Seite:Die Gartenlaube (1891) 334.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

versehen wird, zuvor „gescheint“, d. h. einer ersten vorläufigen Brennung unterzogen; danach erst wird sie gemalt und wandert dann in die Glasierstube, wo sie von einem Arbeiter mit der flüssigen Glasurmasse solange übergossen wird, bis sich ihre Poren ganz damit gesättigt haben. Jetzt erst ist es zum eigentlichen Brennen Zeit. Die glasurgetränkten Stücke werden, nachdem sie erst wieder einigermaßen abgetrocknet sind, zum zweiten Male in die Kapseln und mit diesen in den Ofen gesetzt; ist alles drin, so wird der Eingang mit Chamottesteinen vermauert und die Anfeuerung beginnt. Es würde aber Schaden bringen, wollte man sofort stark heizen; deshalb wird zunächst, um die Vollendung des Trocknens und die Verdampfung des Wassers herbeizuführen, mit einem sogenannten Vor- oder Schmauchfeuer, welches nur wenig Hitze entwickelt, angefangen; allmählich aber geht man zum Vollfeuer über, bei welchem sich das völlige Schmelzen der Glasuren vollzieht. Man nennt diesen Vorgang das „Gut- oder Ausbrennen“. Nach Beendigung desselben läßt man dem Ofen einige Tage Ruhe bis er sich gehörig abgekühlt hat, bricht alsdann die vermauerte Oeffnung wieder auf und die Entleerung beginnt.

Es ist bei der Töpferei wie beim Kuchenbacken; man wünscht, daß alles wohl geräth, und ist neugierig, ob dieser sehr berechtigte Wunsch in Erfüllung geht. Man läßt deshalb Löcher in der Vermauerung, durch welche man Probescherben heraus- und hineinschieben kann. Nachzuhelfen giebt es natürlich schließlich immer; bald fehlt dies, bald jenes – bald ist die Glasur im Feuer herabgeflossen, bald zeigen sich an der Fußfläche Unebenheiten und diese kleinen Mängel müssen noch durch Glattschleifen auf der schnell rotierenden Schleifmaschine beseitigt werden. Nicht immer aber handelt es sich um derartige geringfügige Mängel; sehr häufig verändern die Gegenstände im Ofen derartig ihre Form, daß sie unbrauchbar sind und fortgeworfen werden müssen. Und noch beim Abschleifen kann es vorkommen, daß der Arbeiter dem so gut wie fertigen Stücke den Fuß abbricht oder einen andern Schaden zufügt und dadurch alle frühere, darauf verwendete Mühe vergeblich macht.

Im ganzen werden in Bürgel jährlich etwa 40 000 Centner Töpferwaren angefertigt und nach allen Richtungen ausgeführt, so daß es sehr natürlich ist, wenn man sich endlich eine Eisenbahnverbindung wünscht, um die theuren Fuhrlöhne ersparen zu können. Es ist aber nicht anzunehmen, daß damit die in ganz Thüringen bekannten Bürgeler Töpferwagen mit ihrer weiblichen Begleitung, die, den Quersack über der Schulter, nebenher marschirt, aus der Welt geschafft würden. Diese Leute kennen eben kein anderes Leben und würden auch, wollten sie etwas anderes treiben, mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen; denn ihre Vorfahren haben seit Jahrhunderten genau dieselben Reisetouren gemacht, welche sie jetzt machen, und die Leute von heute folgen daher nur den „Spuren ihrer Väter“.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Eine unbedeutende Frau.

Roman von 'W. Heimburg.

(19. Fortsetzung.)

Als die Kleine endlich, längst wieder völlig getröstet, mit der Alten abfuhr, ging Leo in das Haus zurück und setzte sich, wie er es früher wohl auch zuweilen gethan hätte, an das Fenster der zierlich aufgeputzten Wohnstube von Frau Dora. Aber er wurde seiner erregten Gedanken hier noch weniger Herr, denn die junge Frau glaubte, es sei ihre Pflicht, den trübselig Dahinbrütenden etwas zu unterhalten, und sie hatte die ganze Tasche voller Neuigkeiten von der Hütte. Da hatte Frau Jussnitz gestern den Grundstein zu einem neuen Schulhaus gelegt, und die Kleine hatte müssen den ersten Hammerschlag thun. Und dann hatte sie mit dem Herrn Ferdinand Frey zusammen das Eisenwerk „Günderode“ gekauft, und sie bauten gemeinschaftlich einen Hochofen. Wer nur so etwas habe denken können von der stillen blassen Frau! Der Herr Kortmer habe gesagt, die alte Frau sei schon tüchtig gewesen, aber diese gehe noch darüber, denn die verstorbene Frau Bergrath habe ein wenig zaghaft gethan mit Neuerungen.

