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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

den ‚Utkiek‘ betrat,“ sagte Bettina leise. „In einer solchen Nacht vernahm ich zuerst Ewalds Namen und sein Lob. Ach, was für überschwängliche Träume zogen damals durch meine Seele, und in welches Elend haben sie mich verstrickt!“ Sie schaute zum Himmel auf, wo der Mond eben leuchtend hinter einer dunklen Wolke hervortrat, und ihre Augen füllten sich mit Thränen; flüsternd setzte sie nach einer Weile hinzu: „Wenn eine gütige Vorsehung über jenen Welten thront, warum läßt sie denn für eine Mädchenthorheit eine so grausame Strafe zu?“

Die Hände um die Knie geschlungen, saß sie regungslos da, ohne zu ahnen, daß sie beobachtet wurde. Rott war ihr gefolgt und stand nun mit verhaltenem Athem im Dunkel der Büsche; wie gebannt hing sein Blick an der vom Mondlicht überstrahlten Gestalt.

Endlich erhob sich Bettina und wandte sich seitwärts zur hohen Kante des Berges. Es war ein schmaler Pfad, der dicht an der abschüssigen Düne hinführte; zu ihrer Linken fiel die Wand steil zum Meere ab. Rott hatte am Morgen den Weg begangen und erinnerte sich, wie gefährlich einzelne Stellen des Weges waren. Die Furcht überkam ihn, Bettina könnte straucheln und hinabstürzen. Mit einigen Sätzen durchbrach er die Büsche und rief ihren Namen. Sie aber, durch den Ruf aus ihren Träumereien aufgestört, wandte sich seitwärts und sah, wie eine dunkle Gestalt ihr hastig folgte. Sie hatte weder Rotts Stimme noch seine Figur erkannt, und plötzlich befiel sie die Angst vor einer Rache, welche die Bräunings hier an ihr üben könnten. In raschem Laufe sprang sie, der Gefahr nicht achtend, an dem schmalen Rande hin, um dem Verfolger einen Vorsprung abzugewinnen.

Rott kam eilig hinter ihr drein, vorwärts getrieben von der Hoffnung, sie von dem gefährlichen Pfade abzulenken; näher und näher erblickte er die helle Gestalt, da versank sie plötzlich vor seinen Augen, und als er zu der Stelle gelangte, wo sie verschwunden war, hörte er nur noch einen halberstickten Schrei aus der Tiefe.

(Fortsetzung folgt.)

Unser Brot.

Das wichtigste Nahrungsmittel der civilisierten Menschheit ist das Brot. Es bildet die Grundlage jeder Ernährungsweise, und es war ihm darum in dem Plane der Leipziger internationalen Ausstellung für das Rothe Kreuz, welche in der kurzen Zeit vom 4. bis 12. Februar d. J. geöffnet war, ein gebührender Platz eingeräumt. In der That begegnete uns in den Ausstellungshallen das Brot in den mannigfaltigsten Gestalten. Man konnte verschiedene Sorten von Brot kosten, konnte ihre Herstellung in gewöhnlichen wie in Feldbäckereien beobachten, man sah besondere Enthülsungsmaschinen für Getreide – kurz, es war nach allen Richtungen hin für Belehrung gesorgt.

Aber nicht bloß diese Ausstellung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die wichtige Brotfrage. Das tägliche Leben drängt sie uns fortwährend auf, und heute, da die Preise für Lebensmittel gestiegen sind und unser russischer Kornlieferant im eigenen Lande mit der Hungersnoth zu ringen hat, noch mehr als sonst.

Die Kulturgeschichte belehrt uns, daß die Menschen ursprünglich das Brot derart bereiteten, daß sie das Korn im Wasser aufweichten, es in Kuchen preßten und dann an der Sonne trockneten. Das Zermahlen des Getreides zwischen Steinen, die Gewinnung eines groben Mehles bildete eine weitere Stufe des Fortschrittes. Aus diesem Mehle formte man Kuchen und ersetzte, um sie zu trocknen, die Sonnenwärme durch künstliche Hitze. So wurde das Brot zur Backware, zu einem Handelsartikel, der sich längere Zeit hielt. Es war das ungesäuerte Brot, wie es noch heute in Afrika, bei den Juden und in Schottland vielfach genossen wird. Wie hoch es auch über den rohen Getreidekörnern steht, es ist doch schwer verdaulich. Wie man vermuthet, ist es den Aegyptern zuerst gelungen, die wesentlichste Verbesserung des Brotes zu erfinden, indem sie es säuerten. Der Sauerteig, welcher dem frischen Brotteig beigemengt wird, enthält ein Ferment, welches in dem frischen Teige eine Gährung einleitet. Ein Theil der Mehlstärke wird zunächst in zuckerartige Substanzen verwandelt, welche alsbald wiederum in Kohlensäure und Alkohol zerlegt werden. Durch die freiwerdende Kohlensäure wird der Brotteig aufgetrieben, es entsteht in ihm eine große Zahl von Höhlungen, welche beim Backen durch die Hitze noch mehr ausgedehnt werden. Das Brot wird durch und durch porös, zum Kauen geeigneter und leichter verdaulich. An Stelle des Sauerteiges wurde später die Hefe verwendet, die in gleicher Weise auf die Beschaffenheit des Brotes einwirkt.

