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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

in die Seele gedrängt hatte, es wuchs lebendig, farbenschön und freudig vor ihm empor, deutlich bis ins Kleinste.

Unwillig sah er sich in den Hotelzimmern um und zuckte mit den Händen. Wenn er jetzt eine große aufgespannte Leinwand vor sich gehabt hätte! Daß er jetzt, gerade jetzt nicht malen konnte! Freilich – die Beleuchtung! Aber – –

Er wühlte aus einem seiner Koffer ein Reißbrett und einen Kohlenstift hervor und fuhr mit dem letzteren emsig auf dem weißen Grunde hin und her. Eine so kleine Fläche! Und es sollte ein so großes Bild werden! Seine Augen fingen an, zu leuchten, er mußte sich einen großen Karton anschaffen – bald! Und er mußte auch Hilt aufsuchen, der konnte ihm dabei behilflich sein! Natürlich würde er hier im Hotel nicht arbeiten können, er würde sich eine Wohnung miethen. Wunderlich, auf der Durchreise, hier in einer ihm ganz neuen Stadt, eine so große Arbeit zu beginnen! Gleichviel! Wenn die Stimmung da war, mußte sich alles andere finden!

Das Reißbrett wurde in eine Ecke gestellt, so ging es nicht! Seine Hand war gewöhnt, in großen kühnen Umrissen vorzugehen, der kleine Raum beengte ihn! Er warf sich auf die Ruhebank und schloß die Augen.

Als der Zimmerkellner bald nach halb fünf Uhr vorsichtig klopfte und auf ein schlaftrunkenes „Herein!“ den Salon betrat, blieb er mit offenem Munde im Rahmen der Thür stehen: dort auf dem schwarzen Postament, wo bisher die Lampe gewesen war, stand jetzt eine Büste, ein weiblicher Kopf, leicht aufwärts gewendet, wie erwartungsvoll …

„Nun? Was denn?“ – Andree war erst vor einer guten halben Stunde eingeschlafen und hatte gänzlich vergessen, wo er sich befand und was er eigentlich wollte.

„Belieben zu verzeihen! Mir war befohlen worden, um diese Zeit zu wecken.“

„Schon gut!“ Des Malers Blick fiel auf die Büste, die der Kellner immer noch wie verzaubert anstarrte, und er ärgerte sich, daß er sie nicht mit irgend einem Tuch bedeckt hatte, ehe er einschlief. „Sie können gehen!“

Adolf ging auch. Aber es war schon zu spät. Denn ehe eine Stunde verging, wußte bereits das gesammte Bedienungspersonal des „Hamburger Hofes“, der Herr auf Nr. 16 und 17, ein Maler Andree aus Rom, habe in einer Kiste eine Marmorbüste mitgebracht und frank und frei in seinem Zimmer aufgestellt – und diese Büste stelle niemand anders dar, als des Senatars Brühl entzückende Tochter, die stadtbekannte Schönheit Hamburgs.

(Fortsetzung folgt.)



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Die Poesie der Elektrotechnischen Ausstellung.

Von Emil Peschkau.

Grotte und Wasserfall.

Die Ausstellung der heutigen Elektrotechnik, welche gegenwärtig in Frankfurt am Main stattfindet und deren technische Bedeutung schon in Nr. 17 dieses Jahrgangs ihre Würdigung gefunden hat, weist eine Besonderheit auf, durch welche sie sich von anderen ähnlichen Unternehmungen wesentlich unterscheidet. Bei sonstigen Ausstellungen bringt uns der Gartenbau Blumen, die das Auge entzücken, und Früchte, die verheißungsvoll unserem Gaumen winken, die Kunst läßt uns im Anblick von Farben und Formen, von buntem Leben und träumerischer Stimmung schwelgen, und das Gewerbe zaubert prunkvolle Salons, behagliche Stübchen und andere reizvolle Bilder in die schachtelartigen Abtheilungen einer nüchternen Bretterhalle. Die Elektrotechnik hat es nicht so gut, und so gewahrt der Laie von dem eigenthümlichen Inhalt der Frankfurter Ausstellung nicht viel mehr als sausende Räder, Eisenungethüme, die schnaufen, stöhnen und surren, allerlei sonderbare Apparate aus Messing, Holz und Glas und endlich Drähte, Drähte und wieder Drähte. Und doch hat dieses scheinbar nüchterne und trockene Sammelsurium von großen und kleinen Maschinen auch seine Poesie; eine Poesie, die sich sogar da und dort zu kleinen, das Auge erfreuenden Bildchen verdichtet und die überdies in dem Theater der Ausstellung – getanzt wird.

Ich lade den Leser ein, mit mir auf die Plattform des Aussichtsthurmes zu treten. Es ist noch früher Morgen, tiefe Stille lagert über den Hallen für Bier, Wein, Kaffee, Champagner, Heidelbeersaft, Liqueur und so weiter, und nur aus dem kuppelgekrönten Langbau, der die Mitte des Platzes einnimmt, tönt ein leises, seltsames Summen zu uns herauf. Und nun nehme ich meinen Zauberstab und die Dächer fliegen weg, die Maschinen öffnen ihre Leiber, das Auge folgt einer ausgedehnten Leitung von Drähten und weit, weit über die Mainstadt hinaus dringt der Blick in die Ferne nach dem schönen Schwabenland, an die freundlichen Ufer des Neckar, dessen Wasserkraft von Lauffen aus durch den Draht nach Frankfurt geschickt wird. Wir blicken hinab in die Tiefe und es ist uns, als ob ein wunderbarer Traum unsere Sinne umgaukle. Die Werkstätte der Natur scheint sich uns erschlossen zu haben, wir sehen die Materie, wie sie sich, beseelt von Kraft, zu Formen fügt, und wie durch das Aufeinanderwirken dieser Formen wieder Kräfte frei werden und neue Formen entstehen. Wir sehen, wie sich die Kraft der Materie bald anziehend oder abstoßend äußert, wie sie mechanische Arbeit leistet und zu Wärme, Licht oder Schall wird, wie sie vor allem als Elektricität sich äußert. Eine eigenthümliche Anregung, zum Beispiel das Reiben einer Glasstange oder die Berührung von Zink und Kupfer oder das Vorüberdrehen eines schwach magnetischen Eisenkörpers an Drahtspulen genügt, um jenen eigenthümlichen Erregungszustand der Materie hervorzurufen, den man Elektricität nennt. Wir sehen jetzt die feinen Aethertheilchen, die den elektrisierten Körper umhüllen und durchdringen, wir sehen, wie sie aus ihrer Ruhe gestört werden, schwingen – ähnlich dem Schwingen der Theilchen des Wassers, wenn man einen Stein in dasselbe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_619.jpg&oldid=- (Version vom 26.9.2023)