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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

ein Fisch entschuppt, ausgenommen und in lange Streifen getheilt, das Ende eines solchen in das aussickernde Blut getaucht, also gewürzt in den Mund gesteckt und mit raschem, von unten her hart an der Nasenspitze vorbeigehendem Schnitte ein mundgerechter Bissen nach dem andern abgetrennt. Die Kinder, die sich um die arbeitenden Mütter einfinden, erhalten je nach ihrer Größe Leber- oder Muskelstreifen; vierjährige führen auch das Messer beim Bissenvertheilen bereits ebenso geschickt wie die Alten, welche sich auch Renthierfleischstreifen in dieser Weise zerstückeln. Bald glänzen die Gesichter der Mütter wie der Kinder von Fischblut und Leberthran, die Hände von anklebenden Fischschuppen.

(Schluß folgt.)




Schlaflose Nacht.

Schlaflose Nacht! Kennst du sie nicht? –
Es losch des müden Tages Licht,
Die Nacht sinkt still und friedlich nieder,
Und schwer sind deine Augenlider;
Da ruhst du auf dem weichen Pfühl. –
Verstummt der Straßen laut’ Gewühl!
Du hörst den Pendelschlag der Uhr,
Des eignen Herzens Pochen nur,
Vor deinem Fenster in den Bäumen
Rauscht es so leise – du willst träumen.

Doch weshalb kommt der Schlummer nicht?
Stört dich vielleicht das blasse Licht
Des Monds mit seinem matten Schimmer? –
Horch, eine Fliege summt durchs Zimmer;
Der unruhvolle, kleine Gast,
Er raubt dir die ersehnte Rast …
Du ärgerst dich – die Kissen drücken,
Du mußt sie dir bequemer rücken –
Doch nun, aufs neu’ die Augen zu –
Rastlose Seele, halte Ruh!

Unklar verdämmern die Gedanken,
Und blasse Traumesbilder schwanken
Auf leisem Fittig schon herbei – –
Da tönt verhallend, fern ein Schrei.
War das im Traum, in Wirklichkeit?
Was soll der Schrei um diese Zeit?
Sucht sich ein Vogel noch sein Brot?
War es ein Mensch in Todesnoth?
Du fährst empor, du lauschest still,
Ob sich nichts weiter regen will –
Doch stumm bleibt alles wie zuvor,
Und wieder legst du dich aufs Ohr.

Doch mit dem Schlafen ist’s vorbei.
Du hörst noch immer jenen Schrei,
Phantastisch spinnst du fort daran,
Und was Du sinnst, wird zum Roman.
Es fällt dir bei aus Jugendtagen,
Wie einen Wand’rer man erschlagen
Bei stiller Nacht im grünen Tann – –
So schrie wohl der unsel’ge Mann!
Und wenn du in die Jugendzeit
Dich erst verirrt, so frei und weit,
Dann will an dir vorüberschweben
Dein ganzes Leben.

Gestalten kommen auf Gestalten,
Du wehrst umsonst – sie müssen walten,
Die stille Nacht ist ja die Frist,
Da Geistern Macht gegeben ist!
Was dir an Lust und Leid beschieden
Seit Jahren war, stört dir den Frieden.
Lebendig wird, was längst verblich,
Verschlossne Grüfte öffnen sich,
Und groß erscheint die kleinste Schuld …

Da springst du auf in Ungeduld,
Dir ist so heiß – die Stirne brennt –
Die Fenster auf! – Am Firmament
Stehn mit dem lieben Licht die Sterne,
Die Erde schläft, nur aus der Ferne
Hallt leis der Schritt des Wächters wider –
Du legst aufs neu’ zum Pfühl dich nieder.

Du denkst an das wogende Aehrenfeld,
An des Meeres Welle, die steigt und fällt,
An alles, was dich beruhigen kann,
Umsonst, dein Schlaf kommt nicht heran.
Die Uhren scheinen still zu stehn,
Gleich abgelebten Greisen gehn
Die Stunden müden Ganges hin,
Und einen Wunsch nur hegt dein Sinn:
O, daß doch bald der Morgen käme
Und diese Nacht ein Ende nähme! …

Jetzt naht des Tages Dämmerschein,
Frühroth erglänzt in das Zimmer herein,
Da weichen leise die Schatten der Nacht,
Die Geister schwinden still und sacht,
Und auf die müden Augenlider
Senkt sich ein sanfter Schlummer nieder …

Und du erwachst – schon ist es Tag,
Beruhigt ist des Herzens Schlag,
Das Leben zeigt dir neue Huld –
Wo bleibt, die dich gequält, die Schuld?
Dein Zimmer ist wieder voll Sonnenlicht …
Schlaflose Nacht! Kennst du sie nicht?
 Anton Ahorn.




