreundeter deutscher Kaufmann in Sansibar zu Peters, indem er auf die Schwierigkeit der Ausrüstung einer Karawane hinwies. Peters reiste aber bereits am 9. November nach Saadani ab. Freilich war die Ausrüstung so mangelhaft, daß er sein Leben aufs Spiel setzte; aber nur ein rasches Handeln konnte in diesem Falle von Erfolg begleitet werden. Schon am 17. Dezember kehrte er krank und erschöpft nach Bagamoyo zurück; aber er brachte 14 Verträge mit Negersultanen mit, bei denen er die deutsche Flagge gehißt hatte, und ein Gebiet, so groß wie das Königreich Bayern, war für Deutschland gesichert!

Dies war die erste That Peters’ auf afrikanischem Boden.

Nachdem er nach Berlin zurückgekehrt war, erhielt er den kaiserlichen Schutzbrief für seine Erwerbungen und sandte eine Anzahl von Expeditionen aus, welche verschiedene Gebiete im Norden und Süden von Usagara unter die Oberhoheit der „Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft“ brachten, die jetzt an Stelle der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ trat. Dieser fieberhaften Thätigkeit in Abrundung des Gebietes setzte die internationale Feststellung der Interessensphären ein Ende und die Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft konnte sich endlich der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_636.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)