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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

des Sirius von späteren Bearbeitern des Almagest ihm unterschoben worden sei; allein da auch andere alte Schriftsteller wie Cicero, Horaz und Seneca den Stern als roth aufführen, so scheint es sich in der That beim Sirius um ein Beispiel fur eine in geschichtlicher Zeit erfolgte Farbenänderung zu handeln.

Eine besondere Beachtung wurde von Seiten der Astronomen den farbigen Doppelsternen geschenkt; die beiden Sterne eines Doppelsterns sind nämlich meist von sehr ungleicher Helligkeit und von ungleicher Farbe; in der Mehrzahl der Fälle ist der größere röthlich oder gelblich, der kleinere grünlich oder bläulich. Arago giebt eine Zusammenstellung einer großen Anzahl von solchen Sternenpaaren, die meist unter sich verschiedene Farben aufweisen; er vermuthet, daß bei manchen Paaren die blaue oder grüne Färbung des kleineren Sterns nichts Wirkliches, sondern das Ergebniß einer optischen Täuschung, eine bloße Gegensatzwirkung sei, welche darauf beruhe, daß ein schwaches weißes Licht bei Annäherung eines starken rothen Lichts grün erscheine und in Blau übergehe, wenn das benachbarte helle Licht gelblich sei. Durch einen einfachen Versuch will er die Fälle, wo bloße Täuschung vorliegt, von denen, wo jene Färbung eine thatsächliche ist, von einander trennen: er verdeckt durch einen Faden oder eine Blende im Innern des Fernrohrs den Hauptstern des Paars; verliert dann, sagt er, bei der Bedeckung des größeren Sterns der kleinere seine Farbe und erscheint weiß, so war die grüne oder blaue Färbung, in der er sich zeigte, wenn beide Sterne gleichzeitig sichtbar waren, nichts als eine Täuschung, andernfalls ist die Färbung als eine wirkliche anzunehmen.

Eine Erklärung für die Farbenänderungen an Sternen hat Zöllner versucht, und diese Erklärungsweise ist zusammen mit derjenigen einer Reihe von anderen merkwürdigen astrophysikalischen Erscheinungen in einer umfassenden Hypothese enthalten, welche Zöllner für die allmähliche Entwicklung der Weltkörper überhaupt aufgestellt hat und welche wir hier in aller Kürze wiederholen. Er nimmt auf Grund von spektralanalytischen Untersuchungen fünf Entwicklungsphasen an, die jeder Weltkörper zu durchlaufen habe: erstens die Periode des glühend-gasförmigen Zustands (Sternnebel), zweitens die Periode des glühend-flüssigen Zustands (Fixsterne ohne wahrnehmbare Helligkeitsänderungen), drittens eine Zeit der Rothgluth und der Schlackenbildung, wobei sich eine Kruste auf dem Weltkörper, eine nichtleuchtende kältere Oberfläche zu entwickeln beginnt (Erklärung der Sonnenflecken), viertens eine Periode der Eruptionen, während welcher durch den Druck der inneren heißen Massen die erkaltete Oberfläche gewaltsam gesprengt wird (allmähliches Verschwinden von Fixsternen als Folge der Krustenbildung, bezw. plötzliches Aufleuchten eines scheinbar neuen Sterns als Folge von Ausbrüchen), fünftens eine Periode der vollendeten Erkaltung.

Wir geben diese Hypothese vorläufig ohne weitere kritische Betrachtungen wieder. Langanhaltende Beobachtungen, besonders mit Hilfe der Spektralanalyse und der Photographie, werden vielleicht in der Zukunft die astronomische Wissenschaft auch einer alle Erscheinungen umfassenden Erklärung für die Farbenverschiedenheiten der Fixsterne näher bringen. Dr. C. Cranz.     


Der Zeitgeist im Hausstande.

Bilder aus dem Familienleben.
Von R. Artaria.

 (3. Fortsetzung.)


Eine Stunde später war der „Donnerstag“ auf seiner Höhe angekommen, der Salon wollte die Menge der Gäste nicht fassen, man mußte das Nebenzimmer öffnen. Frau von Düring strahlte förmlich, sie überblickte, nachdem alle vorgestellt, untergebracht und mit Thee versorgt waren, voll Genugthuung das Ganze und sagte zu ihrer Nachbarin auf dem Sofa:

„Sehen Sie, liebe Excellenz, das ist doch ein ungeheurer Vorzug dieser Kunststadt, daß man so leicht interessante Menschen um sich haben kann. Zu uns drängen sie sich ja auch förmlich, besonders seit Vilma neulich auf dem Bazar solches Aufsehen gemacht hat. Es wird dem Kinde überhaupt in einer Weise gehuldigt … ganz merkwürdig, sage ich Ihnen …“

Die kleine gelbe Excellenz wußte genau, was nun weiter folgen würde, sie hörte also gar nicht hin, sondern schaute aus zusammengekniffenen Augen zu der Stelle hinüber, wo Vilma im lebhaften Gespräch mit Thormann etwas abgesondert von den übrigen stand.

