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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

in den Astachseln, wo die Häutung gewöhnlich vollzogen wird, hängen und übergeben sie Wind und Wetter als Spielball. Bisweilen versammeln sich auch die Raupen behufs der Häutung am Stamme der Kiefern, sowohl in Mannshöhe, als auch am Grunde desselben. Sie überspinnen dann ihr Lager mit einem etwa 50 cm im Geviert fassenden, weißen und undurchsichtigen Schleier, der an Glanz und Zähigkeit gutem Seidenpapier gleichkommt. Ist die Häutung beendet, so fressen sich die Raupen erbsengroße Löcher durch den Schleier und suchen unter Zurücklassung der alten Häute neue Nahrung. Da die Haare wie hervorgehoben leicht abbrechen, gehen sie dem Thiere bei dem Umherkriechen in großer Zahl verloren und haften vermöge ihrer Widerhäkchen an jedem Gegenstande fest, auf welchen sie auftreffen. Endlich werden vor der Verpuppung die Haare theilweise zur Bildung des äußeren Cocons (d) benutzt.

e. Puppe (doppelte Größe).

i. Vorder- und Seitenansicht des Kopffortsatzes (12fach vergrößert).

Da dieser außerdem nur aus lose aneinandergefügten Sandkörnchen besteht, die Puppen aber sehr dicht unter der Erdoberfläche gelagert sind, so kann es nicht verwundern, daß durch Aufwühlen des Sandes die Härchen der Luft ausgesetzt und von ihr weitergetragen werden.

Daß nicht nur Menschen, sondern auch Thiere von dem Gifte dieser Haare entsetzlich zu leiden haben, ist wiederholt festgestellt worden. Hunde, welche sich im Walde voll innigen Behagens auf dem Rücken herumgewälzt hatten, geriethen fast in Tollwuth. Wagenpferde, die vor Ungeduld mit dem Vorderfuße gescharrt hatten, wurden durch das Brennen der angeflogenen Haare so wild, daß sie dem Durchgehen nahe waren. Es ist ebenso Thatsache, daß die Raupen nicht nur das Wild, sondern auch die Singvögel aus dem von ihnen besetzten Walde verjagen. Bisher konnten nur der Kuckuck und ein Laufkäfer, der Puppenräuber, als siegreiche Gegner unserer Raupen anerkannt werden.

k. Der weibliche Fühler (4- bezhw. 110fach vergrößert).

f. Der männliche Schmetterling (nat. Größe).

Um sich vor den gefürchteten Raupenhaaren zu schützen, werden in der Angst Vorsichtsmaßregeln ergriffen, die fast lächerlich erscheinen. Handschuhe, Kopftücher, Schleier u. dergl. nützen sehr wenig. Durchaus empfehlenswerth dagegen ist das Einreiben der Haut mit Oel (Mandelöl), bevor man den Wald betritt. Das Oel hebt die Wirkung des ätzenden Giftes auf, indem es ihm den Eintritt in die Poren der Haut verwehrt und so die schmerzhafte Entzündung verhindert. Auch wiederholte Waschungen mit in Alkohol oder Wasser aufgelöster Pottasche oder Bestreichen mit angefeuchteter Soda mildern das Jucken der Haut.

Das durchgreifendste Mittel ist natürlich die Vernichtung des Insekts in jeder Gestalt. Aber das ist leichter gesagt als gethan. Das Tödten der Raupenzüge während der Wanderung durch Zertreten ist jedenfalls ganz zweckwidrig und geradezu strafwürdig, da unendlich viele Härchen auf diese Weise dem Staube beigemischt werden. Die Züge müssen vorsichtig zusammengekehrt und in größeren Kisten mit einschiebbarem Deckel, nicht in offenen Körben, gesammelt werden. Ebenso sind die Raupennester aufzunehmen, welche, in Astachseln sitzend, mit der Baumschere abgeschnitten werden. Das Theeren der Bäume ist nur von Nutzen für das Einsammeln der Raupen, da es leichter und gefahrloser ist, die an einem unteren Theile des Stammes angesammelten Raupen abzulesen, als dieselben nesterweise mit der Schere aus weiter Höhe herabzuholen. Das Zerstampfen der eingesammelten Raupen kann, auch wenn das Vergraben der Thierreste noch so bald erfolgt, nicht angerathen werden, weil dadurch die Zahl der umherfliegenden Härchen endlos vermehrt wird. Als einzig richtige Art der Vernichtung empfiehlt sich das Verbrennen, denn dadurch werden nicht nur die Thiere, sondern auch die Haare und das Gift in ihnen endgültig unschädlich gemacht.

g. Der weibliche Schmetterling (nat. Größe).

l. Der männliche Fühler (4- bezhw. 80fach vergrößert).

