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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Reihenfolge das Nothwendige vor sich zu gehen hatte. Demzufolge wartete er zu seinem zweiten Besuche im Lindenhause die Wiederkehr des guten Wetters ab.

An einem sonnigen Spätnachmittage suchte er das Lindenhaus zum zweiten Male auf und fand Martina, wie er erwartet hatte, im Garten. Sie begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Heute treffen Sie es gut, Herr Doktor. Mein Vater ist daheim und wird sich freuen, Sie zu empfangen.“

„Ich werde sofort von Ihrer freundlichen Aufforderung Gebrauch machen, zuvor aber müssen Sie, mein Fräulein, hier in Ihrem grünen Reiche mir noch eine kleine Audienz gewähren!“

Sie blickte überrascht auf. „Wozu das, Herr Doktor?“

Er lächelte. „Ich will mich Ihnen in der Bildersprache des Morgenlandes verständlich machen,“ sagte er – „da Sie diese mir gegenüber schon einmal mit Erfolg angewandt haben. Kennen Sie diese junge Dame?“

Ahnungslos trat Martina einige Schritte vor und erblickte in seiner geöffneten Brieftasche das dunkle Gesicht der Kamerunerin! Claudius bereute sein Thun, als er ihr jähes Erblassen, den erschrockenen, rathlosen Ausdruck ihrer Augen gewahrte, aber schon hatte Martina die Herrschaft über sich selbst zurückgewonnen.

„Jetzt muß ich Sie allerdings um einige Aufklärungen bitten, Herr Doktor,“ sagte sie in ihrem gewohnten, ruhigen Tone – „zunächst wohl darüber, wie Sie in den Besitz dieses Bildes gelangt sind.“

„Unsere Wünsche begegnen sich, mein Fräulein. Vieles zwischen uns bedarf der Aufklärung. Sie müssen mich kennen, bevor ich Ihr Haus betrete, müssen entscheiden, ob Sie den Doktor Claudius noch Ihrer Gastfreundschaft werth erachten, wenn er sich vor Ihnen als ‚Freimuth‘ entpuppt.“

Nun war es heraus! Sie standen einander im Lindenschatten schweigend gegenüber; er in der Erwartung einer viel entscheidenden Antwort, sie gesenkten Blickes, mit heißen Wangen, aber doch mit einem weichen, halb lächelnden Zuge um die Lippen, der ihm Gutes verhieß.

„Soll ‚Freimuth‘ seinen Wanderstab weiter setzen, Fräulein Martina?“

Da schaute sie auf und ließ ihre großen sprechenden Augen sekundenlang fest auf seinem Antlitz ruhen; er ertrug die scharfe, offenbar prüfende Musterung, ohne mit den Wimpern zu zucken.

„Bestanden?“ fragte er dann.

Sie bot ihm die Hand. „Bestanden! Ich denke, ich darf es wagen, Herrn Freimuth aus Grützburg im Lindenhause willkommen zu heißen, auf die Gefahr hin, daß dadurch der erbitterte Kampf: ‚Hie Deutschland, hie Kamerun!‘ aufs neue entbrennt.“

„Das steht nicht zu befürchten. Der Kampf ist entschieden. Freimuth erklärt sich für besiegt, streckt die Waffen und ergiebt sich auf Gnade und Ungnade seiner edlen Gegnerin.“

Sie lachte fröhlich auf. „Diese begnügt sich mit dem Lorbeer des Siegers und giebt, da überdies ihre Feste zur Beherbergung von Kriegsgefangenen wenig geeignet ist, dem hochherzigen Feinde die Freiheit zurück!“

„Welche dieser im Dienste und zur Ehre seiner gnädigen Herrin zu verwenden bestrebt sein wird!“

„Angenommen! … Und nun, da der Friedensschluß vollzogen ist, verlangt es mich danach, die Meinigen an meinem Ruhme theilnehmen zu lassen, indem ich ihnen den überwundenen Gegner zuführe. Vater und Tante Seraphine – sie wissen beide die Geschichte von der Kamerunerin – müssen unbedingt mit anhören, was ich jetzt unverzüglich zu erfahren wünsche: wie nämlich Herr Freimuth aus Grützburg Namen und Adresse der geheimnißvollen Briefstellerin in Erfahrung bringen konnte!“

(Schluß folgt.)




