Seite:Die Gartenlaube (1891) 387.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Aber es wäre weit gefehlt, wollten wir solche Fälle als allgemeine Regel ansehen. Eine große Anzahl tüchtig geschulter und fähiger Erzieherinnen wirkt in englischen Familien und hat es nicht nöthig, ähnliche Klagen zu führen. Sie fühlen sich umgeben von der Achtung, die der Engländer thatsächlich jedem taktvollen und sicheren Benehmen zollt, sie benützen die vielberufenen Abendstunden, wo die Familie sehr begreiflicherweise unter sich allein sein will, zu der so nothwendigen geistigen Weiterbildung und erleben es oft genug, daß gerade infolge ihrer eigenen ruhigen Zurückhaltung ihr Verhältniß zum Hause mit der Zeit ein wirklich freundschaftliches wird.

Sie alle aber haben auch für den Fall der Stellenlosigkeit einen mächtigen Schutz und Anhalt in dem von einer hochverdienten früheren Erzieherin, Fräulein Helene Adelmann, seit 1879 begründeten „Deutschen Lehrerinnenheim“, London, Wyndham Place 16, das außer vorübergehender Unterkunft und Verpflegung für den Krankheitsfall die einzig sichere und aussichtsvolle, von den englischen Damen bereits hochgeschätzte Stellenvermittelung bietet. An diese Anstalt verweisen wir alle Mädchen, die nach England gehen wollen, indem wir ihnen zugleich eine Rede des Fräulein Adelmann über das leichtsinnige Annehmen einer Stelle durch Agentenvermittelung im Auszuge mittheilen.

„Da sagt sich so manche,“ so führt Frl. Adelmann aus, „‚ach was, wenn ich nur festen Fuß gefaßt habe, dann werde ich mir schon weiter helfen.‘ ‚Festen Fuß fassen‘ – heißt das etwa in eine Stelle kommen, in welcher man sich überarbeiten muß und Hunger zu leiden hat? Wie viele Klagebriefe erhalten wir von solchen Lehrerinnen! Jetzt im Unglück wollen sie schnell Vereinsmitglied werden und den Karren, den sie so gedankenlos in den Sumpf hineingeschoben, von uns herausgezogen haben. Wie schwer ist es, eine zweite Stelle zu erlangen, wenn die erste englische Referenz schlecht ausfällt! Da heißt es trotz aller vortrefflichen deutschen Zeugnisse, ob mit Recht oder Unrecht: ‚für England unbrauchbar.‘ Unser Rath ist daher immer: fort, so schnell als möglich! Nicht erst eine Referenz verdienen wollen. Vereinsmitglied sein ist ja Gott sei Dank für Engländer schon ein gutes Zeugniß. Aber ist es leicht möglich, jetzt schnell Mitglied zu werden? Englische Zustände zwingen uns, daß auch wir die Leute erst sehen müssen, ehe sie als Mitglieder aufgenommen werden können. Diese Bestimmung unserer Satzungen wird von allen, die englische Verhältnisse nicht kennen, angefeindet, hat sich aber in zehn Jahren glänzend bewährt, seit sie nach dreijähriger Erfahrung von uns für dringend nöthig befunden wurde. Und selbst wenn die persönliche Vorstellung möglich ist, da heißt es, ein scharfes Examen bestehen, alle Papiere und Zeugnisse in vollster Ordnung haben! ‚Machen Sie die Aufnahme in den Verein leichter!‘ sagt manchmal eine mitleidige Dame. Als ob wir damit aus einer untüchtigen Lehrerin eine tüchtige machen könnten! Nein, hier heißt es, die Pflicht im Auge behalten, an das große Ganze und an die Kinder denken, deren Mütter eine gute Lehrerin von uns verlangen. Das Vertrauen der Engländer in unsern Verein darf nicht erschüttert werden. Im Vaterland wird ja auch niemand angestellt, der seine Prüfung nicht bestanden hat! Wir nehmen aber auch ungeprüfte Lehrerinnen auf, sobald sie befriedigende Nachweise über ihre Lehrthätigkeit liefern können.“

Der Schluß aus allen diesen Ausführungen ist leicht zu ziehen: es entschließe sich kein Mädchen ohne ganz tüchtige, gut beglaubigte Kenntnisse, nach England zu gehen, sie vertraue nicht einer Agentur in Deutschland, welche, wenn auch von anständiger Gebahrung, doch die Londoner Verhältnisse nicht genügend kennt, sondern melde sich sofort bei dem „Verein Deutscher Lehrerinnen“ an und rechne die kleine Summe für den Eintritt in denselben zu den nothwendigen Reisespesen! Dann können auch zärtlich besorgte Eltern ihr Kind ruhig ziehen lassen; deutsche Fürsorge nimmt es drüben in Empfang und steht ihm rathend zur Seite, bis durch den Verein das ersehnte Ziel der ersten Stellung erreicht ist. Die aufopferungsvolle Thätigkeit der Damen Adelmann und Gaudian ist bis jetzt durch stets wachsenden Erfolg belohnt worden, eine Menge deutscher Erzieherinnen dankt ihnen ihr Fortkommen in England.


