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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nr. 32.   1891.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Baronin Müller.

Roman von Karl v. Heigel.

(5. Fortsetzung.)

Als der Schreiber Franz hinausgeführt worden war, blieb Tannhauser einen Augenblick nachsinnend stehen, dann fuhr er, zu dem regungslosen Vitus gewendet, in seinem Redestrom fort: „Mir ist bloß eins noch nicht klar: wann verließ ‚Pfannen Gide’ die Burg und warum schleppte er die eiserne Kasse mit weg, statt sie gleich zu leeren?“

Er klingelte; Strobel trat ein und fragte demüthig: „Sie befehlen?“

Sie! Ich erwarte ein Bekenntniß Ihrer gestrigen Fahrlässigkeit.“

Ach, die neuen Besen! dachte der Amtsdiener, die neuen Besen! Er bekannte sich ohne Umschweife schuldig, schuldig der Uebertretung der Hausregeln. Allein die Hitze war so groß und sein Durst „enorm“. Auch habe er vorschriftsmäßig die Riegel vorgeschoben.

„Auch das Schloß zugesperrt?“

Strobel sah Vitus Müller an. Nun stellte sich heraus, daß aus Sparsamkeitsgründen nur ein Thorschlüssel vorhanden war, der sich im Besitze des Richters befand. Wenn Vitus den Abend auswärts verbrachte, schloß er das Thor ab, und dann wurden die Riegel vorgelegt; blieb die Familie zu Hause, so begnügte man sich mit der Sicherung durch die Riegel, welche Strobel um neun Uhr vorzuschieben hatte.

„Auch ich bin für Sparsamkeit,“ sprach der Nachfolger mit der Würde eines Ministers, „aber man darf einer kleinen Ersparniß nicht jede Vorsicht opfern.“

„Ich bitte Sie, Herr Amtsrichter,“ fiel der Alte ein, „die Riegel sind auch allein so fest, daß kein Riese sie sprengt. Indessen die Festung hat schwache Punkte. Da ist die Hinterthür mit einem Schloß, das der jüngste Gauner mittels eines Nagels öffnet. Hier oben sind die Schlösser gut, allein das Holzwerk taugt nichts.“

„Um so sträflicher ist Ihr heimlicher Ausgang!“

„Herr Amtsrichter, angenommen, ich wäre gestern daheim gewesen: entweder hätte ich geschlafen, dann mögen Sie mit Kanonen schießen, mich wecken Sie nicht; oder ich wäre wach gewesen, dann hätte ich vor der himmlischen Kanonade nichts gehört.“

„Beweis, daß Sie den Pflichten eines Hauswarts nicht mehr gewachsen sind. Wo waren Sie und wann kamen Sie heim?“

„Ich war in der Braustube im Schloßkeller und gönnte mir nach des Tages Hitze ein Glas Bier. Eben will ich aufbrechen, da geht das Donnerwetter los. ‚Warte ab!’ sagen alle. Ich warte ab und warte ab, aber das nimmt kein Ende. Wie der Himmel schließlich Ruhe giebt, geht das Getute und Trommeln der Feuerwehr los. Ich weiß nicht mehr, wer fragen ging – es sei wegen des Hochwassers, hieß es. An den Aufstieg in dieser nassen Finsterniß war nicht mehr zu denken; ich wollte jedoch die Burg wenigstens in der Nähe haben, und so bat ich um eine Nothmaß


[Alice Barbi]

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_533.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2023)