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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Bekenntniß abzulegen. Als er ihm über seine Person Aufschluß gegeben hatte und gestand, daß er Lisa Horst liebe und mit dieser einen letzten Gruß habe austauschen wollen, ließ ihn Monk los und brummte etwas von Narrheiten in den Bart; als aber Garcia seiner Börse ein Zwanzigmarkstück entnahm und es ihm als „Finderlohn“ überreichte, nahm er es dankbar an und begleitete den Fremden höflich bis zum Gasthaus. –

Als sich der Künstler am Nachmittag, noch immer sehr ermattet durch das nächtliche Abenteuer, in der Wolfsschlucht einfand – man hatte am gestrigen Abend verabredet, sich hier zu treffen – fand er Lisa und Bettina allein im Schatten einer Buche. Auf seine Frage, wie die Damen geschlafen hätten, antwortete Lisa: „Wundervoll. Ach, ich habe so schön geträumt. Ich sah eine zauberhafte Mondnacht, und Sie, Diaz, standen unter einem jener blühenden Kamelienbäume, von denen Sie uns neulich erzählt haben, mit der Mandoline im Arm und brachten mir eine Serenade. Sie sangen mit schmelzender Stimme eine anmuthige Weise – das klang so süß! In Wirklichkeit habe ich Sie nie so bestrickend singen hören.“

Garcia lachte. „In Wirklichkeit habe ich unter Ihrem Fenster gesungen in dieser Nacht, aber ein ernsthaftes miserere,“ und er berichtete den aufhorchenden Freundinnen sein Erlebniß und wie er durch den Lotsen Monk aus der schrecklichen Lage befreit worden sei. Lisa schalt ihn um seines Leichtsinns willen, raffte sich aber zu dem Entschluß auf, dem Vater ihre Liebe zu gestehen, damit künftig ähnliche Streiche vermieden würden. Bettina fühlte sich angenehm berührt, daß sich Ewald auch hier wieder männlich und hilfreich gezeigt hatte, und sagte sich, daß sie auf die Verehrung eines solchen Mannes stolz sein könne. –

Der Sanitätsrath war an einem der nächsten Tage nicht wenig überrascht, als Diaz mit einer Rosenknospe im Knopfloch seines schwarzen Rockes, mit hellfarbenen Handschuhen und in ungemein feierlicher Haltung sich bei ihm einfand und kurzweg um Lisas Hand anhielt. Der würdige alte Herr war erst sprachlos vor Erstaunen, dann brach er in die Worte aus: „Sie haben mit dem Entdecker des Kaps der guten Hoffnung, dessen Namen Sie tragen, jedenfalls die Kühnheit gemein. Das Leben erfordert etwas mehr als die Fähigkeit, einen Fandango gut zu tanzen und ein Lied zu singen. Worauf wollen Sie denn die Existenz Ihrer Frau gründen?“

„Ich bin gekommen, um Ihnen das zu erklären, verehrter Herr Sanitätsrath.“ – Mit einer graziösen Bewegung entnahm Diaz seiner Brusttasche zwei Schreiben, die er dem Vater Lisas vorlegte. Das erste war der Vertrag mit einem englischen Konzertunternehmer, in dem er versprach, gegen ein Honorar von dreihundert Mark für den Abend in zwölf Konzerten mitzuwirken; das zweite war der Brief eines spanischen Herzogs, aus dessen Inhalt hervorging, daß Diaz sich verpflichtet hatte, während fünf Monaten auf dem bei Barcelona gelegenen Schloß des Granden mit vier anderen Musikern Kammermusik zu spielen, wogegen der Herzog außer den Kosten des Unterhalts und der Reise ihm ein Gehalt von sechshundert Franken für den Monat zusagte.

Horst schob die beiden Schriftstücke zur Seite und meinte, das seien Geleitbriefe für wandernde Spielleute, die nichts als eine sichere Fahrt auf ein Jahr in Aussicht stellten. Was aber dann werden solle? Diaz möge wiederkommen, wenn er sich eine feste Stellung in der Musikwelt erobert habe.

Der junge Künstler ließ sich jedoch nicht so leicht aus der Fassung bringen. Er erklärte, daß der Herzog eine der einflußreichsten Personen am spanischen Hofe sei und ihm stets das größte Wohlwollen, ja mehr als das, wahre Freundschaft bewiesen habe; diesem werde es ein Leichtes sein, ihm eine lohnende Stellung als Musiklehrer in Madrid zu verschaffen. Er schilderte das Schloß und die Gärten des Herzogs als ein kleines Paradies und die Herzogin als eine der gütigsten liebenswürdigsten Damen Spaniens, welche Lisa sicher mit Freuden bei sich aufnehmen werde. Für die Zukunft aber brauche er keine Sorge zu tragen, denn er sei der einzige Erbe zweier Tanten, die ihn beide mit wahrhaft mütterlicher Zärtlichkeit liebten. Beweise hierfür könne er durch zahlreiche Briefe erbringen.

