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Blätter und Blüthen.

Badisches Lehrerinnenheim in Lichtenthal bei Baden-Baden. Im Jahre 1884 faßten die Vorsteherin des Prinzessin Wilhelm-Stiftes in Karlsruhe und eine Lehrerin der gleichen Anstalt den Entschluß, zum Besten ihrer Standesgenossinnen einen Verein zu begründen, dessen Zweck die Beschaffung eines Heims sei, in welchem erholungsbedürftige, kränkliche und altersschwache Lehrerinnen sich erholen und genesen, sowie auch den Rest ihrer Jahre verbringen könnten. Sie warben und gewannen Boden zunächst in engerem Kreis. Zu Anfang des Jahres 1888 aber ging man, unterstützt von hohen Gönnern und Freunden und unter dem besonderen Schutz und Beistand der Frau Prinzessin Wilhelm von Baden, an die Begründung eines festen Vereins. Man forderte eine größere Zahl von Lehrerinnen zum Beitritt auf, und im Juni 1888 konnte die grundlegende Versammlung des „Vereins badischer Lehrerinnen“ stattfinden, welcher nunmehr die oben bezeichnete Aufgabe förmlich in seine Satzungen übernahm.

Ordentliche Mitglieder des Vereins können in erster Linie alle badischen Lehrerinnen werden, doch kann der Vorstand auch außerbadische aufnehmen. Außerordentliches Mitglied kann jedermann werden, der entweder 50 ℳ auf einmal oder einen selbstbestimmten Jahresbeitrag zahlt. Die ordentlichen Mitglieder zahlen ein Eintrittsgeld von 2 ℳ; ihre Jahresbeitragsverpflichtung richtet sich nach ihren Jahreseinnahmen aus ihrem Beruf und zwar so, daß von Einkommen bis 700 ℳ 3 ℳ, von 700 bis 1200 ℳ 5 ℳ und von mehr als 1200 ℳ 7 ℳ erhoben werden. Lehrerinnen, welche nicht bei Antritt ihrer ersten Stelle Mitglied des Vereins werden, haben bei späterem Eintritt entsprechende Nachzahlungen zu leisten. Wer zwei Jahre dem Verein angehört, hat Anspruch auf Aufnahme in das Heim; dahin gehende Gesuche sind an den Vorstand zu richten. (Adresse: Fräulein M. Lanz, Vorsteherin des Prinzessin Wilhelm-Stifts. Karlsruhe, Sophienstraße 33.) Soweit es der Raum erlaubt, werden auch Kurgäste im Heim aufgenommen. Besonders erfreulich ist die erste Erfahrung in dieser Beziehung. Viele einzelne Damen, sogar ganze Familien aus allen Theilen Deutschlands und aus dem Auslande haben es sich für längere und kürzere Zeit wohl sein lassen in dem friedlichen Heim badischer Lehrerinnen.

Die erste Thätigkeit mußte sich auf Sammlung von Geldmitteln zur Beschaffung des Heims beschränken; der Verein fand auch reiche Unterstützung, und mit Hilfe eines in Karlsruhe veranstalteten Bazars war das Kapital im Frühjahr 1890 glücklich auf 53 000 ℳ gebracht. Der Zweck des Vereins konnte unter solchen Umständen sehr rasch erreicht werden, und der Vorstand erwarb in Lichtenthal bei Baden-Baden die an der Lichtenthalerstraße gelegene, im Schweizerstil erbaute Villa Salem. Hier in der gesunden und herrlichen Lage in dem engen Oosthal, dessen beide Seiten die Schwarzwaldberge mit ihren schönen Waldungen bilden, sollen in Zukunft erholungsbedürftige und abgearbeitete oder kranke Lehrerinnen eine Zufluchtsstätte finden, sie sollen sich Gesundheit holen an Baden-Badens berühmten Heilmitteln und Kraft schöpfen aus dem würzigen Tannenduft, der sie umzieht. Möge das Heim dieses Ziel in vollem Umfange erreichen; und möge es zugleich eindringlich verkündigen, was werkthätiger Gemeinsinn vermag!