Blätter und Blüthen.

Mondnacht am Volta. (Zu dem Bilde S. 376 und 377.) Wir haben schon einmal unsere Leser in das Hinterland des deutschen westafrikanischen Schutzgebietes Togo, nach der Bismarckburg im Adeliland, geführt. Nachdem wir den Küstenstrich durchwandert hatten, rasteten wir in der Gebirgslandschaft, mitten unter einer im Fetischglauben versunkenen Bevölkerung. Dringen wir von dort noch weiter in das Innere vor, so gelangen wir auf einen Theil der Hochebene des Westsudan, einen weitausgedehnten Kessel, dessen Gewässer in dem Voltaflusse abströmen.

In diesem Gebiete überwiegt die Savanne mit niedrigem starren Grase; Affenbrotbäume sind häufig im Busch vertreten; hier wächst der Schibutterbaum, und die Tamarinde und der Wollbaum spenden in den Ortschaften den Schatten. Je weiter nach Norden man vordringt, desto mehr nimmt die Fruchtbarkeit ab, und in den Landschaften Grussi und Muschi ist es schon schwer, dem Boden etwas abzuringen.

In den letzten Jahren durchzogen deutsche Forscher jene Gebiete und François lernte auch hier den schlimmen Einfluß des Islam kennen. Aufgehetzt durch die Mohammedaner, setzten ihm die Grussi alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg, rüsteten sich zum Angriff und hatten sich schon in seine Sachen getheilt, bevor sie dieselben hatten. „Bei dem achtzehntägigen Marsch durch ihr Gebiet,“ heißt es in dem Berichte des Reisenden, „konnte ich nur mit dem Gewehr im Arme gehen und schlafen, jeden Augenblick eines Ueberfalls gewärtig. Das Schlimmste war, daß sie uns keine Lebensmittel verkauften und wir, zu Skeletten abgemagert, matt und schwach wurden.“

Auf dieser Hochebene betrug die höchste gemessene Temperatur 37°, die geringste 21° C. Die Abkühlung in der Nacht war viel unbedeutender als an der Küste. Das Wasser der Flüsse wie das Cisternenwasser war daher lau, der Dakafluß z. B. hatte im Juni 1888 eine Temperatur von 28° C. Auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wird immer geringer, je weiter man nach Norden vordringt. Hier versagte die Spencerjagdflinte François’ ihren Dienst, weil das Oel durch die trockene Luft aufgesogen war. Aus demselben Grunde blieb in Gambaga seine Spieluhr stehen. Eine Tafel Chokolade, die er bis dorthin gebracht, hatte wohl ihre Form behalten, doch war alle Feuchtigkeit derart herausgesogen, daß sie beim Anfassen zu Mehl zerfiel.

Der Volta, der etwas weiter nördlich entspringt, ist hier bereits ein 150 bis 200 Meter breiter Fluß, der aber während der Trockenzeit stellenweise ganz wasserlos ist. Fälle und Stromschnellen machen ihn auf dieser Strecke unschiffbar. Bis dahin heißt er auch der „Weiße Volta“, der sich in seinem weiteren Laufe mit dem „Rothen Volta“ zu dem Amu oder dem Volta vereinigt. Wenige Meilen unterhalb der Vereinigung dieser beiden Arme liegt die Stadt Salaga mit etwa 10 000 Einwohnern. Sie besteht aus einer Ansammlung meist kreisrunder Gehöfte, mit unregelmäßigen Straßen und großen Marktplätzen. Die Straßen werden nie gereinigt, obwohl aller Unrath auf sie geworfen wird, und der Schmutz ist hier so gräßlich, daß selbst der einheimische Sultan vor ihm floh und seine Residenz in Pembi, eine Stunde südöstlich von Salaga, baute. Trotzdem ist Salaga unstreitig der bedeutendste Ort der Gegend, der Knotenpunkt für den Handel des oberen Volta, ja des ganzen Nigergebietes. Salaga liegt etwa 30 Kilometer von dem Flusse entfernt, der von hier ab schiffbar wird, aber nur auf eine kurze Strecke bis zu der Ortschaft Kratschi, wo ihn ein Wasserfall unterbricht.

