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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


den Ahrensklinterklippen. Wir haben die Höhe erreicht und erblicken vor uns die grotesken, starren Felsgebilde, kahl, nur mit kümmerlichen Moosstreifen bewachsen. Stille ringsum; nicht das Zirpen eines Insekts, kein Vogelruf, selbst die beiden Raben hoch über uns ziehen stumm von ihrem Horst zum Fraß in die Ebene hinaus.

Eben wollen wir uns bereit machen, jenen Felsblock zu ersteigen, von dem man die herrliche Aussicht nach dem Brocken, dem Schnarcher, der Achtermannshöhe, dann nach dem versteckt liegenden Bodethal hin genießt, schon hat unser Fuß den Gipfel fast erreicht, sodaß wir die dahinter liegende Waldblöße vor uns auftauchen sehen, als uns ein dröhnender, machtvoller Ruf zusammenschrecken läßt. Wenige Fuß noch empor, und der Urheber desselben steht vor uns, der König der deutschen Wälder, ein Kronenhirsch. Und nun legt er das vielzackige Geweih zurück bis zum Rücken hin und hebt das stolze Haupt hoch empor, und mit dem dampfenden Athem stößt er von neuem seinen wilden Kampflaut aus, den das Echo des Waldes und der Berge vielstimmig zurückgiebt. Unten am Fuße der Klippen steht lauschend das Mutterwild, der Platzhirsch aber zieht dem Gegner entgegen, dumpf orgelnd, zum Kampf bereit, und nicht lange währt es, bis mit wuchtigem Stoß die Häupter der Gegner zusammenfahren und prasselndes Dröhnen dem Harem Kunde giebt von dem Streit, der um seinetwillen ausgefochten wird. Eugen Friese.     

Aus Moltkes Jugendzeit. Der Generalfeldmarschall lebte während eines großen Theils seiner Knabenjahre in Holstein. Sein Vater hatte mit seiner Familie im Jahre 1807 das von den Franzosen eroberte Lübeck verlassen und das Gut Augustenhof im Ostholsteinischen käuflich erworben. Hier hielt Helmuth sich mit seinem Bruder Fritz noch bis 1811 auf; dann brachte der Vater die beiden Knaben nach Hohenfelde in das Haus des Pastors Knickbein, welcher als Erzieher und Lehrer eines guten Rufes genoß. Unter der Obhut des tüchtigen Mannes verlebte Moltke hier zwei für ihn bedeutsame Jugendjahre, deren er später noch in dankbarer Erinnerung gedenkt.

Die kriegerischen Vorgänge jener Zeit regten den Knaben mächtig an, und wenn „Soldat“ und „Krieg“ gespielt wurde, machte sich in dem Spiel auch wohl schon sein strategischer Geist geltend, und der aufmerksame väterliche Freund, der eine besondere Zuneigung zu dem reichbegabten, jugendmuthigen und doch durch so stille Sinnesart ausgezeichneten Zögling gefaßt hatte, mochte in dessen Beginnen schon mehr als bloßes Spiel sehen. So lieh er denn wohl freundliche Beihilfe, gab Erlaubniß und ertheilte Rath zu der Herstellung der Anlage, die der Knabe Helmuth als Leiter im Kriegsspiel mit seinen Genossen schuf. Es ist die kleine Insel, welche wir auf unserer nach einer photographischen Aufnahme hergestellten Abbildung sehen. Nach den Erzählungen des hochbetagten jetzigen Pfarrers von Hohenfelde, der von den Spielkameraden des Feldmarschalls die Schilderungen jener Tage häufig gehört hat, stellte diese Insel ein wasserumgebenes Festungswerk dar, welches Moltke durch kriegerische Einrichtungen zum Widerstand gegen feindliche Angriffe fähig machte. Vielleicht mag die ruhmreiche Vertheidigung Kolbergs die Veranlassung dazu gewesen sein.

Die Moltkeinsel im Pfarrhofe von Hohenfelde in Holstein.

Hinter dem stattlichen und dabei traut und freundlich ausschauenden Pfarrhaus liegt die Insel in einem länglichrunden, von Gebüsch und Bäumen umhegten Weiher, nach drei Seiten hin etwa drei Meter vom Ufer entfernt. Nach vorne hin ist sie mit dem Lande durch eine als Brücke dienende Bohle verbunden. Vier Meter beträgt etwa der Durchmesser der Insel, was immerhin für die bauenden Knaben eine gute Leistung bekundet, wenn auch in dem nicht tiefen Teiche leicht eine über den Wasserspiegel ragende Erdbank herzustellen war.