Das Reventlow-Beselerdenkmal in Schleswig.

(Zu dem Bilde S. 565.)

Am 24. Juli dieses Jahres ist in Schleswig ein eigenartiges, schönes Denkmal enthüllt worden. Bewohner von Schleswig-Holstein haben es mit Unterstützung ihres Landtages zum Andenken an jene zwei Männer errichtet, die in den Jahren 1849 bis 1851 als Statthalter die beiden Herzogthümer im Kampfe um ihr Recht treu geleitet haben: Graf Fritz Reventlow und Wilhelm Beseler.

Das Denkmal ist von gebietender Form und ein würdiger Ausdruck des Gedankens, welcher der schleswig-holsteinischen Bewegung zu Grunde lag. Auf einer kleinen Anhöhe steigt es sieben Meter hoch empor, der schwedische Granit, der verwendet wurde, giebt dem ganzen ein wuchtiges Aussehen. Ueber dem dreistufigen Sockel erhebt sich ein reich gehaltenes Mittelstück, das oben einen Wappenschild trägt mit der Inschrift: „1849–51.“ Zu beiden Seiten dieses Wappens treten in anderthalbfacher Lebensgröße die Bronzebüsten der Statthalter hervor, sie zeichnen sich durch eine sprechende Aehnlichkeit und durch packende lebendige Gestaltung aus. Nach vorn ist in das Mittelstück eine Nische eingeschnitten, in welcher die ebenfalls aus Bronze gegossene Figur eines schleswig-holsteinischen Freiheitskämpfers aufgestellt ist. Den wallenden Mantel um die Schultern geschlungen, in der rechten Hand das Schwert, mit der linken auf eine Urkunde gestützt, welche das schleswig-holsteinische Landesrecht von 1460 darstellt – so steht der kraftvolle Krieger da; sein Auge sucht den Himmel, als wolle er von dort sich die Gewißheit holen, daß der gerechten Sache der Sieg nicht fehlen werde. Und glückverheißend schwebt von oben her der deutsche Aar, er trägt die Friedenspalme und das Wappen der Herzogthümer mit der Umschrift: „Up ewig ungedeelt“.

Deutscher Geist und deutsche Vaterlandsliebe waren in jenen beiden Männern lebendig, deren Gedächtniß Stein und Erz der Nachwelt überliefern sollen. Graf Reventlow, geboren am 16. Juli 1797 zu Schleswig, und Wilhelm Hartwig Beseler, geboren am 8. März 1806 auf Schloß Marienhausen in Oldenburg, waren schon zu Anfang der vierziger Jahre die Führer der schleswig-holsteinischen Bewegung, welche der offenen Auflehnung gegen die geplante Einverleibung Schleswigs – Holstein sollte eine freiere Stellung behalten dürfen – in den dänischen Staat voranging. Von verschiedener Laufbahn her gelangten sie zu demselben Streben, die Trennung der Herzogthümer nach Kräften zu hindern. Reventlow war erst in Glückstadt und dann in Kiel höherer Gerichtsbeamter, seit 1836 Propst des Klosters Preetz. In dieser letzteren Eigenschaft gehörte er der ständischen Vertretung der Ritterschaft an, und bald war er deren Führer. Beseler, ebenfalls Jurist, hatte sich in Schleswig als Rechtsanwalt niedergelassen und wurde 1844 in die schleswigsche Ständeversammlung gewählt, wo man ihm das Amt des Präsidenten übertrug. Reventlow wie Beseler lebten der Ueberzeugung, daß das Heil von Schleswig-Holstein in der Unlöslichkeit ihrer gegenseitigen Verbindung beruhe, daß also die Abtrennung von Schleswig, wie sie am 8. Juli 1846 von dem dänischen König Christian VIII. in seinem „offenen Brief“ ausgesprochen worden war, mit aller Macht zu hintertreiben sei. Sie erkannten auch, daß den Absichten der dänischen Regierung nur durch Anschluß der Herzogthümer an Deutschland erfolgreich die Spitze geboten werden könne. Als nun nach dem Tode Christians VIII. sein Sohn Friedrich VII. die Einverleibung Schleswigs durchzusetzen suchte, traten Reventlow und Beseler mit dem Prinzen Friedrich von Augustenburg-Noer und drei weiteren Mitgliedern am 24. März 1848 zu einer provisorischen Regierung zusammen und gaben so der Bewegung einen Halt, welche lediglich auf die Vertheidigung der alten Landesrechte gerichtet war.

