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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Finstere Mächte.
Eine Bauerngeschichte von Etmar Weidrod.

(Schluß.)


Der Otterhofbauer war, als Rupert die Hand auf des kranken Kindes Brust gelegt hatte, ein ganz anderer geworden; sein Gesicht strahlte, die aschfahle Blässe war daraus gewichen.

„Armer, getäuschter Narr!“ murmelte der Arzt, der ihn mit verächtlichem Mitleid betrachtete; „es war wahrhaftig Zeit, daß Rupert ihm den Gefallen that, sein Verstand war gerade zu Ende.“

Aber während Jakob erlöst aufjubelte, schien die stumme Gruppe, die Ruperts Eltern und Eva in einer Stubenecke bildeten, ganz andere Gefühle zu hegen.

„Er thut es doch!“ hatte der Moorheidler aufgeschrieen, als Rupert die Hand nach Magnus ausgestreckt hatte, und „er hat es gethan!“ flüsterte er jetzt unaufhörlich mit tonloser Stimme, das Gesicht in den Händen vergrabend. Es schien, als müsse er sich das immer wieder vorsagen, um es glauben zu können.

Eva und Gertrud schwiegen und blickten entsetzt zu Rupert hinüber. Sie hatten gesehen, daß der Arzt leise in Rupert hineingeredet und daß Rupert seinem Drängen nachgegeben hatte, und es war ihnen, als zerrisse ein Schleier vor ihren Augen, als entstünde plötzlich grelle Klarheit um sie her. Der Arzt war es gewesen, dessen Gutachten Rupert vor Gericht gerettet hatte; der mochte wohl wissentlich falsch ausgesagt haben, und jetzt, wo ein Menschenleben durch ferneres Leugnen zu Grunde ging, hatte er ihn leise daran gemahnt, daß er helfen müsse, da er helfen könne. Sie blickten scheu auf Magnus, und da dieser jetzt ruhiger athmete, seit die vom Arzte aufgerissenen Fenster dem niedern Gemache frische Luft zugeführt hatten, so glaubten sie schon die Wirkung der höllischen Macht wahrzunehmen, und es schauderte sie bis ins innerste Mark.

Gefährliche Spielerei –
Nach einem Gemälde von C. Reichert.


Beglückt und beruhigt verließ der Otterhofbauer den Moorheidehof, und Eva folgte ihm, sich scheu zur Thür drückend, damit Rupert ihr Fortgehen nicht bemerke und es ihr erspart bleibe, ihm den Abscheu zu zeigen, den sie jetzt vor ihm hegte; als er es bemerkte und auf sie zustürzte, rief sie laut: „Laß mich!“ und floh davon, eiligst fort über den Hof und die Nothbrücke, als könne sie nicht schnell genug aus dem Bereiche des unheimlichen Hauses kommen. Jenseit der Nothbrücke stand der kleine Leiterwagen, in dem der Otterhofbauer hergekommen war. Sie stieg hinauf und kauerte sich, fröstelnd vor Erregung, auf die Bank. Auf der Landstraße näherten sich schlürfende Schritte. Der alte Gemeindehirt tauchte auf aus dem Dunkel.

„Hat er’s gethan?“ fragte er, als er Eva bemerkte.

„Ja, er hat es gethan!“ erwiderte Eva dumpf und tonlos.

Der Alte lachte heiser vor sich hin.

„Dann braucht das Kind keinen Doktor mehr!“ sagte er. „Jetzt hilft ihm einer, der’s anzufassen weiß am rechten Ende. Recht hat er gehabt, der Otterhofbauer!“

Eva schwieg zu allem, und als jetzt Jakob mit dem kleinen Magnus nachkam, entfernte sich der alte Gemeindehirt. Jakob gab der Eva das Kind, löste das Pferd von dem Brückenpfosten und fuhr davon so schnell als möglich.

Mittlerweile hatte sich der Moorheidler mit Frau, Sohn und Magd an den sauber gedeckten Tisch gesetzt, und auch der Arzt, der sich hungrig und erschöpft fühlte, nahm an der Abendmahlzeit theil.

Rupert war von Evas Abwehr, von ihrem entsetzten Blick und angstvollen Aufschrei wie vor den Kopf getroffen worden;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 884. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_884.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)