Seite:Die Gartenlaube (1892) 223.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

hat erwiesen, daß die Kartoffel schon früher in Europa bekannt war und Drake sich nur um die Verbreitung der wichtigen Pflanze verdient gemacht hat.

Endlich sollte der Seeräuber als englischer Admiral auftreten. Zwischen England und Spanien zog sich ein Kriegsgewölk zusammen, und Drake erschien plötzlich vor Cadix, um die spanischen Rüstungen zu verhindern. In der That gelang es ihm, eine große spanische Transportflotte zu zerstören.

Nun rüstete Spanien die berühmte unüberwindliche Armada aus. 130 große und 30 kleinere Kriegsschiffe mit 30 000 Mann, 2630 Kanonen, dem Großinquisitor und 150 Dominikanern an Bord bedrohten England. Königin Elisabeth konnte diesem Feinde nur eine kleine Flotte unter dem Oberbefehl Lord Howards entgegenstellen, aber unter diesem wirkten als Admirale ausgezeichnete Seeleute wie Hawkins, Frobisher und vor allem Drake. So erscheint der ehemalige Korsar als Vertheidiger der Freiheit seines Vaterlandes und seines Glaubens, und sein Antheil an der Vernichtung der Armada war ein hervorragender; man erzählt, daß spanische Schiffe schon bei Nennung von Drakes Namen sich dem gefürchteten Feinde ergeben hätten.

Drake setzte nunmehr als Admiral seine Kämpfe gegen die Spanier fort. Wir sehen ihn zuletzt an der Spitze einer Expedition, die gegen Westindien gerichtet ist. Die Landenge von Panama, auf welcher er seine ersten kriegerischen Lorbeeren gepflückt hatte, wurde wieder zum Schauplatz seiner Thaten. Es waren die letzten. Das Glück war ihm nicht hold, und als ihm ein Angriff auf Panama mißlang, fühlte er sich in seinem Ehrgeiz derart gekränkt, daß er in Fieber verfiel und starb. Wie über seinen Geburtstag die Angaben der Geschichtschreiber sich widersprechen, so ist auch sein Todestag nicht genau festgestellt; die bewährtesten Quellen nennen den 28. Januar 1595.

Am 29. Januar wurden seine sterblichen Ueberreste in einen bleiernen Sarg gethan und dieser in die Tiefe des westindischen Meeres versenkt. So wurden die Wogen sein Leichentuch und die Wasser der See sein Grab, aber – singt ein unbekannter englischer Dichter jener Zeit – „der Ocean war zu klein, um seinen Ruhm zu fassen“.

Das ist nun freilich eine starke poetische Uebertreibung. Ohne Zweifel eröffnet Sir Francis Drake die lange Reihe der englischen Seehelden, aber in der Geschichte der geographischen Forschung, unter den großen Weltentdeckern nimmt er einen untergeordneten Rang ein. Hoch überragen ihn die Gestalten eines Kolumbus, Magalhães und Vasco da Gama und sein Ruhm kann sich mit dem seines großen Landsmannes James Cook nicht messen. S. J.     




Das Merseburger Schloß.

Von Otto Felsing.0 Mit Abbildungen von Otto Günther-Naumburg.



Wer auf dem Altan der Westseite des alten, ehrwürdigen Merseburger Schlosses steht und hinausblickt ins freie Land, hinweg über die grünen, wogenden Wipfel, hinweg über die leis plätschernde Saale, die am Fuße des mächtigen Baues ihre Wasser nach Norden wälzt, dem flüstern die Wellen, dem raunen die alten Bäume wundersame Geschichten aus alten Zeiten zu. Noch eindringlicher aber sprechen zu ihm die grauen Steine des Jahrhunderte alten Schlosses. Und sie haben viel zu erzählen. Von Gewaltigem und Kleinem, von Erhabenem und Niedrigem, von emsigem Bürgerschaffen und regem Handel wie von seiner Verwüstung in lautem Kriegsgetümmel, das die Horden der Hunnen und Avaren, der Dreißigjährige Krieg und endlich die Franzosen des korsischen Eroberers ins Land trugen. Von stillem Gelehrtenthum und kirchenfürstlichem Prunke waren diese alten Mauern Zeuge, wie nicht minder von kaiserlichem Glanze und Pomp; denn die größten deutschen Kaiser haben in Merseburg geweilt, von Karl dem Großen, Heinrich dem Städtegründer und Friedrich Barbarossa an bis herab auf den Heldenkaiser Wilhelm I.

Die Entstehung des Ortes, den das Schloß hochthronend überragt, fällt in das Dunkel vorgeschichtlicher Zeiten, und dieses Dunkel umhüllt auch seinen Namen. Zwar den alten Chronisten war es ganz klar, woher die Stadt Merseburg ihren Namen hatte – sie waren überzeugt, niemand anders als der römische Kriegsgott Mars habe ihr den Namen. „Martisburg“ gegeben, und ebenso klar war ihnen, wann die Stadt gegründet worden; der ehrsame Bürgermeister Ernst Brotuff, der Chronist, weiß ganz genau, daß sie im Jahre 7 nach Christi Geburt von Drusus Germanicus gebaut worden sei. Aber so einfach liegt die Sache denn doch nicht: die Römer sind nämlich nachweislich nie in diese Gegend gekommen! Die ältesten Burgmauern Merseburgs rühren vielmehr mit höchster Wahrscheinlichkeit von den Franken her, wie denn auch der Name der Stadt nicht auf Mars sondern auf Martin, den grossen Heiligen der Frankenstämme, hinweist. Aus „Martinsburg“ mag sich „Merseburg“ entwickelt haben.

Erker im Schloßhof

Aber gleichviel: das Merseburg, das heute steht, muß seine Gründung auf König Heinrich I. zurückführen. Allerdings bestanden dort schon vorher dörfliche Gemeinden unter dem Schutze einer Burg, der „Alten Burg“, die eben auf jener früheren Frankenburg fußte, es war auch schon eine steinerne Kirche und ein geistliches Stift vorhanden, das Karl der Große errichtet und reich ausgestattet hatte, aber erst Heinrich der Städtegründer machte die Ortschaften um die Burg zur „Stadt“ und erhob diese zur kaiserlichen Pfalz.

Es waren übrigens nicht nur politische und kriegerische Gesichtspunkte, welche Heinrich ein besonderes Interesse gerade für Merseburg einflößten. Auf der „Alten Burg“ saß nämlich seit dem Jahre 900 ein Graf Erwin, und der hatte ein schönes Töchterlein mit Namen Hatheburg. Diese edle Jungfrau gewann sich, trotz seiner Fünfzig, Heinrich zum Ehegemahl. Kein Wunder, wenn ihm Merseburg lieb und werth blieb! Und nicht weit von Merseburg hat sich auch Heinrich den schönsten Siegeslorbeer erstritten. In jener Gegend war es, wo er am 14. März 933 die Hunnen in der weltgeschichtlichen großen Schlacht blutig aufs Haupt schlug und damit dem Ansturm des Barbarenthums gegen die aufstrebende deutsche Kultur einen Damm entgegensetzte. Freilich, sein Sohn Otto der Große mußte später den Kampf gegen die Ungarn noch einmal aufnehmen: im Jahre 955 schlug er die asiatisch-pannonischen Horden in einer Vernichtungsschlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg – und dieser Sieg ward mittelbar

der Ausgangspunkt für den Jahrhunderte währenden Glanz

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_223.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)