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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Schubert! So lange er auf Erden wandelte, blühten ihm wenig andere Blumen als die, welche seinem Sang entsproßten. Wie von seinem „Wanderer“ galt im äußeren Sinne auch von ihm selber das Wort: „Dort wo du nicht bist, dort ist das Glück!“ Scheint es doch vorwiegend das Geschick derer zu sein, die uns im Kunstwerk ihr Bestes darbringen, uns die Seele beschwingen zum Flug in eine reinere ideale Welt, daß sie das Leben rauhe, unwegsame Pfade gehen heißt, gleichsam zur Buße dafür, daß es sie mit der Weihegabe des Genies gesegnet hat. Um so mehr erwächst der Nachwelt die Pflicht, durch Liebe, Dank und Anerkennung mit gerechter Hand auszugleichen, was Schicksal und Mitwelt dem Genius schuldig blieben.



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Eine Räubergeschichte.

Von Isolde Kurz.0 Illustrirt von Fritz Bergen.

(Schluß.)

Endlich löste sich die qualvolle Spannung. Die Kerle wurden des Gegenüberstehens und Anstarrens müde und kehrten sich brummend ab, dem Festland zu, nachdem der eine noch einmal ganz nah herangeschlichen war und nach Clelias goldenem Reif geschielt hatte. Sie entfernten sich ein paar Schritte, blieben dann nochmals stehen, scheue, finstere Blicke auf uns werfend – und jetzt – ja, unzweifelhaft, sie zogen sich zurück, sie gingen einer um den andern auf den Waldweg zu, den Wildbach hinauf und verschwanden allmählich hinter der Biegung.

Sobald der Bann von uns genommen war, flohen wir eilends nach der Felsennische, und ich bin gewiß, Signora Clelia hat in ihrem Leben noch nie so rasch Toilette gemacht wie an diesem Morgen.

Jetzt erst überlegten wir ruhig, was zu thun sei. Daß wir nicht allein hinter den Banditen her nach San Terenzo zurückkehren konnten, das stand uns sogleich fest. Hier am Strand waren sie doch durch die Nähe der Fahrstraße, vielleicht auch durch das mögliche Auftauchen eines Nachens in Schach gehalten; sollten wir ihnen jetzt wehrlos in das abgelegene Dunkel des Waldwegs folgen? Sollten wir nicht lieber den Weg nach Lerici einschlagen, um dort Hilfe zu holen? Dem aber stand ein anderer Gedanke entgegen. Wir vermutheten nämlich, daß die Unholde eben von dort her gekommen seien, daß auf der einsamen Straße noch andere von derselben Bande lauern möchten.

Unschlüssig setzten wir uns auf die Holzbank vor der Villa Orlandini und warteten, indem wir unsre gelösten Haare trocknen ließen.

Die Sonne stand jetzt über unserem Scheitel, jenes riefe, feierliche Schweigen war eingetreten, das um die Mittagszeit am Meere zu herrschen pflegt. Selbst die Vögel im Park der Maccarani waren verstummt, kein Hundegebell ließ sich mehr vernehmen, nur das leise Klatschen der steigenden Fluth am Ufer.

Endlich wurde auf der Fahrstraße über uns in weiter Ferne eine Gestalt sichtbar; wir verfolgten sie mit gespannten Blicken, sie kam näher, es war ein Mann, der rüstig ausschritt und offenbar San Terenzo zustrebte. Jetzt kam er schon den Abhang herunter und wollte, mit raschem Gruß an uns vorübereilend, den Klippenweg einschlagen. Es war ein Mann in mittleren Jahren, augenscheinlich auch den mittleren Ständen angehörig und von mittlerer Statur, gleichviel, er war ein Mensch von civilisiertem, vertrauenerweckendem Aussehen und trug einen Bambusstock, der zwar keinen Vergleich aushielt mit den Urwaldsknüppeln unserer Banditen, aber immerhin ein Stock war.

Wir riefen ihm zu, daß der Klippenweg des Hochwassers wegen nicht gangbar sei, erzählten unser Abenteuer und baten ihn, uns durch den Waldweg nach San Terenzo zu begleiten.

Der Mann hörte unsere Erzählung mit etwas ungläubigem Lächeln an, war jedoch gern bereit, uns zu begleiten, unser Weg sei ohnehin der seinige.

Während wir langsam den Waldweg hinaufstiegen, unser Beschützer voran und wir ihm auf dem Fuße folgend, entspann sich zwischen mir und Clelia ein leise geführter Streit über die Anzahl unsrer Banditen, da ich dieselbe aufs Gerathewohl auf fünf angegeben hatte, Clelia aber sich nur an vier erinnern konnte. Doch weil ich meiner Sache nicht gewiß war, ließ ich mich leicht zu ihrer Ansicht bekehren.

Als wir um den Waldweg bogen, standen wir alle drei einen Augenblick vor Bestürzung still. Auf einem Baumstumpf saß einer unsrer Briganten, beide Hände um den Stock geschlungen, als habe er auf uns gewartet. Unser Begleiter schritt jedoch vorwärts und wir folgten.

Als wir nahe kamen, erhob sich der Unhold, riß sich den zerlöcherten Hut vom Kopf und grüßte tief und ironisch. Hinter einem Baum trat ein zweiter hervor und bekomplimentierte uns gleichfalls, doch ließen sie uns unangefochten vorüber und folgten erst aus einiger Entfernung.

„Wären wir nur schon bei der Marigola,“ seufzte Clelia, „dort wohnen doch wieder Menschen!“

Unser Begleiter machte ein gleichmüthiges Gesicht und pfiff leise vor sich hin, doch fühlte ich, daß auch ihm nicht geheuer bei der Sache war. Die Befriedigung, ihn so für seinen Unglauben gestraft zu sehen, half mir fast über die eigene Furcht hinweg.

Endlich war die Marigola erreicht, doch, o Schreck! – vor dem sonst immer offenen Hoftor, das nur heute gerade geschlossen war, stand wieder einer von unsern Strolchen. Dieser grüßte nicht, sondern starrte uns nur auf unverschämte Weise ins Gesicht. Und als wir um die Ecke bogen, sahen wir auch den vierten, der langsam vor uns her den Solaro hinunter humpelte.

Gleichviel, wir waren jetzt in der Nähe menschlicher Wohnstätten, da und dort stand schon ein Häuschen am Wege, bald kam das Dörfchen Bagnola in Sicht, und von hier aus waren es nur noch einige hundert Schritte nach San Terenzo. Wohlbehalten kamen wir an, doch erst in der Nähe des Orts verloren wir unsre unheimliche Gesellschaft aus den Augen.

Im Umsehen lief unser Abenteuer von Mund zu Munde. Ueberall wurden wir angehalten, befragt, man bedauerte nur, daß heute nicht der „Tag der Carabinieri“ sei, sonst wollte man der Strolche gleich habhaft werden und ihnen den Respekt vor fremden Badegästen beibringen.

Giacomino kam sehr niedergeschlagen und sagte:

„Es war mir schon lang nicht wohl bei Ihrem Umherstreifen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_382.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2023)