Etwas Neues vom Himmel.

Großes Aufsehen erregte es in der ganzen gebildeten Welt, als im Jahre 1845 auf Grund der Berechnungen Leverriers ein bisher unbekannter Planet, der Neptun, entdeckt und aufgefunden wurde. Aus den Unregelmäßigkeiten im Laufe, den sogenannten „Störungen“ des Uranus, des dem Neptun am nächsten liegenden Planeten, hatte man schon lange vorher das Vorhandensein eines weitern Planeten vermuthet; aber erst Leverrier suchte an der Hand der astronomischen Berechnungen der Sache näher zu treten. Aus den erwähnten Störungen berechnete er Lage, Masse, Umlaufszeit und dergleichen mehr des noch ungesehenen Planeten. Da in Paris zu der Zeit ein genügend starkes Fernrohr nicht vorhanden war, wandte sich Leverrier an die Berliner Sternwarte, deren verdienstvoller Direktor Galle den Neptun an der ihm bezeichneten Stelle wirklich auffand. Zwar bedurften die übrigen Rechnungen Leverriers erheblicher Berichtigungen, aber das erreichte Ergebniß war darum nicht weniger erstaunlich und lieferte ein glänzendes Beispiel dafür, daß das mit den Mitteln der Wissenschaft ausgerüstete geistige Auge weiter sieht als das körperliche. – Eine Entdeckung ähnlicher Art ist vor kurzem von dem amerikanischen Astronomen Pickering in Cambridge, V. St. A., gemacht worden. Dieser Astronom befaßte sich viel mit der Untersuchung der Sterne mittels des Spektroskopes nach einem vor dreißig Jahren von den Heidelberger Professoren Bunsen und Kirchhoff angegebenen Verfahren, dem wir schon manche sehr wichtige Entdeckung zu verdanken haben. Pickering hatte sein Instrument auf den Mizar, den mittleren der drei Sterne im Schwanze des Großen Bären, gerichtet, um photographische Bilder des Spektrums dieses Sternes aufzunehmen.

Unseren Lesern ist das Sternbild „der Große Bär“ vielleicht besser unter dem Namen „der Wagen“ bekannt. An demselben ist der Mizar der mittlere Stern des Gespannes, der mit dem sogenannten Reiterchen, dem Alkor. Die nebenstehende kleine Sternkarte, die allerdings nur einige leicht zu merkende Sternbilder enthält, zeigt bei A den Großen Bär, 1 ist der Mizar, 2 das Reiterchen Alkor. Der Große Bär geht für unsere Gegend nie unter, sondern ist bei klarem Sternhimmel stets sichtbar und wegen seiner hervortretenden Gestalt leicht aufzufinden. Er dient deshalb auch zur Bestimmung der Himmelsgegenden. Verfolgt man nämlich die Richtungslinie, welche durch die äußersten Sterne des Großen Bären (die Hinterräder des Wagens) gelegt wird, so trifft man auf einen ziemlich hellen Stern, den Polarstern P, welcher stets nahezu an derselben Stelle des Himmels und fast genau im Norden steht, so daß man nach demselben die Himmelsgegenden bestimmen kann. – Der Polarstern bildet den äußersten Stern des Kleinen Bären B, welcher aus bei weitem weniger hellen Sternen besteht als der Große Bär, im übrigen aber haben beide Sternbilder der Gestalt nach große Aehnlichkeit miteinander. Geht man über den Polarstern hinaus in derselben Richtung weiter, kommt man zu einem hervorragenden Sternbilde, der „Cassiopeia“ (bei C), welches die Form eines M oder W hat. Diese beiden Sternbilder, der Große Bär und die Cassiopeia, drehen sich und mit ihnen der ganze Sternhimmel scheinbar stets in der Richtung der Pfeile unserer Karte um den Polarstern. Aus diesem Grunde steht der Große Bär bald nahe dem Horizonte (und alsdann nördlich) oder nahezu über uns, oder rechts oder links vom

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_704.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)