„Herr,“ schloß sie, „Sie werden sich wundern, wenn Sie hinunter kommen. Wann werden Sie denn hinunterziehen? Behüt’ Gott, daß ich Sie etwa forthaben wollte, aber ich meine, Sie müssen sich hier langweilen. Morgen früh geht der Herr Doktor Fuchsgraben mit dem Wilhelm. Dann sitzen Sie wieder allein. – Aber wie wär’s denn? Oben auf der Bodenkammer steht noch Ihr altes Malzeug, sogar der Schirm ist noch da. Malen sollten Sie, Herr Jussnitz, malen!“

Und die flinke Frau eilte hinaus, um nach den Sachen zu suchen, zur großen Erleichterung des Zurückbleibenden. Er stand auf und schritt in dem Gemach auf und ab, und in Gedanken verloren blieb er endlich vor dem Glasschrank der Frau Försterin stehen, hinter dessen Scheiben vom grellblauen Hintergrund sich unbeschreiblich bunte Tassen, Kuchenteller, ihr Brautkranz, Wachsengelchen, Blumenvasen und dergleichen abhoben. Seine Blicke musterten zerstreut diese Herrlichkeiten, dann blieben sie an einem kleinen Gegenstande haften, nachdenklich und lange. Es war ein aus Thon modellirter Frauenkopf, der sprechend ähnlich das kecke Näschen, den vollen Mund und die welligen Haarmassen der jungen Försterin wiedergab; eine Porträtbüste, so gut getroffen wie nur möglich.

Er betrachtete sie noch, als Frau Dorchen wieder eintrat.

„Droben in Ihrem Zimmer steht jetzt alles wieder so, Herr Jussnitz, als wären Sie eben davon fortgegangen,“ rief sie munter. Aber er sagte nicht einmal: „Schön Dank!“ Er deutete auf die kleine Büste und sagte: „Hat sich ja sehr gut gehalten, das Ding da!“

Sie war näher gekommen und lachte. „Ja, Sie haben wohl gedacht, ich würde die schöne mühevolle Arbeit zum Fenster hinauswerfen, wie Sie damals thun wollten, Herr Jussnitz? Gott bewahre! Da hat sich schon manch einer darüber gefreut und gemeint, ich sei aufs Haar getroffen. Das hebe ich mir auf für meine alten Tage und zeige dann den Leuten, daß ich mal jung und hübsch war. Und“ – sie schwieg auf einmal und sah den Maler an, der von dem Thonköpfchen den Blick nicht wenden konnte.

„Herr Jussnitz,“ platzte sie endlich heraus mit der Freudigkeit, mit der jemand einen guten Einfall kundgiebt, „Herr Jussnitz, Thon ist draußen vollauf – hätten Sie nicht Lust, mir – ach, seien Sie nur nicht böse, es ist so unverschämt – mir meinen Alten dazu als Gegenstück zu formen?“ Und als er nicht antwortete, bat sie: „Lieber Herr Jussnitz, aber ebenso ähnlich und so fein, wie Sie mich da herausgearbeitet haben. Bitte, Herr Jussnitz!“

Er schüttelte den Kopf und blickte sie an; als er aber die erwartungsvollen Augen der schönen Förstersfrau sah, huschte ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht. „Meinetwegen!“ sagte er leise.

Und Frau Dora lief eilends fort, um den Thon vorzubereiten, so eilig, als sollte er schon heute beginnen.

Er stieg hinauf in sein Stübchen, setzte sich an das Fenster und sah den Mond über den Wald emporsteigen. Spät erst trat Maiberg bei ihm ein und fand ihn noch immer dort sitzend.

„Kommst Du von der Hütte?“ fragte Leo.

„Ja!“ antwortete Maiberg und zog einen Stuhl herzu.

„Ich glaube, ich halte es hier nicht länger aus,“ fuhr Jussnitz fort. „Sag’ mir, wann bin ich wohl so weit, daß – daß ich – –“

„Bald!“ war die lakonische Antwort.

Jussnitz erhob sich plötzlich; es war ihm, als ob er ersticken müßte in dem engen Raum.

„Maiberg!“ Er blieb vor dem Arzt stehen, der in den Mondschein blickte mit großen sinnenden Augen.

„Was willst Du, Leo?“

Die Arme des Malers hingen schlaff herab; er lehnte sich gegen das Tischchen und senkte den Blick. „Wenn ich auch wollte, ich kann ja nichts beginnen – ohne Geld,“ sagte er.

„Du hast Ansprüche auf einen Theil von Antjes Vermögen; der Justizrath setzte es mir vor einigen Tagen erst auseinander,“ sprach Maiberg.

Leo stand plötzlich mit geballten Fäusten vor dem Freunde. „Wolf, und Du glaubst, ich würde einen Pfennig nehmen?“

„Ich thäte es nicht!“ war die Antwort, „ich würde mir lieber etwas borgen.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_334.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2023)