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dieselbe wie bei dem Empfänger, nur ist sie kräftiger ausgeführt. Der anschließende Schalltrichter soll nur den Ton verstärken.

In ihrer Verwendbarkeit stehen die beiden Apparate – Phonograph und Grammophon – zur Zeit so ziemlich auf gleicher Stufe. Ein unbestrittener Vorzug des Grammophons besteht darin, daß die Töne stärker hervortreten und ohne Anwendung des beim Phonographen erforderlichen Hörrohres wahrnehmbar sind, obwohl beim Gebrauche des letzteren sich die Wirkung erheblich verstärkt. Dagegen treten beim Phonographen die Nebengeräusche weniger störend auf als beim Grammophon.

Es ist aber die Erwartung wohl berechtigt, daß sich die Leistungen des Grammophons bedeutend steigern werden, wenn bei demselben eine weitere Durcharbeitung der einzelnen Theile und die Verwendung eines Elektromotors zur Erzielung eines gleichmäßigen Betriebes, wie es bei dem Phonographen bereits geschehen ist, stattgefunden hat. Vielleicht gehen dann noch die musikalischen Zukunftsträume, wie sie Bellamy in seinem Rückblick aus dem Jahre 2000 giebt, in Erfüllung, und jeder kann durch einen Druck auf den Knopf der elektrischen Leitung zu jeder Zeit Zuhörer eines Konzertes, einer Aufführung, einer Rede werden und sich erzählen lassen, was die Zeitungen berichten, wobei natürlich alle Personen selbst als Redende vorgeführt werden. – Der Verwirklichung dieser Träume sind wir dadurch ein gutes Stück näher gerückt, daß sich die Berlinerschen Phonautogramme mit Leichtigkeit und haarscharf mittels der Galvanoplastik vervielfältigen lassen.

Außerdem ist vor kurze Zeit eine Erfindung gemacht worden, welche beiden Apparaten, sowohl dem Phonographen als dem Grammophon, zugute kommt. Sie rührt von dem in New-York lebenden Lieutenant Battini her und besteht darin, daß nicht nur die Mitte der elastischen Faser- oder Glimmerplatte zur Aufnahme und Abgabe der Töne benutzt wird, sondern auch anderweitige Stellen der Platte, zu welchen von der Mitte aus hebelartige Verbindungen geführt sind. Oder es werden mehrere, selbständige Platten von verschiedener Größe und Spannung in einem Rahmen vereinigt. Da jede Stelle der Platte ebenso wie jede Platte selbst ein verschiedenes Tongebiet besitzt, so wird der Umfang der Töne viel größer und die Wiedergabe erheblich genauer und stärker, wodurch ein solches Instrument in einem Zimmer gewöhnlicher Größe überall vernehmbar wird.

So werden die Selbstsprechapparate Schritt für Schritt der Vollkommenheit entgegengeführt. H.     


Europas größte Lokomotive.

Es sind nun gerade 40 Jahre her, seit die erste Alpeneisenbahn über den Semmering vollendet wurde. Die Großartigkeit dieser Gebirgsbahnanlage, die ungewöhnliche Linienführung mittels starker Rampen und kleiner Bogen, vor allem aber die Anforderungen, welche damit an die Leistung der Lokomotive gestellt wurden, erweckten die allgemeine Bewunderung dieser ersten Alpenbahn.

Nachdem durch die Ueberschienung des Semmeringgebirges zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag die Möglichkeit eines geregelten Bahnbetriebes unter schwierigen technischen und klimatischen Verhältnissen nachgewiesen war, erfolgte bald die Ausführung anderer großer Gebirgsbahnen, die an Kühnheit der Anlage die Semmeringbahn zum Theil noch übertrafen.

Zwischen Innsbruck und Bozen wurde der Brennerpaß überschient, und zwischen Modane und Susa der Mont Cenis, oder richtiger der Col de Frejus durchbohrt. In Italien wurden die kühnen Gebirgsbahnen über die Apenninen angelegt und im schweizerischen Jura der Hauenstein bezwungen.

Die neue Doppel-Lokomotive der Gotthardbahn.

Das großartigste Denkmal der zeitgenössischen Eisenbahn-Ingenieurkunst ist aber die Deutschland und Italien durch die Centralschweiz verbindende Gotthardbahn, während außerhalb Europas die amerikanischen Anden- und Cordillerenbahnen zu erwähnen sind, in Asien die Bahn über den Suram in Kaukasien, auf der Linie Poti-Tiflis, und diejenige durch die Schluchten des Bolanpasses in Beludschistan, welche vom Indus nach der Hochebene von Pishin führt.