Von Kratschi bis zur Mündung, die im englischen Schutzgebiete liegt, kann der Fluß von flachgehenden Fahrzeugen befahren werden, er hat bereits eine Breite von 250 Metern, aber immerhin ist es wegen der Stromschnellen und Sandbänke schwierig, Boote oder gar kleine Dampfer glücklich hindurchzubringen. Kratschi ist gleichfalls eine Handelsstadt, mit etwa 5000 Einwohnern, die zumeist vom Stamme der Ashanti sind.

Die Scenerie der Uferlandschaft wird jetzt anmuthiger. Unser Bild zeigt uns die Aussicht auf den Volta von einem kleinen, zwei Stunden südlich von Kratschi gelegenen Dorfe. Fr. Leuschner, der Maler unseres Bildes, schildert nach eigener Anschauung den Blick von einer nahen Hügelkette: „Es ist dieses Panorama zu vergleichen mit der Aussicht, die man vom Brauhausberge in Potsdam über die Havelseen hat, auch eine andere Stelle am Volta erinnert an unsere Mark, so daß man glauben könnte, man stände auf den Müggelbergen und schaute hinab auf die dortige Seenplatte.“ Die Ostseite des Flusses ist hier mit einem Galeriewald eingesäumt, im Westen dehnt sich eine weite Baumsavanne aus, eine parkartige Landschaft, in welcher zahlreiches Wild umherschweift, Antilopen, Büffel, Elefanten, und in welcher sogar Leoparden und Löwen hausen. Auch das Leben im Flusse ist ein reges; schon die Flußpferdschädel, die in den Dörfern als Sitze benutzt werden, weisen darauf hin, daß dort jene Dickhäuter nicht selten sind.

Fr. Leuschner führt uns sein Landschaftsbild am Volta in der magischen Beleuchtung einer Vollmondnacht vor. „Die Hitze des Tages,“ schreibt er selbst, „hat einer angenehmen Kühle, die sich allerdings noch immer auf 25° C. stellt, Platz gemacht. Die Ruhe und Stille der Natur ringsherum wird nur selten durch den Schrei eines Nachtvogels oder eines Affen unterbrochen – aus der Ferne klingt der melodische Gesang einer Karawane herüber. Sobald ein leiser Luftzug weht, rauschen die mächtigen Palmen auf, und wie ein Flüstern und Erzählen von den Wundern der Schöpfung geht es durch die Stille der Nacht. Magisch spielt das Mondlicht auf den Palmen und den breiten Blättern der Bananen, dazu der südliche Sternenhimmel! – wahrlich, es ist eine so feierliche und ernste Stimmung, die den Europäer inmitten der schönen Wildniß beschleicht, daß er sich schwer loszureißen vermag, um sein Zelt aufzusuchen, während die Schwarzen noch die halbe Nacht hindurch bei einem Schoppen Palmwein plaudern.“ *

Wallensteins Werbung um Isabella von Harrach. (Zu dem Bilde S. 385.) Es war im Jahre 1617, als der kaiserliche Obrist Wallenstein, nachdem er mit Lorbeeren geschmückt aus dem Kriege der Oesterreicher gegen Venedig zurückgekehrt war, sich um die Hand der Gräfin Isabella von Harrach, der Tochter des mächtigen Günstlings der Hofburg, bewarb. Wallenstein war schon vorher verheirathet gewesen, mit einer älteren Witwe Lucrezia Nekyssowa von Landeck, welche bei ihrem Tode 1614 ihm große Besitzungen in Mähren hinterließ. Da ihm damals auch von seiten eines Onkels 14 Güter zugefallen waren, so konnte er für einen der reichsten Standesherren der böhmisch-mährischen Lande gelten. Was ihm noch fehlte, war die Hofgunst, und gerade diese suchte er durch seine zweite Heirath sich zu erwerben. In der That wurde er bei der Hochzeit vom Kaiser in den Grafenstand erhoben. Aus unserem Bilde geht indeß hervor, daß er seinen ehrgeizigen Bestrebungen hier kein schmerzliches Opfer zu bringen brauchte: denn die junge Gräfin Isabella ist eine stattliche und reizende Erscheinung, und bei den Verhandlungen, welche der energische Kriegsmann mit dem einflußreichen Hofherrn führt, hatten Liebe und Schönheit den Vorsitz. Es sind noch Briefe von der jungen Gräfin Wallenstein vorhanden, die von ihrer zärtlichen Neigung zu dem Gatten Zeugniß ablegen. Schiller hat sie als den versöhnenden Genius des Feldherrn in den späteren Jahren, zur Zeit seines Abfalls vom Kaiser, geschildert.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_387.jpg&oldid=- (Version vom 25.11.2022)