„Ach so – eine neue Aussicht,“ dachte sie. „Also deshalb ist die gute Düring so aufgeregt. Hm, eine vornehme Erscheinung ist er gerade nicht, dieser Herr Maler, aber Vilma muß ja für jede gute Partie dankbar sein; wollen abwarten, ob sie ihn wirklich fängt …“

Zwischen den Gästen durch lief Hedy, um auf japanischen Schalen dünne Kuchenschnittchen und Brötchen, mit billiger Wurst belegt, anzubieten. Ihre schwarzbestrumpften Beine sahen etwas storchartig unter dem kurzen Röckchen hervor, aber Frau von Düring hielt darauf, bei ihrer Jüngsten den kindlichen Anstrich noch für einige Zeit aufrecht zu erhatten. –

Die „Interessanten“ hatten sich mittlerweile, einem gewissen Ahnungsvermögen folgend, aus der aristokratischen Region weg an den Mitteltisch verzogen, wo Paula den Thee eingoß, und waren bald in lebhafter Unterhaltung begriffen. Hier saß, in der Erwartung, daß Thormann auch dazu komme, Karoline Wiesner, dann Emmy, die für die ernste Paula eine große Vorliebe hatte, neben ihr der Medizinalrath, auch Doktor Seiler, der Journalist, war dabei. Vor ihm empfand Emmy eigentlich eine gewisse Scheu, denn er galt für eine böse Zunge, weil er gewöhnlich das sagte, was die anderen dachten. Sie blickte nach Hugo aus, er saß fest am Tisch der Excellenzen und entwickelte dort die untadelhafte Liebenswürdigkeit, welche der Stolz seiner Gattin war und sie für manches abgekürzte Verfahren in der eigenen Häuslichkeit tröstete. –

Die Erzählungen über das, was man in letzter Zeit „mitgemacht“ hatte, wurden ausgetauscht; Doktor Seiler erklärte es für ein traumhaftes Ideal, einmal wieder um elf Uhr nach dem Genuß einer guten Cigarre ruhig zu Bett gehen zu können.

„Dieses Glück genieße ich jeden Abend,“ sagte lächelnd Thormann, der nun auch seinen Sitzplatz einnahm, während Vilma sich für eine Zeitlang nach dem Zimmer der Jugend wandte. „Ich glaube aber nicht, daß Sie es lange aushalten würden, Herr Doktor!“

Dieser schlug nur schwärmerisch die Augen nach der Decke auf.

„Nun, wie war’s denn gestern bei Wenkheims?“ fragte ihn zu gleicher Zeit Emmy. „Haben Sie sich gut unterhalten, war es hübsch?“

„Unterhalten, meine Gnädige –“ er rückte den Kneifer höher und betrachtete sie erstaunt – „wie kommen Sie zu dieser seltsamen Frage? Unterhält man sich hier irgendwo bei einem Souper? Dann bitte, geben Sie mir die Adresse, daß ich schleunigst dort Besuch mache, ich möchte das gerne auch einmal erleben.“

„Sie können doch das Uebertreiben nicht lassen,“ sagte nun Linchen. „so schlimm kann es nicht gewesen sein!“

„Nicht schlimmer als gewöhnlich, aber doch sehr schlimm! Es ist ja immer dasselbe Elend: erst ein unangenehmes Herumstehen in einer Stube, die nur für halb so viele Platz hat, als drin sind, die Damen natürlich in einer Reihe auf dem Sofa und den Stühlen sitzend. Daß nicht eine jemals auf den Gedanken kommt, mit ihrer Theetasse aufzustehen und in das Gebiet der schwarzen Fräcke überzureten –“

„Das möchte ihr schön bekommen,“ lachte Emmy.

„Dann das Souper, der Haupt- und Glanzpunkt! Ein langer Tisch voller Leute, die ihre Ellbogen nicht rühren können; man macht krampfhaft Unterhaltung, eingekeilt zwischen zwei ältlichen –“

„Vorsicht!“ rief der Medizinatrath.

„Na ja, ich sage nichts weiter. – So geht es also fort bis zu Käse und Butter, ein paar schlechte Trinksprüche müssen auch noch angehört werden, und das heißen gebildete Menschen ein Vergnügen! Wenn man sich nicht hinterher im Rauchzimmer etwas davon erholen könnte, wäre es nicht auszuhalten.“

„So!" rief nun Emmy, zu erbost, um noch Furcht zu empfinden, „so, da kommen Sie mir gerade auf das rechte Gebiet, Herr Doktor! Dieses Ihr geliebtes Rauchzimmer ist eine ganz abscheuliche Einrichtung, daß Sie es nur wissen! Sonst fing nach dem Souper eine hübsche Unterhaltung an –“

„Die Töchter des Hauses musizierten!“ warf er sarkastisch dazwischen.

„– und die Herren machten wenigstens den Versuch, liebenswürdig zu sein! Heute aber – wie unhöflich! – rennen sie ins Rauchzimmer, um zu Geschäftsgesprächen zusammen zu hocken und die Frauen im Nebenzimmer gänzlich unbeachtet zu lassen.“

„Ei, diese können sich ja ebenfalls untereinander vortrefflich unterhalten!“ lachte er heimtückisch.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_116.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)