Der anstandslose Betrieb der genannten Bahnen wurde aber nur dadurch ermöglicht, daß schwerere Lokomotiven als gewöhnlich, d. h. Maschinen von größerer Adhäsionskraft und Verdampfungsfähigkeit, zur Anwendung gelangten.

Die gegenwärtige Normal-Lokomotive der großen europäischen Gebirgsbahnen hat in der Regel vier gekuppelte Achsen und wiegt unter Dampf 50 bis 56 Tonnen (zu je 1000 kg), während die Vorräthe von Speisewasser und Kohlen auf einem Tender von 25 bis 30 Tonnen Vollgewicht untergebracht sind. Eine derartige Lokomotive vermag auf einer Steigung von 1:40 mit einer Bahnkrümmung von 180 Metern Halbmesser eine Gesammtlast von etwa 150 Tonnen, ausschließlich Maschine und Tender, zu bewältigen.

Auf Bergbahnen mit starkem Verkehr sind aber in der Regel schwerere Züge zu befördern, abgesehen davon, daß die Witterungsverhältnisse sehr oft größere Maschinenkräfte erheischen, und man ist alsdann zur Verwendung von „Vorspann“ oder „Schub-Lokomotiven“ gezwungen; oft genügen selbst die zwei Maschinen nicht mehr und es muß eine dritte zu Hilfe genommen werden. Es ist ganz klar, daß ein solcher Nothbetrieb, wie er besonders im Winter vorkommt, weder sparsam noch sicher ist, und thatsächlich ist ein derartiger Zug in langen Kehrtunneln, wo die Maschinenführer einander nicht sehen können, beständig in Gefahr. Auch auf den Bahnen des Flachlandes sind viele und große Unfälle auf die Verwendung von Vorspann-Lokomotiven zurückzuführen. Es handelte sich somit darum, durch eine außerordentlich leistungsfähige Maschine den Vorspanndienst möglichst einzuschränken, wenn nicht ganz zu umgehen, und diese Aufgabe wird gelöst durch den Bau von sogenannten Doppel-Lokomotiven, bei welchen die Vorräthe von Speisewasser und Kohlen auf die Maschine selbst verlegt sind.

Eine solche Doppel-Lokomotive wurde nun im Januar d. J. im Eisenwerk Hirschau von J. A. Maffei in München für die Gotthardbahn vollendet, und da diese Riesenmaschine im dienstfähigen Zustande 85 Tonnen wiegt, so ist dieselbe weitaus die größte Lokomotive, welche bis dahin in Europa gebaut und in Betrieb gesetzt worden ist.

Die Grundzüge der neuen Lokomotive sind auch dem Laien verständlich, wenn folgendes beachtet wird. Die Größe einer Lokomotive wird hinsichtlich Breite und Höhe beschränkt durch das sogenannte „Normalprofil des lichten Raumes“ oder das „Ladeprofil“ und zwar so, daß auf den Bahnen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen keine Maschine über 3,15 m breit und über 4,57 m hoch, am Schornstein gemessen, sein darf. Eine erhebliche Vergrößerung der Lokomotive kann somit nur in der Längsrichtung erfolgen und sie bedingt gleichzeitig eine entsprechende Vermehrung der Achsen, deren Anzahl außerdem durch die zulässigen Schienendrucke – welche in Deutschland 14 Tonnen auf die Achse nicht übersteigen dürfen – bestimmt werden muß. Ferner erfordert das freie Befahren der Bahnkrümmungen eine gewisse Biegsamkeit des verlängerten Laufwerkes, was durch Drehgestelle erreicht wird. Denkt man sich nun eine sechsachsige Maschine, bei welcher die vorderen drei Achsen in einem Drehgestell liegen und mit eigenem Antrieb versehen sind, so ergiebt sich die allgemeine Anordnung der neuen Riesen-Lokomotive der Gotthardbahn, wie sie durch die obenstehende Abbildung veranschaulicht ist.

Die Vorrathsräume der Maschine fassen 8 Tonnen Speisewasser und 4 Tonnen Kohlen, während ihre Länge, von Puffer zu Puffer gemessen, 14 m beträgt.

Aehnlich konstruirte Maschinen nahmen bereits vor 40 Jahren am Semmeringwettbewerb, welcher damals von der österreichischen Regierung veranstaltet wurde, theil; später wurde das System wieder aufgenommen und verbessert durch den englischen Lokomotiveningenieur Fairlie in London und den elsässer Ingenieur Meyer in Mülhausen, während die neue Lokomotive der Gotthardbahn nach den Patenten des in Paris lebenden Ingenieurs Anatole Mallet aus Genf ausgeführt ist. Sämmtliche Konstruktionspläne wurden indeß ganz selbständig in Maffeis Eisenwerk

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Die Gartenlaube 1891, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_198.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)