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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nr. 25.   1891.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Lea und Rahel.

Roman von Ida Boy-Ed.

(8. Fortsetzung.)


9.

Graf Clairon brauchte kein Unwohlsein vorzuschützen, um sich den folgenden Tag dienstfrei zu machen. Seine Stirn brannte, seine Hände waren kalt, sein Auge glänzte fieberisch.

Auf seine Abmeldung hin kam pflichteifrigst von selbst der ihm befreundete Stabsarzt und fand es ganz begreiflich, daß Clairon sich bei dem Regenschauer gestern einen kleinen Fieberzustand zugezogen hatte. Die Schwadron war ja überhaupt nur einmal naß und gar nicht wieder trocken geworden. Er verschrieb ihm ein fieberstillendes Mittel und fragte, ob man ihm abends durch einen Skat die Zeit vertreiben solle und welche Herren ihm dazu erwünscht seien. Clairon dankte; er fühle sich so ernsthaft schlecht, daß er den ganzen Tag zu verschlafen suchen wolle.

So ließ man ihn denn ziemlich ungestört.

Zuweilen sprach der eine oder andere Kamerad vor und fragte nach seinem Ergehen.

Ehrhausen saß eine Viertelstunde bei ihm und redete ruhig über das Wetter, die bevorstehenden Brigadeexerzitien und die Dauer des Manövers. Als er ging, hielt Clairon lange seine Hand fest und sagte:

„Sie dürften ein offenes Wort von mir erwarten, lieber Ehrhausen. Sie waren gestern abend Zeuge eines räthselhaften Vorgangs. Vergeben Sie mir, wenn ich noch schweige! Ich muß das allein mit mir abmachen.“

Eine Thräne flimmerte in seinem Auge.

„Es giebt Fragen, für deren Entscheidung wir nur die Richterstimme in der eigenen Brust anhören dürfen,“ sprach er weiter und seine Stimme bebte.

Ehrhausen war tief erschüttert, den stolzen und glänzenden Mann in solcher Gemüthsverfassung zu sehen. Er konnte ihm nur wieder und wieder die Hand drücken.

„Wenn ich um eins bitten darf, so veranlassen Sie


Sommer.
Nach einem Gemälde von H. Rettich.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_409.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2023)