Der Vater Lisas sträubte sich trotzdem hartnäckig gegen die Werbung. Die Verschiedenheit der Nationalität und der Erziehung erweckte in ihm schwere Bedenken, ob ein glückliches Zusammenleben der Liebenden möglich sei. Vergebens eilte die ängstlich harrende Lisa herbei und bot ihre ganze Beredsamkeit auf, ihr Vater blieb unerbittlich. Da fiel ihr als letzter Ausweg Bettina ein. Sie eilte hinaus und erschien kaum eine Minute später mit der Freundin, welche im voraus über die Werbung verständigt worden war. Was dem leidenschaftlichen Ansturm der Liebenden nicht gelungen war, das gelang den ruhigen Gründen Bettinas. Sie wußte durch die Vorstellung, daß Lisa ja auch dann und viel sicherer unglücklich werde, wenn ihre heißen Wünsche nicht erfüllt würden, den gutherzigen Vater umzustimmen. Schweren Herzens sagte er endlich Ja – Lisa war stets sein Liebling gewesen, und der Gedanke, daß die Tochter, deren sonnige Heiterkeit ihn seit Jahren erwärmt und erquickt hatte, mit einem fremden Manne in die weite Welt ziehen wolle, einem unsicheren Geschick entgegen, schmerzte ihn tief. So konnte ihn nur die Hoffnung trösten, daß Diaz nach einem Jahre zurückkehren und sich vielleicht in Deutschland einen Wirkungskreis schaffen könne.

(Fortsetzung folgt.)

Tragödien und Komödien des Aberglaubens.

Moderne Schatzgräber.

Daß der Glaube an vergrabene, von bösen Geistern bewachte Schätze sich vom dunklen Mittelalter bis in unsere „aufgeklärte“ Zeit hinübergerettet habe, ja daß dieser Aberglaube heute noch von nicht einmal sehr schlauen Betrügern wie eine richtige Schatzgrube ausgebeutet werden könne, möchte wohl manchem unglaubhaft erscheinen, wenn diese Thatsache nicht hin und wieder durch einen Gerichtsfall bewiesen würde. Ein solcher hat sich in jüngster Zeit vor dem Tribunal einer Kreisstadt des schwäbischen Oberlands abgespielt, und die auf mehrere Jahre zurückreichenden Vorgänge, die er enthüllt hat, verdienen, wenn man das allgemein Beklagenswerthe solcher Erscheinungen in Abzug bringt, mehr den Titel einer Komödie als den einer Tragödie des Aberglaubens. Märchenanklänge, vermengt mit den groben Effekten einer Zauberposse älteren Stils, wie man sie um die Jahreswende zur Belustigung großer und kleiner Kinder hier und dort auch auf besseren Bühnen noch aufführt, bilden den Inhalt des Stücks, das durch das Hereinspielen spiritistischer Künste noch einen besonderen modernen Beigeschmack erhält.

Die Umgebung des Bodensees, des Schwäbischen Meers, das Land der Alemannen und die Heimath so vieler Scheffelscher Musengestalten, bildet den Schauplatz für diese Komödie. Trotz des länderverbindenden Charakters, der diese Seegestade zum Mittelpunkt eines lebhaften Verkehrs zwischen Süd und Nord, Gebirg und Ebene macht, haben sich mit den alten Trachten, Gebräuchen und Sitten auch die Sagen der Vorzeit dort länger und lebhafter als anderswo im Bewußtsein des Volks erhalten, und insbesondere gilt das für die ländliche Bevölkerung der kleinen zerstreut liegenden Weiler und Einzelgehöfte, der sogenannten „Einöden“. Die Betrüger sowohl wie die Betrogenen gehörten diesen Kreisen an, und nur einer der letzteren, allerdings auch der am stärksten Geprellte, lebte als Städter von seinen Renten. Doch kommt für ihn mildernd in Betracht, daß er an periodischen Gliederschmerzen und damit verbundener Schlaflosigkeit litt, ein Zustand, in dem man bekanntlich dem Glauben an übernatürliche Kräste zugänglicher ist als bei gesundem Leib, wie dies die Praxis so manchen Wunderdoktors zur Genüge beweist.

Und übernatürliche Kräfte waren es, deren sich die Ehefrau des Tagelöhners Straub rühmte und deren angeblicher Besitz ihr nicht nur an ihrem Wohnort, den sie zu verschiedenen Malen wechselte, sondern auch noch auf einige Meilen im Umkreis eine so einträgliche Kundschaft, so reichliche Tribute an Lebensmitteln und Bargeld eintrug, daß sie sich um die gewöhnlichen Sorgen des irdischen Daseins nicht weiter zu kümmern brauchte, sondern ohne jede sonstige Arbeit jahrelang ein behagliches Wohlleben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_078.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)