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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Dockenhaus fertigen ließ, es aber dann nicht den Kindern überließ, sondern in seiner weltberühmten Kunstkammer aufstellte. Es hatte neben dem Stall noch ein Wagenhaus mit verschiedenen Fuhrwerken, einen Lust- und einen Thiergarten, ein Tanzhaus, in welchem sich die Paare lustig drehten, und eine reich ausgestattete Kapelle. Ueber ein Puppenhaus, das eine Nürnbergerin, Anna Köferlin, 1631 eingerichtet hatte, giebt ein altes Flugblatt Nachricht. Es war vorzüglich ausgestattet:

„Das wann ich sollt erzählen all’s
0Was darinnen zu sehen,
Dieses Papier wäre gleichfalls,
0Zu weng, muß selbst gestehen.“

Es war auch ganz besonders reich mit Musikinstrumenten versehen, hatte eine Bibliothek und eine Rüstkammer. Das Flugblatt giebt auch den tiefern Sinn eines solchen Puppenhauses zu verstehen, welches zur Belehrung und zugleich zur Nacheiferung dienen soll:

„So schaut nun an das Kinderhaus,
Ihr Kinder, inn und außen,
Schauts an und lernet bevoraus,
Wie ihr einmal sollt hausen.“

Küche aus dem Puppenhause von 1639.

Im selben Jahrhundert war in Nürnberg von Gottfried Hautsch (geb. 1634, † 1703), einem in mechanischen Künsten wohlbewanderten Meister, ein anderes großartiges Spielzeug gefertigt worden, das viel Aufsehen erregte. Nach den Zeichnungen des berühmten Ingenieurs Vauban hatte Hautsch 1660 für den Dauphin von Frankreich eine Schar von etlichen hundert silbernen Soldaten, sowohl Reitern als Musketieren, ausgeführt, welche die gewöhnlichen Exerzitien gar artig machten, sich links und rechts wendeten, die Glieder verdoppelten, das Gewehr senkten, anschlagen, Feuer gaben und sich retirierten. König Ludwig XIV. soll mit Bezug auf diese Leistung gesagt haben: „Man müsse es denen Teutschen lassen, daß sie einen gar guten Verstand hätten.“ Höchst schmeichelhaft!

Mit der Herstellung von Soldaten beschäftigte sich auch der Vater des im Jahre 1695 geborenen berühmten Thiermalers und Kupferstechers Joh. Elias Ridinger. Ein Augsburger Bürger kaufte von ihm ganze Kompagnien der aus Papiermasse gefertigten 6 bis 7 Zoll hohen Figuren: Kürassiere, Dragoner, Husaren, mit vollständiger Feldequipage, mit Kutschen, Sänften, Proviantwagen u. s. w.

Nürnberg und Augsburg waren überhaupt hervorragende Fabrikationsorte für Spielwaren. In ersterer Stadt kommt schon 1400 ein Dockenmacher Ott und 1465 ein Dockenmacher H. Meß urkundlich vor.

Ein Schriftsteller vom Ende des 17. Jahrhunderts schreibt: „Es sind aber wegen Verfertigung fast unzählbarer artig, künstlich und wohlgemachter Spiele und Dockenwaren insonderheit die Augsburger und Nürnberger berühmt, welche fast die ganze Welt damit anfüllen.“

Zinnsoldaten aus dem 18. Jahrhundert: Preußische Husaren und Dragoner.

Der „Nürnberger Tand“ bestand also zu großem Theile aus Spielzeug, an dessen Herstellung beinahe alle Handwerke sich betheiligten. Die Goldschmiede fertigten solche aus Silber, die Bildschnitzer und Drechsler aus Holz. Andere Stücke wurden aus Alabaster oder Tragant gefertigt oder von Wachs bossiert: „und absonderlich von selbigen mancherley Thier und Geflügel, der Natur fast ganz gemäß mit rauen zarten Häutlein überzogen und mit Federn sehr artig bekleidet. Derjenigen Docken zu geschweigen, so nach jeder Landesart mit allerley Gezeug von Sammt und Seiden bekleidet, ja sogar die neuesten Moden von Kleidungen und Aufputz des Frauenzimmers durch dergleichen angekleidete Docken aus Frankreich nachzuahmen weit und breit versendet werden. Ja es ist fast kein Handwerk, welches dasjenige, was es groß zu machen gewohnet, nicht auch öfters als kleines Modell und Dockenwerk zum Spielen verfertiget.“

Außer den Spielsachen, die in Nürnberg selbst gefertigt wurden, sind von dieser Stadt als dem Hauptstapelplatz für Spielwaren auch die in Berchtesgaden, Oberammergau und Sonneberg geschnitzten Holzspielzeuge in alle Länder Europas wie der fremden Welttheile vertrieben worden.

Holzpuppen: Kosak aus dem Befreiungskriege und Soldat der französischen Republik.

Der Name Nürnberg hat deshalb für die Jugend auch einen ganz besonders guten Klang, denn „durch Puppen und Docken kann man aus der zarten Jugend locken, was man will, denn um dieselben zu erlangen, thun sie auch das, wozu sie offt weder durch glatte Liebkosungen, noch rauhe Worte und Drohungen zu bringen gewesen; durch dergleichen Spielwerke kann man dero Gemüth und Liebe gewinnen, daß sie sich nach Willen und Gefallen führen und regieren lassen.“

Es ist ganz unmöglich, alle die Hunderte von Spielwaren einzeln aufzuführen, die von Nürnberg außer den schon genannten oder abgebildeten zu Ende des vorigen Jahrhunderts zur Versendung kamen, um den Weihnachtstisch von Millionen von Kindern zu schmücken.

Und so will ich die Geduld der freundlichen Leser nicht länger mehr durch solche „Dockenwaar“ und „Puppending“ auf die Probe stellen, sondern mich mit den Schlußworten des am Eingange erwähnten Flugblattes empfehlen:

„Und daß ich Euch nicht mehr aufhalt,
So geht, und nehmt mit, was Euch gfallt,
Acht nicht zu kindisch und zu toll
Diß Kinderspiel. Gehabt Euch wohl!“



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 854. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_854.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2023)