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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

auf was der Heilige Vater nie eingegangen ist, wodurch so viele Völker in Götzendienst und Sünden dahingestorben sind.

Eure Hoheiten gedachten mich, Christoph Kolumbus, in besagte Gegenden Indiens zu schicken und genannte Fürsten, Völker und Länder kennenzulernen, ihre Verhältnisse, Anlagen und Neigungen zu erforschen, damit man wisse, wie man sich zu benehmen habe, um dort unsern allerheiligsten Glauben einzuführen. Sie befahlen mir, nicht, wie sonst geschieht, zu Land nach dem Orient zu reisen, sondern Indien auf dem Weg nach Westen hin zur See aufzusuchen, was, soviel man weiß, bisher noch von niemand versucht worden ist.“

Dieser Auftrag, die Karte Toscanellis und die in d’Aillys „Imago mundi“ verzeichneten Ansichten beherrschten Kolumbus ganz und gar, und erst wenn wir uns diese Thatsachen vergegenwärtigen, wenn wir stets den Globus von Martin Behaim vor Augen haben, können wir das Thun und Handeln des Kolumbus auf seinen Reisen verstehen. Er sucht nicht die alten Landkarten der Erde nach seinen Entdeckungen umzumodeln, sondern vielmehr seine Entdeckungen mit jenen in Einklang zu bringen. So glaubt er felsenfest, Indien erreicht zu haben, so hält er die Insel Haiti für Cipangu und läßt von seinen Matrosen auf Cuba eine Urkunde ausstellen, daß sie das Festland Asiens betreten hätten. Auf die Richtigkeit seiner Karte vertrauend, steuerte er auch sicher von den Canarischen Inseln nach Westen; denn er mußte ja hier an der Insel Antilia vorüber geradeaus nach Cipangu gelangen.

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„Land! Land!“ Durch Nebelbänke getäuscht, stießen die Matrosen auf der ersten überoceanischen Fahrt wiederholt diesen Ruf aus, bis am 12. Oktober wirklich der Strand von Guanahani erblickt wurde. Die Kanone erdröhnte und mit Freudenthränen sangen die Mannschaft und der Führer das „Te Deum laudamus“. Mit fliegenden Fahnen landeten die Spanier auf der kleinen Bahamainsel, welche von Kolumbus „San Salvador“ genannt wurde, fielen auf die Kniee, küßten den Boden und ergriffen von dem Lande Besitz für den König und die Königin von Kastilien und Leon.

Kolumbus wird in Ketten nach Spanien zurückgebracht.
Nach einem Gemälde von F. Jover.

Bald nahten die Eingeborenen. „Im Gru[nde] schienen sie mir armselig,“ schrieb Kolumbus. „Wie ihre Mütter sie auf die Welt gesetzt, gingen sie nackend.“

Ja, es waren armselige Insulaner, deren Speere nur aus Stäben mit einem Fischzahn anstatt der Eisenspitze bestanden; aber in ihren Nasen trugen sie Goldblättchen als Schmuck und gaben dieselben gern für Glöckchen, bunte Mützen und Glasperlen hin. Nach der Herkunft des edlen Metalls befragt, wiesen sie nach Süden, und Kolumbus brach schon am 14. Oktober dorthin auf. Er berührte drei kleinere Inseln, die er „S. Maria de la Concepzion“, „Fernandina“ und „Isabella“ nannte. Sie waren schön, aber von dem Reichthum Indiens war auf ihnen nichts zu sehen. Die Herbstregen nahten damals ihrem Ende und die tropische Natur prangte in ihrer Jugendfrische, in diesem herrlichen Schmucke stellte sich den Entdeckern am 28. Oktober auch ein Hafen der Insel Cuba vor. Der gelehrte Jude Luis de Torres, der Hebräisch, Chaldäisch und Arabisch verstand, und der Spanier Rodrigo de Perez unternahmen eine Expedition in das Innere des Landes, um den Großkhan aufzusuchen! Sie fanden Dörfer und lernten die Sitte des Tabakrauchens kennen; den Großkhan fanden sie nicht, wohl aber erfuhr Kolumbus, daß in der Nähe eine goldreiche Insel Babeque liege. Dorthin wandte er sich und entdeckte Haiti oder Hispaniola, wo er endlich Gold in einem Flusse, dem Rio del Oro, fand. Hier strandete am Weihnachtstage sein Admiralschiff, und hier wurde die erste Niederlassung „Navidad“ gegründet. Etwa vierzig Spanier unter Führung von drei Offizieren bezogen die „Burg“, aber niemand von ihnen sollte Spanien wiedersehen. Bevor Kolumbus wiederkehrte, war die erste Ansiedlung in der Neuen Welt von den Eingeborenen völlig vernichtet worden.

Doch wer kennt nicht die Reisen des Kolumbus, die ersten Eindrücke, welche die Neue Welt auf den staunenden Spanier ausübte? Die volkreichen Städte Indiens hatte man nicht gefunden, aber war nicht die Natur indisch, tropisch, und hatte man nicht bei den Eingeborenen Gold gefunden? Sicher hatte man den Ostrand Indiens erreicht. In diesem Glauben segelte Kolumbus heimwärts.

Nun feierte der Seefahrer seinen größten Triumph. Vom Jubel des Volkes begrüßt, zog er durch Spanien nach Barcelona, wo der Hof sich aufhielt. Umgeben von den Großen des Reiches, empfingen ihn der König und die Konigin in huldvollster Weise.

Da zeigte Kolumbus die verschiedenen Pflanzen der Neuen Welt, gegen vierzig prächtig gefärbte Papageien, auch sechs Indianer traten auf; Goldproben legte er vor, indem er dabei in bewegten Worten die Pracht Indiens und die Gutmüthigkeit der Bewohner schilderte, die sich leicht zum Christenthum würden bekehren lassen. Es war der glorreichste Tag seines Lebens.

Noch in demselben Jahre 1493 trat Kolumbus seine zweite Reise an. Diesmal stand er an der Spitze einer wirklichen Flotte. Vierzehn Karavellen, drei Lastschiffe und auf ihnen etwa 1200 Bewaffnete gingen mit Christoph Kolumbus nach der Neuen Welt. Der Admiral hatte jetzt eine doppelte Aufgabe zu lösen. Zunächst sollte er eine Kolonie gründen und dann seine Entdeckungen fortsetzen, von der Insel Hispaniola, die er für Cipangu hielt, nach Kathai und Indien segeln und rund um Afrika nach Spanien heimkehren. Es sollte sich bald zeigen, daß er beiden Aufgaben auf einmal nicht gewachsen war.


Die Kolonisten, die mit Kolumbus nach Hispaniola kamen, waren verwegene Menschen, und sie wurden nicht nur von Missionaren, sondern auch von Bluthunden begleitet, die später eine so düstere Rolle in der Neuen Welt spielen sollten. Diese Abenteurer geriethen bald in blutige Händel mit den Indianern, und da das Gold nicht so reich floß, der Admiral und Vicekönig harte Abgaben auferlegte, so waren sie mit ihm nicht zufrieden. Während Kolumbus mit Entdeckungsfahrten auf den Antillen beschäftigt war, gingen inzwischen Schiffe von Hispaniola

nach Spanien und wieder von dort nach der Neuen Welt. Der Admiral fürchtete, daß die Unzufriedenen ihn verleumden möchten, er gab den Entdeckerruhm preis, um seine Vortheile als Vicekönig zu wahren, verzichtete auf den Plan

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_180.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)