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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

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einen Augenblick im Rahmen der Thür gestanden und sich dann auf dem dicken Teppich unhörbar näher bewegt hatte. Ganz nahe, dicht bis hinter Hilt war er gekommen und stand nun hinter diesem, unbeweglich wie eine Statue, und hörte zu. Der junge Ritter Kuno war der einzige, der ihn nach einer Weile bemerkte, allein wie sollte seine schüchterne Stimme in dem Tumult durchdringen, und an wen hätte er sich wenden sollen, da alles durcheinandersprach, lachte, stritt und eiferte?

Als Hilt sich zu seiner „Freundschaft“ mit Andree bekannte, ging ein verächtliches Lächeln über das schmale hübsche Gesicht des stummen Zuhörers, und als wieder eine einzelne Stimme laut wurde und fragte: „Ja, wer könnte eine so heikle Aufgabe übernehmen?“ da ertönte plötzlich hinter dem Sprecher die Antwort: „Hätten die Herren vielleicht die Güte, dieselbe mir zu überlassen?“

Alle Köpfe fuhren erstaunt herum, Hilt schnellte von seinem Stuhl empor und stotterte betroffen: „Durchlaucht – haben gehört?“

„Ich konnte nicht umhin, dies Zimmer gehört doch zu den Gesellschaftsräumen, und ich wünschte, mich ein wenig zurückzuziehen, da ich es satt hatte, dem Tanz zuzusehen. So mußte ich alles mit anhören und ich blieb stehen, da mich der Gegenstand interessierte und da er zudem in einer Gesellschaft von“ – sein Auge überflog die kleine Versammlung – „von acht Köpfen verhandelt wurde, von denen ich jetzt der neunte bin. Sollte jemand der Herren nicht wissen, wer ich bin: Prinz Riantzew!“

Er machte eine kurze, aber nicht unhöfliche Verbeugung und wartete, ob ihm jemand etwas entgegnen würde.

Die Herren waren vorläuflg noch zu überrascht, um das zu thun. Hilt, der Aristokratenhasser und Volksfreund, stand immer noch vor seinem verlassenen Sitz in einer Haltung, die man nicht anders als respektvoll nennen konnte, eine Thatsache, die er späterhin stets rundweg leugnete. Wenn auch hier im Wein die Wahrheit steckte, dann war Hilt ein verkappter Fürstendiener ersten Ranges!

„Ich bin noch fremd im Hause,“ nahm der Prinz von neuem das Wort, als er sah, daß niemand ihm antwortete, „und einige der Herren stehen, ich bezweifle es nicht, der Familie Brühl bei weitem näher als ich. Wenn ich dennoch in dieser Angelegenheit die erste Rolle übernehmen möchte, so würde ich mich auf den Umstand zu berufen haben, daß ich als Offizier und Edelmann schon zahlreiche Ehrenhändel der allerverschiedensten Art ausgefochten habe, daß ich daher in derartigen Angelegenheiten eine nicht zu unterschätzende Uebung besitze. Auch sonst … ich hätte noch einen weiteren Grund, den in Rede stehenden Herrn zu interpellieren, doch wünsche ich diesen Grund als einen von durchaus privater Natur zu verschweigen. Außer Herrn – Herrn – Verzeihung! – der Name ist mir entfallen –“

„Hilt!“ schob der Maler mit einer unterthänigen Verbeugung ein.

„Ich danke! Also außer Herrn Hilt, der ja selbst jedes persönliche Eingreifen in die betreffende Angelegenheit abgelehnt hat, ist wohl unter den anwesenden Herren niemand da, der sich des fraglichen Gegenstandes annehmen möchte?“

Nein, es war wirklich niemand da! Einer sah den andern an, aber der andere sah weg oder that so, als ginge ihn der Blick nichts an. Keiner von ihnen kannte den Maler Andree anders als von Ansehen, und im übrigen hatten sie alle nicht Lust, um nichts und wieder nichts mit ihm anzubinden, zumal ihnen der „glaubwürdige Zeuge”, den Hilt erwähnt hatte, ganz fremd war.

Der junge Barckwitz ermannte sich endlich und theilte im Namen der übrigen Herren, die durch undeutliches aber beifälliges Gemurmel ihre Zustimmung gaben, dem Prinzen mit, daß niemand aus der kleinen Versammlung etwas dagegen zu sagen habe, wenn Seine Durchlaucht den Maler Andree darüber zur Rede stelle, wie er wohl dazu komme, die Büste der schönen Stella Brühl mit sich herumzuführen und dabei auf seine Ehre und sein Gewissen zu behaupten, er habe das junge Mädchen nie zuvor in seinem Leben kennengelernt.

Darauf dankte der Prinz der kleinen Versammlung im allgemeinen und dem jungen Herrn Barckwitz im besondern mit einigen höflichen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 713. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_713.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)