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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Farbenpracht der unermeßliche kornblumenblaue Himmel! Das ist der „Göttergarten“.

Aber nach andere Ausflugspunke sind in der Umgegend des fröhlich aufstrebenden Badeortes Manitou vorhanden, so der dem Göttergarten ähnliche Monumentpark, das Williams-Canon mit seinen bisweilen korallenroth gefärbten Felswänden, der Utahpaß, der „Versteinerte Wald“, das Clear-Creek- und das Cheyenne-Canon. Und wer die romantischen Hochgebirgspartieen liebt, mag sich einem jener hier zahlreich vorhandenen geduldigen Rocky Mountain-Maulesel anvertrauen und so in bequemster Weise hinauf zum Pikes Peak dringen, auf dessen Höhe sich seit längerer Zeit ein meteorologisches Observatorium befindet. Dreimal täglich blitzen von hier die Wetterberichte nach dem an zweitausend Meilen entfernten Washington, der Landeshauptstadt, hinüber. Wer die Einsamkeit, die Wildniß aufsuchen will, dem stehen die von mächtigen Gebirgsketten umschlossenen Hochebenen von Westcolorado offen, die sogenannten „Parks“, die seit Jahrtausenden trockenen, jetzt mit Gräsern und Bäumen bedeckten Becken ehemaliger Seen. Diese „Parks“ sind, wie die Canons, eine charakteristische Eigentümlichkeit der Felsengebirge, und vor allem sind es vier, welche sich durch ihren riesigen Umfang auszeichnen, der Nord-, Mittel-, Süd- und San Louis-Park, von denen ein jeder groß genug wäre, die ganze Schweiz in sich aufzunehmen. Hier mag der Trapper, der Weidmann sich ergötzen, denn alle diese 2000 bis 3000 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Parks mit ihrem üppigen Pflanzenwuchs sind voll von Hochwild, Gebirgsbüffeln und Bergziegen. Auch gefährlichere Raubtiere schleichen im Dickicht umher, der gefürchtete Grisslybär, der Panther und der dem südamerikanischen Puma ähnliche Berglöwe. Vornehmlich finden sich diese letzteren in den Wäldern der noch wenig bekannten Gebirgsketten, die den westlichen, gegen Utah gerichteten Abfall der Felsengebirge bilden und die erst von wenigen Regierungsexpeditionen durchstreift wurden. Zu diesen Ketten gehören auch die Elk-. San Juan-, Book-, Uintah-, und Uncompahgre-Mountains, als deren höchster Gipfel der 4322 Meter hohe „Berg des heiligen Kreuzes“ gilt, jener Granitkoloß mit den zwei sich kreuzenden Spalten auf seinem Ostabhange, die selbst zur glühendsten Sommerzeit ihre Schneelager behalten und so dem Reisenden den Anblick eines meilenweit sichtbaren Kreuzes bieten. In welch gewaltigem Maßstabe die Natur hier dieses Wahrzeichen errichtet hat, geht daraus hervor, daß der eine Arm des Kreuzes gegen 500 Meter in der Länge mißt.

Wie bereits bemerkt, ist Westcolorado noch überaus menschenleer. Schweifen wir von den Bahnlinien ab, die nach den einzelnen Minenplätzen hinaufführen, so mögen wir tage-, wochenlang durch die Wildniß wandern, ohne auch nur einen Menschen zu sehen. Nur ab und zu stört die tiefe Stille der Wälder das rollende Echo eines Büchsenschusses, den ein Jäger auf ein Stück Wild abgegeben hat, hie und da begegnen wir auch einem „Prospektor“, einem jener zumeist armen Teufel, welche einzeln oder in Trupps diese Landschaften durchstreifen, um in den Schluchten und Klippen nach Metalladern zu suchen. Diese Menschen, die entweder auf eigene Faust oder auf Veranlassung von Gesellschaften reisen und ein an Abenteuern und unsäglichen Entbehrungen reiches Dasein führen, sind die eigentlichen Pioniere von Colorado. Sind ihre mitunter auch bittere Enttäuschungen bringenden Entdeckerfahrten voll Erfolg gekrönt, so ziehen sie gar bald Scharen von Golddurstigen nach, die in der vielleicht bisher niemals von Weißen betretenen Einöde ihre „Camps“ aufschlagen und den Grund zu neuen Minenstädten legen. „Nach Golde drängt“ sich eben alles, und diesem Golde hat Colorado zumeist seinen Aufschwung und seinen Glanz zu verdanken.

Morphium- und Cocainsucht.