Die neue Regierung fand nicht nur im eigenen Lande Anerkennung und kriegsbereite Mannschaft, sie erhielt auch von preußischen und anderen Truppen des deutschen Bundes siegreiche Unterstützung in dem Kampf, der sich nun mit Dänemark entspann. Allein die drohende Haltung, die Rußland und England zu Gunsten Dänemarks einnahmen, veranlaßte Preußen zum Abschluß des Waffenstillstandes von Malmö am 26. August 1848. Durch die Abmachungen, die hier getroffen wurden, sahen sich Reventlow und Beseler gezwungen, ihr Amt in die Hände der neugebildeten, „gemeinsamen“ Regierung abzugeben.

Sie traten beide ins Privatleben zurück. Der Waffenstillstand war bloß auf sieben Monate abgeschlossen worden; als diese Frist verstrichen war, ohne daß die angeknüpften Friedensverhandlungen zu einem Ergebniß geführt hätten, begann mit Ende März 1849 der Krieg aufs neue und die zwei unerschrockenen Männer wurden nun von der deutschen Reichsgewalt zu Frankfurt als Statthalter an die Spitze der Verwaltung berufen. In dieser Stellung haben sie trotz mannigfacher Stürme aus Norden und Süden, trotz Anfechtungen aller Art die Regierung des Landes treu und gewissenhaft geführt, zu jeder Zeit die von der Bundesgewalt ausgehenden Vorschriften als die oberste Richtschnur ihres Verhaltens betrachtend.

Als aber am 2. Juli 1850 Preußen ungeachtet seiner Siege einen Frieden mit Dänemark abschloß, der die Herzogthümer sich selbst überließ, als es sich in Olmütz am 29. November 1850 der österreichisch-russischen Forderung unterwarf, daß der von der schleswig-holsteinischen Armee auf eigene Faust fortgesetzte Widerstand mit deutscher Bundesgewalt niedergeworfen werde, als dem Olmützer Vertrag die Drohung auf dem Fuße folgte, daß ein österreichisches Heer zur Herstellung der Ruhe in den Herzogthümern einrücken werde, – da mußten die Statthalter dem Druck weichen und von ihrem Posten zurücktreten.

Beseler, der im Gegensatz zu der Mehrheit der Landesversammlung für Fortsetzung des Kampfes war, legte sein Amt sofort nieder, als er nicht durchdrang. Reventlow aber leerte den bitteren Kelch bis zur Neige; er war es, der am 1. Februar 1851 die Regierung des Landes den preußischen und österreichischen Bevollmächtigten übergab. Bald nachher mußten die früheren Statthalter sammt vielen anderen Leidensgenossen auf Befehl der dänischen Behörden ihre Heimath verlassen. Reventlow ging nach Preußen, wo er sich in der Niederlausitz ankaufte; bis an sein Lebensende, das am 28. April 1877 erfolgte, hielt er sich von der öffentlichen Thätigkeit für die schleswig-holsteinische Frage fern und nur noch einmal, im Jahre 1863, hat er im preußischen Herrenhause, wohin er durch Wilhelm I. berufen worden war, in einer mächtigen Rede seine Stimme für das alte Heimathland erhoben. Beseler fand anfangs in Braunschweig und Heidelberg eine Zufluchtsstäte, später – 1861 – wurde er vom preußischen König zum Kurator der Universität Bonn ernannt. Hier starb

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_579.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2023)