Ein weltbewegender Fund. Am 19. Januar 1848 fand ein gewisser James Marshall im Mühlgraben von Sutters Mühle bei Coloma in der kalifornischen Grafschaft El Dorado ein Stückchen gelbes Metall – es war gediegenes Gold im Werthe von 5 Dollar. Es ist noch in aller Erinnerung, wie auf diese Nachricht hin gleich einer Sturzwelle Tausende und Abertausende, Abenteurer und unternehmende Leute, aus der halben Welt das Land überflutheten, so daß es, bis dahin „Territorium“, schon 1849 zum „Staate“ erhoben werden konnte. Seitdem hat Kalifornien für nicht weniger als 1174 Millionen Dollar an Gold erzeugt. Freilich ist der frühere Raubbau gegenwärtig regelrechtem bergmännischen Betriebe gewichen.

Kalifornien hat jenen glücklichen Finder nicht vergessen. In Coloma hat man neuerdings Marshall, dem Schöpfer des vaterländischen Wohlstandes, eine Statue errichtet.

Etwas vom guten Vater Haydn. Moritz von Schwind, der tief musikalische Meister, der selbst die Violine sehr tüchtig spielte und in seiner Jugend mit Schubert in Wien innig befreundet war, erzählte gern von jenen goldenen Tagen. Er selbst hat Beethoven noch dirigieren sehen und aus guter Quelle damals folgende kleine Geschichte gehört, die zu viel innere Wahrscheinlichkeit für sich hat, als daß man sie unter die Klasse der „ben’ trovati“, der „gut erfundenen“, einreihen dürfte.

Bekanntlich war Beethoven zuerst bei Haydn als Schüler eingetreten, aber ihm auch sehr bald wieder aus der Lehre gelaufen. Das wurmte den alten Herrn, und als ihm noch zum Ueberfluß ziemlich respektlose Aeußerungen des jungen Feuerkopfes berichtet wurden, steigerte er sich in einen seiner Herzensgüte sonst fremden Aerger hinein. Besonders ein Ausdruck stieß dem Fasse den Boden aus; es hieß, Beethoven habe ihn einen „alten Parruckenstock“ genannt! Darüber sehr ergrimmt, rief Haydn aus: „Der junge Mensch! Was untersteht sich der, mich zu tadeln? Was hat er denn bis jetzt gemacht, daß er sich so aufspielt?! .. Die paar Sonaten – na, sie sind soweit nicht übel, wenn auch nichts Besonderes dran ist. Die Quartetten? .. (nachdenklich) Ja, die sind gut! Wirklich gut! .. Und das Septett?! Ach, das ist wunderschön! Sein Angesicht leuchtete verklärt von edelster Mitfreude, und den Anfang seiner Rede hatte er gänzlich vergessen!Br.     

Der Streit zwischen Kriemhild und Brunhild vor dem Münster zu Worms. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) Urkräftig, voll elementarer Wucht sind die Leidenschaften, welche das „Nibelungenlied“ seinen Helden verleiht, und es ist verständlich, daß moderne Forschung in dem mittelhochdeutschen Epos die Spuren der grausam harten Merovingerzeit hat entdecken wollen. Wenn wir vom Untergange der Nibelungen am Hunnenhofe Attilas absehen, so finden wir wohl keine Scene im ganzen Liede, die an dramatisch bewegter Wildheit diejenige überträfe, in der die „Küniginne ein ander schulten“, jene Scene, da Siegfrieds Weib, Kriemhild, unter der Pforte des Münsters zu Worms dem Weibe des Königs Gunther, Brunhild, den Vortritt streitig macht.

Schon am Abende vor dem Kirchgang hat Kriemhild die Nebenbuhlerin gereizt durch überschwängliches Lob ihres Gatten; sie hat von ihm das schöne Wort gesprochen:

 „Siehst Du, wie er steht,
Wie er da so herrlich vor allen Recken geht,
Wie der lichte Vollmond vor den Sternen thut!“

Sie hat bestritten, daß Siegfried Gunthers Dienstmann sei, und zur öffentlichen Probe dessen verkündet, daß sie morgen vor des Königs Weib zur Kirchenthüre gehen werde. Und sie thut es! Mit königlicher Pracht tritt sie auf beim Zuge zum Münster; und als die eifersüchtige Königin ihr vor versammeltem Geleitsvolk verbietet, daß sie, die Eigene, vor des Königs Weibe gehe, da bricht sie los und hält Brunhild den Gürtel und Ring vor Augen, welche ihr Siegfried unter dem Schutze der unsichtbar machenden Tarnkappe abgenommen hat.

