Seite:Die Gartenlaube (1890) 854.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

faulen und dabei schmächtigen, unansehnlichen Burkhard vorzog.

Ganz ohne jede Spur von „Fuchswildheit“ redete er eines Tages Rupert, der mit einem Sack Kartoffeln über den Hof ging, darauf an und erklärte ihm, daß auch er es viel lieber sehen würde, wenn die Eva ihn nähme und nicht den Burkhard, daß es aber doch nun einmal zu den Unmöglichkeiten gehöre, so lange er keinen eigenen Hof habe, und daß er es sich deshalb ja nicht einfallen lassen solle, mit der Eva je ein Wort von Liebe zu reden, da alsdann seines Bleibens auf dem Hofe nicht mehr länger sein könne. Rupert verlegte sich nicht aufs Leugnen, er gab finster zu, daß er Eva liebe und daß er wohl wisse, daß es ganz aussichtslos sei.

„Ihr könnt Euch darauf verlassen, Bauer,“ sagte er bitter, „ich weiß, was sich für einen Knecht gehört gegenüber einer reichen Bauerntochter. Zu einem eignen Hof kann ich’s ja doch mein Lebtag nicht bringen!“

Jakob zuckte die Achseln, „Ich glaub’s selbst nicht, daß Dein Großvater, der alte Schachtelschnitzer, große Schätze in der Truhe hat, und was Deine Mutter beim Lohnspinnen erspart hat, reicht auch wohl nicht aus zu einem eignen Hof, wenn’s auch kein besserer zu sein brauchte wie Euerer draußen in der Moorheide, wo keine Krähe sich satt fressen kann.“

„Na, Bauer, es könnte doch sein, daß der Moorheidehof einmal dem Rupert gehört,“ sagte ein Knecht, der schon eine Weile gehorcht hatte, indem er jetzt näher trat. „Gestern hat’s in der ‚Blauen Schwalbe‘ beim Kegelschieben Schlägerei gegeben, und da ist der Burkhard so übel zugerichtet worden, daß er daheim hinterm Ofen sitzt und vom Doktor hat vernäht werden müssen.“

„Das ist nicht das erste Mal,“ sagte Rupert, während Jakobs Augenbrauen sich in verhaltenem Zorne über den rauflustigen Neffen finster zusammenzogen. „Wer am Werktage zum Kegelschieben geht, trifft dort nichts als Tagediebe und schlechtes Gesindel, da giebt’s immer Keilerei.“

„Diesmal hat er aber einen so bösen Hieb bekommen, daß es das nächstemal nur ein bißchen tiefer zu gehen braucht, dann gehört der Hof dem Rupert,“ bemerkte der Knecht.

„Schweig’!“ fuhr ihn der Otterhofbauer an, froh, seinen Grimm an jemand auslassen zu können. „Setz’ dem Rupert nicht solche Mucken in den Kopf; über so was hat schon gar mancher so lang gegrübelt, bis er dann selber nachgeholfen hat und zum Mörder geworden ist.“

„Zum Mörder, der Rupert?“ rief der Knecht. „Nein, Bauer, so hab’ ich’s nicht gemeint, ich meine nur, es könnte sich ganz gut zufällig mit einem andern so fügen. Der Burkhard trinkt und rauft das ganze Jahr, da kann es doch leicht geschehen, daß einer einmal zu gut trifft. Zum Mörder braucht darum der Rupert nicht zu werden.“

Jakob entfernte sich brummend, und nun sagte der Knecht zu Rupert: „Weißt Du auch, worüber sie gestern in der ‚Blauen Schwalbe‘ gerauft haben? Es hatte einer den Burkhard damit gehänselt, daß Du sehr in Gunst ständest bei der Eva. Also nimm Dich vor ihm in acht! Dem, der das gesagt hat, hat er gleich mit dem Messer geantwortet, der versteht keinen Spaß!“

Rupert zuckte die Achseln und trug schweigend den Sack in den Keller hinab.




Scheu blieben auf dem Otterhofe die aus- und eingehenden Knechte vor den Fenstern der Stube stehen, in der sich der Bauer aufzuhalten pflegte, und horchten auf die lauten, zornigen Stimmen, die immer heftiger herausschallten. Burkhard war, nothdürftig genesen, zu seinem Oheim gestürzt und setzte diesen heftig darüber zur Rede, daß er eine Liebschaft zwischen dem Rupert und der Eva duldete. Der Otterhofbauer war aber nicht der Mann, der sich zur Rede setzen ließ, und Burkhard merkte alsbald, daß er mit seinen Drohungen und Vorwürfen an den Unrechten gekommen war; er fing an, sich vor Jakobs maßlosem Zorn zu ängstigen, und verfiel in ein scheues, finsteres Schweigen, während Jakobs donnernde Stimme noch lange im ganzen Hause gehört wurde.

