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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nr. 9.   1891.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Eine unbedeutende Frau.

Roman von W. Heimburg.
(8. Fortsetzung.)

Während die Gesellschaft in den eleganten Räumen Barrenbergs bunt durcheinander wogte, saß Antje ganz allein an einem Marmortischchen und blätterte in einem Jagdalbum. Sie wäre so gern daheim geblieben, aber sie hatte keinen stichhaltigen Grund zu diesem Verlangen. Ihre Mutter weilte nicht mehr auf Sibyllenburg, die saß einsam in dem alten Herrenhause in der Heimath, und das Kind war noch so klein. Antje hatte ihm nachmittags, als sie aus der Stadt zurückgekehrt war, ein Bäumchen angezündet, und vorhin, als sie fort fuhr, da hatte es sich schon müde gespielt und schlief, sie brauchte daher nicht zu Hause zu bleiben. So war sie denn hier, einsamer noch als die ferne Mutter, mit ihrem schweren, bewegten Herzen. Das Lachen und Plaudern um sie her hörte sie nicht, die vielen Menschen sah sie nicht, – sie blätterte in dem Buche und erblickte doch nichts weiter als immer dasselbe, was sie seit heute früh vor Augen hatte: ein schönes Mädchengesicht, zwei kleine Hände, die einen Hut zurechtrückten auf dunklem seidigen Haar, und – die eine Hand war ohne Handschuh. Dann sah sie wieder Leo und sah einen winzigen Handschuh, der aus seiner Tasche fiel, und hörte sein kurzes, befangenes: „Wie komme ich denn dazu?“

Antje war thöricht, recht thöricht! Sie schalt sich selbst so und konnte dennoch nicht loskommen von ihrem Grübeln, von dieser kleinen, an sich so unbedeutenden Geschichte. Sie wünschte, sie dürfte eine Menschenseele ihr eigen nennen, der sie vertrauensvoll sagen könnte, was sie quälte, die ihr ins Gewissen reden, die ihr vorhalten würde: „Antje, auf welch häßlichen Wegen schickst Du Deine Gedanken spazieren“ – – Wenn sie sich nur ein Herz fassen könnte, zu ihm selbst zu reden! Aber ein merkwürdig beklommenes Gefühl überkam sie bei der Vorstellung, wenn sie ihn fragen würde: „Leo, sei nicht böse, mir ist so angst – ich – lache mich nur aus, ich bin, glaube ich – ein wenig eifersüchtig auf die kleine Spanierin – – sag’ mir einmal, daß das alles dummes Zeug ist –“

Sie ward bei diesem Gedanken glühend roth, ihre Finger zitterten und das Herz klopfte ihr, als würde sie von jemand über etwas Unrechtem ertappt.

„Wie ist’s denn, Frau Antje,“ ertönte da die Stimme Maibergs neben ihr, „ich fand noch gar nicht Gelegenheit, Sie zu fragen, was Leo zu dem Verkaufe seines Bildes gesagt hat?“

Sie sah ihn überrascht an. „Hat denn Leo diese Nachricht schon bekommen?“

„Ja freilich! Heute früh.“

Antje fühlte ihr Herz plötzlich stillstehen, und ihre Augen waren groß und starr geworden.

Bekanntmachung.
Nach einer Zeichnung von A. Brunner.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_133.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2021)