Es ist im Leben häßlich eingerichtet, daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn“, möchte man mit dem Dichter ausrufen, wenn man immer und immer wieder die Beweise vor sich sieht, daß ein so recht zum Wohl der leidenden Menschheit bestimmtes und für viele Schmerzen und Krankheiten geradezu unentbehrliches Mittel durch ungeeigneten Gebrauch zum Fluche für den einzelnen, für seine eigene Gesundheit und für das Glück seiner Familie, werden kann. Wenige Giftstoffe, wenn man von dem bösen Feinde so vieler Tausende, dem gepriesenen Sorgenbrecher Alkohol, absieht, haben in der Welt soviel Unheil gestiftet wie das Opium und das daraus bereitete Morphium, und während überall die Warnungen vor diesen heimtückischen Giften in der Oeffentlichkeit erschallen, hat sich ihnen ein neues, das Heroin, zugesellt, das unter dem Vorgeben, ein Heilmittel zu sein, fast noch verderblichere Wirkungen auf Geist und Körper ausübt.

Unheimliche Gäste sind es, die oft den Menschelt nach kurzer Bekanntschaft so ganz sich zu eigen machen, daß all sein Deuten ihnen untertan wird, und daß keine Warnung, keine Mahnung der Pflicht und der Ehre, kein Aufblitzen der Vernunft ihren Einfluß brechen kann. Ihre Macht ist um so größer, weil sie nicht wie bei anderen Genußmitteln aus den durch sie verschafften Annehmlichkeiten beruht, sondern aus den unerträglichen Qualen, welche die Unterbrechung der Gewöhnung nach sich zieht. Die Aerzte der zahlreichen Anstalten, die sich mit der Kur von Morphiumsüchtigen befassen, wissen schreckliche Dinge davon zu berichten, wie weit sich hochachtbare Männer und Frauen vergessen, wenn die Schrecken der Entziehung sie packen und keinen anderen Gedanken in ihnen aufkommen lassen als den, um jeden Preis wenigstens noch einmal das gewohnte Mittel zu erlangen. Nicht wenig zahlreich sind die Fälle, in denen der Morphinist zum Verbrechen, zum Diebstahl, zur Fälschung von Unterschriften schritt, um sich Morphium zu verschaffen. Wir kannten die Frau eines angesehenen Arztes, die unter dem Einfluß einer bloßen leichtsinnigen Neugier die Wirkung des ihr zugänglichen Stoffes erprobt hatte und bald ganz unter seine Herrschaft gerochen war. Ihr Gemahl, den seine Berufsgeschäfte sehr in Anspruch nahmen. bemerkte erst nach einigen Wochen das Unheil und hielt es für das Beste, seine Frau an einem fremden Orte der Behandlung eines Kollegen zu übergeben, der ihr allmählich geringere Mengen verabfolgen sollte. Der Erfolg war anscheinend vorzüglich – nach einigen Wochen verzichtete die Dame auf jede Verordnung. Nach weiteren Wochen stellte sich heraus, daß sie einem anderen Arzte desselben Ortes einen gefälschten Brief ihres Mannes übergeben hatte, worin dieser den Wunsch aussprach, der Kollege möge der von schweren Nervenschmerzen gepeinigten Kranken Morphium in nötigenfalls steigenden Gaben verschreiben. Als der Betrug an den Tag kam, waren die Folgen bereits derartig, daß nur mit großen Mühen und Kosten und nach langer Zeitdauer eine schwache Besserung zu erzielen war. Dabei handelte es sich um eine Frau, die in jeder anderen Beziehung das größte Vertrauen mit Recht genoß und der jede, auch die leiseste Unrechtlichkeit auf anderen Gebieten des Lebens vollkommen fern lag.

Einen anderen Fall, wo der Morphinismus zum Verbrechen trieb, erzählt Dr. Albrecht Erlenmeyer in seinem Buche „Die Morphiumsucht und ihre Behandlung“. Die Tochter eines verstorbenen Strafanstaltsdirekors hatte sich von einem Arzte wiederholt Morphium zu Einspritzungen verschreiben lassen. Als sie eines Tages ein Rezept erhielt, auf dem 1,2 Gramm Morphium in Lösung verschrieben waren, änderte sie diese Zahl in 6,2 um. Die Veränderung wurde erkannt, als Urkundenfälschung erachtet und die Fälscherin zu einer zehntägigen Gefängnißstrafe verurteilt. Trotz des Zwanges, unter dem Morphiumsüchtige in solchen Zuständen handeln, genügt der Nachweis des bestehenden Morphinismus allein nicht, um den Ausschluß der freien Willensbestimmung zu beweisen, bei dem das Strafgesetz das Nichtvorhandensein einer strafbaren Handlung ausspricht.

In den meisten Fällen wird der Anlaß zum Gebrauch der Morphiumspritze durch schmerzhafte Krankheiten oder durch nervöse Leiden von unbestimmtem, peinigendem Charakter gegeben. Der englische Schriftsteller Thomas de Quincey, der Verfasser der „Bekenntnisse eines Opiumessers“, berichtet, daß ein höchst schmerzhaftes Magenübel, die Folge früherer Entbehrungen, ihn zur Anwendung. des Opiums gebracht habe, während zwei Leidensgenossen ihre Gewohnheit auf ein Gefühl zurückführten, „wie wenn

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_191.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)