„Und jetzt mach’, daß Du hinauskommst, Tagedieb, Taugenichts, Raufbold!“ schloß Jakob seine niederschmetternde Strafpredigt. „Die Ev’ nimmt keinen, der nicht auf eignem Grund und Boden sitzt, das weißt Du so gut wie ich, aber Dich nimmt sie auch nur, wenn Du ganz anders wirst. – Da kommt der Rupert,“ fuhr er fort mit einem Blick in den Hof. „Verhalt Dich still, verstanden? Kein Wort sprichst Du mit ihm, oder ich fahr’ Dir dazwischen, daß Dir Hören und Sehen vergeht!“

Rupert trat in die Stube und warf einen erstaunten Blick auf seinen mit verbissener, düsterer Miene in einer entfernten Ecke stehenden Bruder; er begrüßte ihn kurz und wandte sich dann zu dem Bauer, der noch immer aufgeregt hin und her ging.

„Meine Mutter war hier, Bauer,“ begann er; „sie sagt, der Herr Förster hätt’ erlaubt, daß sich mein Großvater droben an der Klausenschlucht Tannenzweige holt zur Streu für sein Stück Vieh. Der alte Mann kann nicht selbst hinauf, da wollt’ ich Euch bitten, daß Ihr mich auf ein paar Stunden hinauflaßt, die Mutter wünscht’s.“

„Tannenzweige zur Streu!“ höhnte Burkhard aus seiner Ecke. „Das giebt einen feinen Dünger! Aber freilich, für die paar Kartoffeln, die Dein Großvater zieht, wird er gut genug sein!“

„Mit Dir red’ ich nicht!“ sagte Rupert barsch.

„Meinst Du, ich ließ’ mir den Mund verbieten und noch dazu von einem Knecht?“ fuhr Burkhard auf und stürzte ohne weiteres mit erhobenen Fäusten auf Rupert los. Dieser packte ihn aber mit eisernem Griff an der Kehle und in der nächsten Sekunde lag Burkhard der Länge nach auf dem Boden. Gewandt wie eine Katze sprang er wieder auf, aber die rauhe, kraftvolle Faust des Otterhofbauern verhinderte die Fortsetzung des Kampfes. Er packte jeden der Gegner, die mit funkelnden Augen sich maßen, am Arm und hielt sie auseinander.

„Haltet Ruh’!“ donnerte er. „Rupert, der Burkhard ist mein Neffe und Du bist mein Knecht, das vergiß nie wieder! Geh’ jetzt, hol für Deinen Großvater die Tannenstreu, aber um sechs Uhr bist Du wieder hier und fährst die Dreschmaschine hinunter auf den Unterhof!“

Rupert ging schweigend hinaus.

„Du bleibst, bis er fort ist!“ sagte Jakob zu Burkhard. „Wenn Ihr jetzt hintereinander käm’t, so gäb’ es blutige Köpfe!“

„Wir werden schon hintereinander kommen, dafür steh’ ich Euch, Ohm!“ murmelte Burkhard, indem er mit feindseligem Blick in den Hof sah, wo Rupert, mit einer Axt, Strohseilen und einem schweren Hackklotz versehen, eben sich zum Fortgehen rüstete. Am Röhrenbrunnen stand Eva, die den Salat für das Abendessen wusch; Rupert trat auf sie zu, und Burkhard sah, wie sie ihm die Hand gab. Burkhards Augen funkelten und er preßte halblaute Drohungen zwischen den Zähnen hervor.

Aus einem der Ställe kam Magnus gelaufen.

„Wo gehst Du hin, Rupert?“ rief er, „nimm mich mit!“

„Das geht nicht,“ entgegnete Rupert freundlich, „ich gehe hinauf in die Klausenschlucht, wo die schwarzen Felsen und der große Wasserfall sind; da darfst Du nicht mitgehen. Das ist zu weit für Deine kurzen Beinchen und Du könntest auch in den Wasserfall stürzen.“

„Ich könnte mein Schiffchen hineinsetzen!“ rief Magnus mit leuchtenden Augen.

„Dein Schiffchen segelt viel besser im Brunnentrog oder dem Mühlbach“ erwiderte Rupert.

Magnus wollte noch weiter drängen, aber jetzt rief der Otterhofbauer durch das Fenster ihm in strengem Tone zu, er müsse da bleiben, die Klausenschlucht sei zu gefährlich für ihn.

Rupert verließ den Hof. Am Thore schaute er sich noch einmal nach Eva um, die, noch immer am Brunnen, Magnus’ stets schmutziges Gesichtchen mit einem Zipfel seiner Kittelschürze abwusch; sie hütete sich ängstlich, sich nach Rupert umzuwenden, denn sie hatte Burkhard am Fenster stehen sehen. Kurz darauf kam dieser am Brunnen vorüber; er blieb stehen und betrachtete Eva mit Blicken, aus denen weit eher Haß als Liebe sprach.

„Wann gehst Du denn wieder zum Tanz?“ fragte er in grobem Tone. „Das ist ja ganz wunderlich, daß Du da nie mehr zu sehen bist!“

„Es läuft ja immer auf eine Schlägerei hinaus,“ entgegnete Eva kurz; „daraus mach’ ich mir nichts. Du magst’s schon eher gewöhnt sein, drum geh’ Du nur hin!“

„Kommst Du nächsten Sonntag?“ fragte Burkhard in einem Tone heimlicher Drohung.

„Nein, da ist Kindtauf’ beim Rainbauer. Da geh’ ich hin.“

„So! Der Rainbauer ladet wohl auch die Knechte ein zur Kindtauf’, drum gehst Du hin?“ höhnte Burkhard grimmig.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 854. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_854.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)