Aber Brunhild ist nicht die Frau, die sich ungestraft vor allem Volke so aufs tiefste demüthigen läßt. Ein heißer Durst nach Rache läßt sie mit dem grimmen Hagen jenen heimtückischen Mordplan ersinnen, dem Siegfried im Wasgenwalde zum Opfer fällt; Hagens Speer durchbohrt den Leib des Helden an der einzigen Stelle, da er verwundbar ist, an der Stelle, die Kriemhild selbst durch das ins Gewand gestickte Kreuz gezeichnet hat, so ahnungslos dem Mörder die Wege ebnend. Und nun ist wiederum Kriemhilds Leben ein einziges Rachesinnen, bis endlich alle, Schuldige und Unschuldige, Freunde und Feinde, in jenem schauerlichen Völkermorden am Hunnenhofe König Etzels zu Grunde gehen, bis Kriemhilds ungestilltes Rachesehnen im Blute des verhaßten Hagen sich gesättigt und sie selbst von dem entsetzten Meister Hildebrand, dem Recken Dietrichs von Bern, den Todesstreich empfangen hat.

Und Brunhild? Was ist aus ihr, der eigentlichen Urheberin all dieses Unheils, geworden? Wir erfahren es nicht, der Sänger des Nibelungenliedes hat sie über dem fürchterlichen Drama im fernen Osten, das er zu schildern hatte, vergessen – ein Zug jener künstlerischen Naivetät, mit der vorwiegend schöpferisch veranlagte Zeitalter den rechnenden, messenden, klügelnden Sohn einer ärmeren Zeit so oft überraschen.

Eine neue Waschmaschine. „Wenn die Weiber waschen und wursten, müssen die Männer hungern und dursten“ sagt der böse Volksmund. Wir sind heute in der angenehmen Lage, wenigstens für den ersten Theil, das Waschen, eine gründliche Abänderung in Aussicht zu stellen. Ein findiger Amerikaner – Linclair Arcus heißt dieser Wohlthäter der Menschheit – hat ein Patent genommen auf die Verbindung einer Waschmaschine mit einem Schaukelstuhl. Letzterer steht über dem Wäschebehälter und setzt beim Schaukeln die Maschine in Bewegung. Eine große Ledermanschette verhindert, daß der Laugengeruch belästigt. Unsere Waschnymphe setzt sich in den – natürlich gepolsterten – Stuhl, schaukelt sich gemüthlich etwa eine halbe Stunde lang, – und die Wäsche ist fertig. Den zweiten Theil, das Wursten, werden sich die Männer in Zukunft schon gefallen lassen.

„Väterchen, Deine Nase!“ Diese Anrede hört man im Winter in Rußland bei strengem Frostwetter; denn dort gehört es zu den ersten Menschenpflichten, jeden, dem man in der Kälte begegnet, auf dessen Nase hin anzusehen. Dies hängt folgendermaßen zusammen: Glieder, die derart abgekühlt werden, daß sie nahe daran sind, zu erfrieren, werden gefühllos, aber man sieht ihnen die Gefahr an, da sie in diesem Zustande ganz weiß werden. Seine eigene Nase kann aber nicht jeder sehen, und so ist die Warnung eine Pflicht des Nächsten. Der Gewarnte nimmt alsdann Schnee und reibt seine Nase, um den Blutumlauf anzuregen. – Wenn wir auch nicht in Rußland leben, so ist doch auch bei uns dieser Warnungsruf im kalten Winter am Platze. Selbst leichte Grade des Erfrierens können als unangenehme Nachwehen eine rothe Nase zurücklassen. „Väterchen, Deine Nase!“ könnte man auch denjenigen zurufen, die zu tief ins Glas schauen. Vielleicht hilft’s! Versuchen kann man es jedenfalls.*      

Frauen- und Männersprache. Eine der seltsamsten Sprachgewohnheiten hat sich bei dem menschenfressenden Stamme der Kariben ausgebildet, welche Indianer wir alle aus der Jugenderzählung „Robinson Crusoe“ kennen. Unter ihnen hatten die Frauen und die Männer eine besondere Sprache. Der ganze bekannte Wortreichthum der alten Karibensprache beträgt etwa 3000 Wörter. Vierhundert davon sind doppelt vorhanden, und die einen waren für die Männer, die anderen für die Weiber bestimmt. Wir können uns in diese Spracheigenthümlichkeit hineindenken, wenn wir z. B. annehmen, daß im Deutschen die Männer nur immer „Stuhl“ und „Käfig“, die Frauen aber immer nur „Sessel“ und „Bauer“ sagen dürften. So hieß z. B. der Stamm der Kariben selbst in der Männersprache „Kallinago“ und in der Frauensprache

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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1891, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_019.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)