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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nr. 51.   1891.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf.   In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf.   In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Ein Götzenbild.

Roman von Marie Bernhard.

(14. Fortsetzung. Die 13. Fortsetzung befindet sich in Nr. 49.)


Andree arbeitete an dem Bilde von Werner Troost, bis ihm die Hand müde wurde und ein körperliches Gefühl ihn daran erinnerte, wie lange er nichts gegessen hatte. Nach einem hastig eingenommenen Mahle suchte er vergeblich eine kurze Siesta zu halten; die Gedanken ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Er raffte sich daher bald auf und ging aus, um sogleich für die malerische Ausschmückung seines Ateliers Sorge zu tragen. Unterwegs traf er Hilt, der ihn mit pfiffig spionierenden Aeuglein ansah und fragte, ob er denn schon wisse, wer seit gestern nach Hamburg zurückgekommen sei.

„Gewiß, natürlich!“ gab Andree unbefangen zurück. „Familie Brühl ist wieder da! Ich bin heut vormittag in Person dort gewesen, um zu fragen, wann denn die letzten nothwendigen Sitzungen stattfinden sollen. Nachgerade treibt es mich doch, mein Bild endlich fertig zu machen!“

„Kann ich Dir nicht verdenken! Du wirst nun wieder fleißig bei Brühls aus und eingehen, nicht wahr?“

„Ich weiß nicht, man muß es abwarten. Vorläufig bin ich für morgen dort zu Tisch geladen!“

Andree dachte bei sich: Hilt erfährt ja doch alle äußeren Dinge, da ist es denn schon am besten, ich sage sie ihm selbst.

„Und die schöne Stella wird nun immer zu Dir ins Atelier kommen, was?“

„Mit ihrer Mutter, jawohl!“

Hilt machte eine Grimasse.

„Dies schöne Wesen ist leider sehr unvorsichtig in der Wahl seiner Eltern gewesen – die beiden Alten sind schwer zu verdauen!“

Waldemar fand diese Kritik im stillen nicht unberechtigt, ging aber nicht näher darauf ein.

„Ich hätte eine Bitte an Dich, Hilt!“ begann er nach einigem Zögern. „Ich möchte gern mein Atelier, das von wahrhaft verblüffender Reizlosigkeit ist, ein bißchen hübsch machen, damit ich mich seiner, wenn ich Damenbesuch bekomme, nicht zu schämen brauche. Willst Du mir einiges aussuchen helfen?“

Winter.
Nach dem Gemälde von H. Rettig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 857. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_857.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)