Wird mit genügendem Eifer den Raupenzügen nachgestellt, so dürfte wohl kaum einer derselben sein ersehntes Ziel, eine der Sonne möglichst ausgesetzte, kühle, sandige Stelle, erreichen. Gelingt es aber einer Raupenfamilie, einen derartigen Platz ausfindig zu machen, so wühlen alle Mitglieder derselben dicht nebeneinander den Sand auf und verkriechen sich 10 bis 15 cm tief in demselben. Hier bildet jedes für sich einen trockenhäutigen, eiförmigen Cocon (d), dessen Außenseite, wie schon gesagt, mit Sandkörnchen und einzelnen Haaren bedeckt ist. Diese Cocons haben eine Länge von 22 bis 26 mm und eine Dicke von 6 bis 10 mm. Sie sind leicht an den bezeichneten Stellen zu finden, wo sie senkrecht nebeneinander aufgestellt sind. Jeder Cocon enthält außer der Puppe (e) den Rest des letzten Raupenkleides, der mit zahlreichen Haaren zu einem dichten Filz zusammengepreßt ist. Das Einsammeln der Puppen ist jedenfalls das gefährlichste Unternehmen, welches behufs Vertilgung des Kiefernprozessionspinners ausgeführt werden kann. Durch das Ausscharren der Puppen wird eine unbeschreibliche Anzahl von Gifthaaren aufgewirbelt, welche dem in hockender oder gebückter Stellung Arbeitenden bald das ganze Gesicht entzünden. Andererseits ist diese Arbeit wieder sehr gewinnbringend, da dort, wo eine Puppe gefunden worden ist, sicher deren 60 bis 100 beisammen stecken.

m. Die Haftborste (5- bezhw. 55fach vergrößert).

h. Der Kopf (3fach vergrößert).

Diejenige Puppe, welche nicht gestört wird, ruht bis zum nächsten Sommer. Dann giebt sie einem Schmetterlinge das Leben, welcher dem Eichen- und auch dem Pinienprozessionsspinner sehr ähnlich sieht. Das Männchen (f), welches etwas kleiner als das Weibchen (g) ist, hat eine Flügelspannung von 36 mm, letzteres dagegen von 44 mm; der Leib ist 15, bezw. 18 mm lang. Die Vorderflügel des Männchens tragen auf grauem Grunde je zwei Paar unregelmäßige, dunkle Querbinden, welche mit gelblichen Rändern eingefaßt sind. Die Hinterflügel sind weißlich und haben einen gefleckten und gefransten Rand. Die Unterseite der Flügel ist heller als die Oberseite. Der Kopf (h) ist mit Büscheln langer, grauer Haare dicht besetzt. Zwischen den Augen und oberhalb derselben trägt der Kopf einen mit drei dicht aneinander gereihten Vertiefungen versehenen harten Fortsatz (i), dessen glänzende, tiefschwarze Färbung um so mehr auffällt, als unter einem Kranze kurzer Härchen nach rechts und links je ein Büschel schneeweißer Haare hervortritt. Die Fühler sind doppeltgekämmt, aber nach den Geschlechtern sehr verschieden an Größe und Behaarung. Die Kammzähne beider sind keulenförmig, am Rande behaart und an der Spitze mit je zwei kleinen Borsten versehen. Der weibliche Fühler (k) hat viel kürzere Zähne und feinere Behaarung als der männliche (l).

Unterhalb der Flügel ist zu ihrer Stütze eine sog. Haftborste (m) eingefügt, deren Gestalt große Aehnlichkeit mit der Feder eines Vogels hat. Im wesentlichen besteht diese Borste aus einem 5 mm langen, schaftartigen Gebilde, von dem nach der einen Seite eine schmale, nach der andern eine viel breitere Haut ausgeht. Der Saum der letzteren trägt an der unteren Hälfte einen kräftiger gebauten Rand als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_763.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2023)