Jahrtausendelang begnügte sich die Kulturmenschheit mit diesen Bereitungsarten, und erst die Wissenschaft der Neuzeit hatte an ihnen etwas auszusetzen. Die Chemiker stellten fest, daß bei der Gährung ein Theil der nahrhaften Stoffe des Mehles verloren geht; denn der Alkohol verflüchtigt sich in der Backhitze und die Kohlensäure ist kein Nährstoff. Wenn auch dieser Verlust an und für sich klein ist und nur 1 bis 2 Prozent beträgt, so gewinnt er doch Bedeutung, wenn wir die Gesammtheit des Brotverbrauches ins Auge fassen. Man hat herausgerechnet, daß durch diese Gährung in Deutschland allein eine Masse Mehl verloren geht, mit der man täglich gegen 40000 Menschen mit Brot versorgen könnte. Man versuchte darum, die Auflockerung des Brotteiges auf eine andere Weise herbeizuführen.

Der berühmte Chemiker Justus Liebig trat mit besonderem Eifer für die Verwendung von Backpulvern ein. Es sind dies Brausepulver, die, wenn sie in den Teig gemengt werden, Kohlensäure erzeugen und das Brot auflockern.

Der Engländer Danglish erfand dagegen ein Verfahren, das in dem Großbetrieb vielfach angewandt wird; das nach seiner Anweisung erzeugte Brot wird „Luftbrot“ (aërated bread) genannt. In einem starkwandigen Kessel wird Wasser unter einem Drucke von 150 bis 180 Pfund auf den Quadratzoll mit Kohlensäure beladen. In einen andern gleichfalls sehr starken verschließbaren Kessel, der mit einer Knetvorrichtung versehen ist, wird das Mehl mit der erforderlichen Menge Salz gebracht. Das mit dem Gase übersättigte Wasser wird darauf mittels eines engen Rohres zu dem Mehle geleitet und das Durchkneten in dem Apparat unter starkem Drucke bewirkt. Nach vollendeter Mischung wird der Druck aufgehoben und das eingeschlossene Gas veranlaßt darauf unmittelbar ein gleichmäßiges Aufgehen des Teiges. Es ist in England festgestellt worden, daß auf diese Weise 118 sogenannte Viertelbrote aus einer Menge Mehl hergestellt werden können, welche nach dem Gährungsverfahren nur 105 bis 106 solcher Laibe ergeben hätte.

Wir lernen aus diesem kurzen Ueberblick, daß die Fortschritte in der Brotbereitung sich nur äußerst langsam vollziehen. Bei einem täglichen Nahrungsmittel spielt die Gewohnheit eine große Rolle. Mitteleuropa hat die Kunst, gesäuertes Brot zu bereiten, von den Römern gelernt, aber in Schweden und Norwegen waren noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts die ungesäuerten Kuchen die einzige bekannte Art von Gebäck. Trotz allen maschinellen Fortschrittes ist unsere Brotbäckerei in ihrem Wesen der altrömischen gleich.

Die soeben erwähnten Bereitungsarten stehen jedoch gegenwärtig nicht im Vordergrunde des Interesses. Die Neuerungen, die auf der Ausstellung zu sehen waren, betrafen vor allem die Erhöhung der Nahrhaftigkeit des Brotes.

Das Brot ist kein vollkommenes Nahrungsmittel; von den drei Hauptnährstoffen des Menschen, Eiweiß, Kohlehydrate und Fett, fehlt ihm der letztere fast ganz; Kohlehydrate, das heißt Stärke und ähnliche Stoffe, sind in sehr reichlichem Maße vorhanden, der Gehalt an Eiweiß aber schwankt und beträgt je nach Beschaffenheit des Mehles und dem Wassergehalt des Brotes 5 bis 12 Prozent. Um nun den Eiweißbedarf seines Körpers zu decken müßte der Mensch, wenn er von Brot allein leben wollte, etwa drei bis vier Pfund täglich verzehren. Das sind jedoch Mengen, welche von den Verdauungsorganen nur in seltenen Fällen auf die Dauer vertragen werden. Wir helfen uns darum auf die Weise, daß wir weniger Brot essen und den Restbedarf an Eiweiß durch andere Nahrungsmittel wie Fleisch, Käse, Eier, Erbsen, Linsen u. dgl. beschaffen, in denen das Eiweiß in größeren Mengen vorhanden ist.

Würde man das Brot eiweißreicher machen, so würde man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_175.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)