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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

König Karl von Württemberg auf dem Totenbett.
Nach einer Photographie von Hofphotograph H. Brandseph in Stuttgart.

an der Spitze, der noch vor kaum mehr als zwei Jahren die fröhlichen Tage des fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums an der Seite König Karls mitgefeiert hatte, und so folgten sie dem Sarge an der Seite seines Nachfolgers, des heute regierenden Königs Wilhelm II., bis zu der Kapelle im ehrwürdigen „Alten Schloß“, unter welcher der verewigte König bald nach seiner Thronbesteigung für die Mitglieder des württembergischen Königshauses eine Begräbnißstätte hatte erbauen lassen. Und mit ehrfürchtigem Staunen blickten die dichtgedrängten Volksmassen rechts und links von dem kurzen Weg, welchen der Zug zurückzulegen hatte, auf das glänzende fürstliche Gefolge, das ihren König zu seiner letzten Ruhe geleitete – sie wußten, daß etwas mehr als bloß höfisches Ceremoniell diese stolze Schar zusammengeführt hatte, und sie verstanden, was das bedeutete. Mitten in aller aufrichtigen Trauer durchdrang sie ein erhebendes Gefühl, sie waren noch einmal stolz auf ihren König Karl.




Das Verschwinden des Lord Bathurst in Perleberg im Jahre 1809.

Von Eduard Schulte.
I.

Das Verschwinden des englischen Gesandten Bathurst auf seiner Durchreise durch Perleberg im Jahre 1809 hat seiner Zeit eine ungemeine Aufregung hervorgerufen; es ist bis heute ein nicht völlig gelöstes Räthsel geblieben.

Benjamin Bathurst wurde im Jahre 1784 als dritter Sohn des Bischofs von Norwich geboren. Er trat früh in den diplomatischen Dienst. Seit dem Jahre 1805 war er mit der Tochter eines Sir John Call verheirathet und hatte zwei Kinder. Im Jahre 1807 weilte er in Schweden, und dort lernte ihn ein anderer, um zwei Jahre jüngerer englischer Diplomat kennen, der spätere Botschafter bei der Pforte, Lord Stratford de Redcliffe. Dieser sagt in seinen erst im Jahre 1888 veröffentlichten Aufzeichnungen, Bathurst sei ein Gentleman von hoher Ehrenhaftigkeit und von ausgezeichneter Befähigung gewesen, aber „stark nervösen Einwirkungen unterworfen.“ Es ist für die Beurtheilung der Schicksale Bathursts nicht unwichtig, seine nervöse Reizbarkeit durch einen Menschenkenner wie Lord Stratford bezeugt zu wissen.

Zu Beginn des Jahres 1809 wurde Bathurst als außerordentlicher Gesandter nach Wien geschickt, um dort, da man in Oesterreich eine Erhebung gegen Napoleon plante, den Kampfeseifer anzuspornen und eine Verstärkung der auf der Pyrenäenhalbinsel gegen die Franzosen kämpfenden englischen Truppen zuzusagen. Bekanntlich nahm der Krieg, den Oesterreich unter großen Erwartungen begann, einen unglücklichen Verlauf. Im Mai zog Napoleon als Sieger in Wien ein; auf die für die Oesterreicher ruhmvolle Schlacht bei Aspern mit ihrem nicht ungünstigen Ausgange folgte bald die Niederlage bei Wagram, und Kaiser Franz mußte sich im Wiener Frieden, der im Oktober zustande kam, zu neuen erheblichen Opfern verstehen.

Bei Annäherung der Franzosen an die Hauptstadt war Bathurst dem österreichischen Hofe nach Komorn gefolgt. Er war dort mit Lord Walpole, dem ständigen Gesandten Englands in Wien, und einigen Mitgliedern der österreichischen Aristokratie vergeblich bemüht, den Kaiser Franz von der Annahme der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_749.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2023)