Wall und Befestigung sind längst verschwunden, und anstatt des kriegerischen macht heute das kleine Bild einen idyllischen Eindruck. Niedriges Buschwerk umsäumt jetzt das Eiland, und in seiner Mitte hat man eine Ruhebank angebracht.

Das Stückchen Erde, wo so oft die lauten Spiele des Knaben erschallten, muß uns Deutschen ein theurer und lieber Gegenstand der Erinnerung sein, denn Moltke selber schätzt die beim Pastor Knickbein verlebten Jahre als solche, in welchen seiner ganzen Bildung so manches zu gute gekommen ist. Fast dreißig Jahre nach der Zeit, da er das Pfarrhaus als dreizehnjähriger Knabe verlassen hatte, sandte der schon sehr bevorzugte und vielfach ausgezeichnete Hauptmann im Generalstabe sein erstes litterarisches Werk über „Zustände und Begebenheiten in der Türkei“ nach Hohenfelde mit der Widmung: „Meinem lieben Lehrer und väterlichen Freunde, dem ich so vieles verdanke, sende ich dies mein Erstlingswerk als ein schwaches Zeichen meiner Verehrung.
H. von Moltke.“     

Der Moltketisch in der „Stadt Hamburg“ zu Kellinghusen.

Aus dem Pfarrhause selbst stammt das zweite, hier ebenfalls abgebildete Moltkeandenken, der jetzt im Hotel „Stadt Hamburg“ zu Kellinghusen aufbewahrte Moltketisch. Er ist dort zum Stammtisch geworden, ein starker und fester Ausziehtisch, über dessen Platten sich die Knaben im Pensionat des Pastors Knickbein bei ihrer Schularbeit beugten.

Zu diesen Schulkameraden gehörte der Ortsvorsteher Claus Rüymann in Hohenfelde; derselbe erhielt den denkwürdigen Tisch von Pastor Knickbein zum Andenken an die in seinem Hause verlebte Jugendzeit, und nach dem Tode Rüymanns und seiner Frau ging das erinnerungsreiche Möbel 1872 in den Besitz des genannten Hotels über, wo es von den Stammgästen mit all der Ehrfurcht behandelt wird, die ihm geziemt.Dr. Lüttgens.     

Das Parkhaus am Hollersee im Bremer Bürgerpark. (Zu dem Bilde S. 733). Die Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung, welche in diesem Sommer viele Tausende von Fremden nach der alten freien Hansestadt führte, hat sich ein bleibendes Andenken in dem Parkhause am Hollersee geschaffen. Dasselbe, massiv im Barockstil erbaut, ist mit seiner schönen Kuppel, den schlanken Thürmen, der breiten, wohlgegliederten Fassade eine Zierde des Bürgerparkes, jenes Lieblingsplatzes der Bremer Bürger, dessen Ruf weltbekannt ist. Von den breiten Terrassen des Gebäudes, die durch schattige Baumgruppen gegen die Sonne geschützt sind, hat man eine entzückende Aussicht auf die wohlgepflegten Anlagen des Parkes, die Springbrunnen und Kaskaden, welche abends in den Zauberwellen des elektrischen Lichtes funkeln. Aus dem Hollersee selber erhebt sich eine bewimpelte Bootspagode, die zum Anlegen der Boote dient und den Mittelpunkt für das fröhliche Getümmel auf dem Spiegel des Sees abgiebt. In der Ausstellungszeit war das Parkhaus mit seinen großen Fest- und Gesellschaftsräumen der Hauptsammelplatz für die Besucher von fern und nahe, und es läßt sich voraussehen, daß dieses schöne Gebäude auch ferner bestimmt ist, in dem geselligen und festlichen Leben Bremens einen mächtigen Anziehungspunkt zu bilden.

Falsche Haare. Auch in Deutschland sind falsche Haare eine Ware, welche viele Abnehmer und guten Kurs hat, aber in Frankreich und in der Hauptstadt der Mode ist der Absatz derselben noch viel bedeutender. Am billigsten sind die chinesischen Haare; in Marseille, wo vor kurzem 16 Ballen derselben ankamen, erhält man schon für 3 bis 5 Franken einen chinesischen Zopf. Das chinesische Haar ist nicht so fein und leicht wie das französische; doch das braune Haar steht niedrig im Preis, höher das blonde, am höchsten das silberweiße. Eine Perücke, die aus diesem Haar gefertigt wird, kostet von 200 bis 1000 Franken. Von den französischen Departements sind es besonders die Bretagne und Auvergne, wo der Handel mit Haaren in Blüthe steht. Die jungen Mädchen verkaufen ihren natürlichen Schmuck gegen ein hübsches Kleid oder anderen äußerlichen Putz an die Händler, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 739. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_739.jpg&oldid=- (Version vom 19.6.2023)