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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

im warmen Hauche gaukelnde Falter achtet, im Wehen des Windes über murmelnden Wassern und beglänzten Laubdächern dem Wandel der Erscheinungen nachspürt, wird auf diesem Platze vor der Oswaldikrche seine Rechnung finden. Vielleicht stand vor Zeiten hier ein Tempel der Noriker, voll einem Fichtenhaine umgürtet, in dessen Düster die Schatten voll Wichteln und Bergmännlein spukten. Alsdann vergegenwärtige man sich, wie ein halbes Jahrtausend nach dem Wiederbeginn der Betriebsamkeit auf dem Erzberg

Einfahrt in den Förderstollen.

Deutschlands erster Kaiser aus dem Hause Habsburg von derselben Höhe in das herrliche Hochthal hinausschaut und die Erbauung eines Gotteshauses anordnet. Im Jahre der Entdeckung Amerikas war dieses Heiligthum in Flammen aufgegangen. Ein anderer großer Habsburger – Maximilian I. – verfügte den Wiederaufbau der eingeäscherten Kirche. Es ist dieselbe, welche man jetzt vor sich hat.

Die Oswaldikrche ist ohne Zweifel das kunstgeschichtlich bedeutsamste Wahrzeichen von Eisenerz. Unser Sinn aber hängt an anderen Dingen … Wir steigen im Fichtenschatten höher hinan. Die erste Etappe ist abermals ein kleines Gotteshaus – die "Barbarakapelle", wo zu Zeiten ein wunderlicher Aufzug zu sehen ist. Am Tage des Patronatsfestes versammeln sich unter den dunkeln Wipfeln, welche über das kleine Heiligthum Schatten breiten, seltsame Gestalten. Es sind Knappen in der alten historischen Bergmannstracht, welche die „maximilianische“ genannt wird, weißer Kapuzenrock, schirmlose Bergmütze, Grubenleder, grüne Strümpfe und Bergschuhe. Im Inneren der Kapelle aber wird ein Schaustück seltener Art verwahrt. Es ist das sogenannte „marianische Wunder“: eine Erzstufe, auf der durch den Uebergang von Flinz in Brauneisenstein ein täuschendes Bildniß der Gottesmutter entstanden ist, von einem Glorienscheine und einem bandartigen Streifen, besten Schattirungen Schriftzeichen gleichen, umgeben. Die Wunderstufe wurde 1669 im Dorotheastollen aufgefunden. –

Bald lichtet sich der Wald. Es geht auf guter Straße, in der Folge auf Steigen höher hinan, an Baracken und Arbeitsplätzen vorbei. Zuletzt stehen wir aus der Höhe neben dem Gewerkshause und schauen nun auf das Treiben auf und zwischen den Staffeln der Abbauterrassen hinab. Das Krumpenthal zu Füßen ist von Sonnenflitter erfüllt, über den vorliegenden dunklen Höhenrücken ragt die ungeheuere, roth angeglühte Zackenkrone des „Kaiserschilds“.

Tausend Hände durchwühlen den eisernen Berg, theils dort unten im Lichte der Sonne, theils neben uns in den dunklen Verließen der Stollen. Wer in einen der letzteren einfährt, bekommt in der trübe flackernden rothen Beleuchtung der Grubenlampen mitunter eines jener schneeweißen, flimmernden Wunderwerke der ewigen Nacht zu sehen, welches man „Eisenblüthe“ nennt: zarte Kalksteingebilde, die aus verwitterten Spatheisensteinfalten hervorwuchern.

Auf dem Gipfel des Erzberges setzt wieder Wald an, der die ganze Ostseite desselben bedeckt. Die Fahrstraße, welche dort in Windungen zur Jochhöhe des Prebühl sich emporwindet, zieht fast durchwegs im Schatten dichten Gestämmes dahin. Auf der höchsten Spitze des Berges steht, wie es sich für diesen eisernen Hochaltar der Alpen geziemt, ein ehernes Christusbild, das der Liebling dieses Bergvolkes, Erzherzog Johann, am 27. Mai

Abbauterrassen am Erzberg.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_673.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)