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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

verschiedenen Stellen der Grube Apparate zum Messen des Druckunterschiedes oder der Windgeschwindigkeit aufgestellt sind.

Jedoch auch die beste Wetterführung unterliegt unvorhergesehenen Zufällen. Wir wollen nur eine Möglichkeit anführen, bei welcher die tadelloseste Einrichtung ihren Dienst versagen kann: es ist dies das unerwartete Hereinbrechen einer großen Menge von Grubengasen, die sich vielleicht in einer verborgenen Kluft oder einem verlassenen Grubenbau – einem sogenannten „alten Mann“ – angesammelt hatten und denen unversehens der Zugang „an Ort“ geöffnet wurde. Dann ist, wie der Bergmann sagt, ein Bläser vorhanden, und in solchen Augenblicken liegt die Gefahr einer Entzündung der schlagenden Wetter außerordentlich nahe. Es ist also unter allen Umständen stete Vorsicht geboten.

Das Schulze-Delitzsch-Denkmal in Delitzsch
Nach einer Photographie von Rud. Fleischer in Delitzsch.

Als eine der ersten Vorschriften in Schlagwettergruben gilt die, daß nicht mit freiem Feuer hantiert werden darf. Sehen muß nun aber der Bergmann bei seinen Arbeiten und dazu ist ihm eine Beleuchtung unentbehrlich! Zum Glück machte der englische Chemiker Davy die Entdeckung, daß eine Wand von geflochtenem Drahte die Verbreitung einer Explosion verhindert, und auf diesen Umstand gründete er die Konstruktion einer Sicherheitslampe, welche die Flamme selbst mit einem Glascylinder umgibt, um die Leuchtkraft möglichst wenig zu beeinträchtigen, während der obere Theil aus einem engmaschigen Drahtgewebe besteht. Bringt man nun die Sicherheitslampe in einen Raum, welcher Schlagwetter enthält, so tritt allerdings auch eine Explosion ein, aber sie ergreift nur denjenigen Theil der Luft, welcher sich innerhalb der Lampe befindet; zugleich ist gewöhnlich die Folge die, daß die Lampe erlischt und der Bergmann so ein Zeichen erhält, daß er sich an einer gefährlichen Stelle befindet, für deren gründliche Lüftung sofort Sorge getragen werden muß. In Schlagwettergruben ist der Gebrauch anderer als der Sicherheitslampen aufs strengste untersagt, und ein ganz besondrer Scharfsinn ist daraus verwendet worden, dem Bergmann das unbefugte Oeffnen der Lampe unmöglich zu machen, sei es durch Anwendung künstlicher Schlösser, deren Schlüssel ein Beamter über Tag aufhebt, oder durch Verwendung elektromagnetischer Verschlüsse, die dem Grubenarbeiter unerreichbar sind. Zum Wiederanzünden erloschener Lampen sind Vorrichtungen vorhanden, die nur von außen in Thätigkeit gesetzt werden können und also ein Oeffnen der Lampen sowohl unnöthig als unmöglich machen. Auch das Reinigen des Dochtes kann von außen her bewerkstelligt werden. Aus Sicherheitsrücksichten ist den Bergleuten ferner ebensowohl das Rauchen verboten wie das Mitführen von Feuerzeug. Trotzdem entstehen die meisten Entzündungen durch leichtsinnige Uebertretung dieser Vorschriften. Wohl sind die Opfer der Katastrophe meist nicht mehr imstande, über die Entstehung eines Unfalls Bericht zu erstatten, aber die stummen Zeugen, das Feuerzeug oder die geöffnete Lampe, sprechen laut genug.

Eine weitere Ursache zu Schlagwetterexplosionen liegt in der Verwendung von Sprengpatronen. Die Kohlen werden für gewöhnlich in der Weise losgelöst, daß man in die feste Kohlenmasse Löcher bohrt, auf deren Grund Sprengpatronen legt und diese durch Zündschnur oder neuerdings auch vielfach auf elektrischem Wege entzündet. Wenngleich man nun auch den über der Patrone befindlichen Theil des Loches mit „Besatz“ füllt, so finden doch noch recht oft die Schlagwetter Gelegenheit, sich mit zu entzünden und es ist nachweisbar, daß ein großer Theil der Explosionen hierauf zurückzuführen ist. Man hat schon viele Versuche gemacht, diese Gefahr zu beseitigen, aber bis jetzt ohne zuverlässigen Erfolg. Man hat die elektrische Zündung verbessert, Reibungszünder versucht, als „Besatz“ Wasser angewandt, allein das alles gab keine Sicherheit. Sprengungen mit gebranntem Kalke und mit Wasserdruck oder mit Keilvorrichtungen schützen zwar gegen Explosionen, führen aber wieder andere Uebelstände herbei, die eine allgemeine Verwendung dieser Verfahrungsweisen unthunlich erscheinen lassen. Die frühere Gepflogenheit, die Grubengase sofort bei ihrem Entstehen und also in kleinen Mengen zu entzünden, indem man in den oberen Räumen der Gänge eine sogenannte ewige Lampe anbrachte, hat man als unpraktisch und sogar gefahrvoll wieder verlassen. Und auch die Versuche, die Grubengase durch chemische Zersetzung unschädlich zu machen, haben zu keinem brauchbaren Ergebniß geführt. Als das beste und einzige Schutzmittel hat sich immer eine gute Wetterführung erwiesen, und auf diese wird daher auch fortan alle Sorgfalt gerichtet werden müssen.

Die Schrecken der schlagenden Wetter werden ins ungeheuerliche gesteigert, wenn sich zu ihnen noch ein Grubenbrand gesellt, wie dies infolge der großen Wärmentwicklung bei der Explosion stets zu befürchten und auch neuerdings in Anderlues wieder der Fall gewesen ist. Wollte man unter solchen Umständen die Wetterführung noch wirken lassen, so würde man den Grubenbrand erst recht anfachen. Das einzige Mittel, den Grubenbau selbst noch zu retten, ist das, die Wasserhaltung zum Stillstand zu bringen, was zur Folge hat, daß die Wasser der Grube sich sammeln und bei ihrem Emporsteigen die Gluthen allmählich ersticken. Natürlich wird dieses äußerste Mittel nur dann ergriffen werden, wenn die Möglichkeit, daß sich noch lebende Menschen in der Grube befinden könnten, vollständig ausgeschlossen ist.

Ein Versuch zur Rettung der vom Schlagwetter betroffenen Bergleute ist, wenn auch mit vielen Gefahren verbunden, doch durchaus unerläßlich; denn es ist niemals ausgeschlossen, daß einzelne noch mit dem Leben davonkommen. Die Rettungsmannschaften erhalten eine Gesichtsmaske mit Schlauchapparat, wie er beim Tauchen üblich ist, oder einen mit gepreßter Lust gefüllten Tornister, von dem aus ihnen die Athmungsluft durch einen Schlauch zugeführt wird. Ein andrer Schlauch führt der Grubenlampe die erforderliche Luft zu. So ausgerüstet, kann sich der Retter an den Ort des Schreckens wagen und mehrere Stunden dort arbeiten. Zur Ehre der Bergleute aber muß es gesagt werden: sie sind in solchen Fällen unermüdlich und wagen unbedenklich ihr Leben, wenn es gilt, einem gefährdeten Kameraden Hilfe zu bringen.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_289.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)