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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


In der That giebt es Sänger im Gebirge, die soviele melodische Tone hören lassen und ihren Gesang dadurch so reichhaltig gestalten, daß von Eintönigkeit nicht mehr die Rede sein kann.

Die junge Lerche besitzt die Nachahmungsgabe in nicht geringem Grade; davon überzeugt man sich bei flügge eingefangenen Jungen, die man im Käfig in die Umgebung guter Sänger anderer Art oder vor ein Fenster nahe einem Parke versetzt. Eine Menge Gesänge wird unter solchen Umständen von der Lerche erlernt und treu wiedergegeben. So nimmt auch die junge Lerche draußen im Freien von Sängern des Waldes wenigstens Strophen und einzelne melodisch klingende Töne auf, die aber nicht für sich vorgetragen, sondern geschickt in das Lerchenlied wie Schmuck in ein Gewebe eingewoben werden. In der Freiheit verleugnet die Lerche ihr eigenartiges Lied nicht; nur in der Gefangenschaft läßt sie, jung eingefangen, das Eigenthümliche des Lerchenliedes fast gänzlich fallen und wird zur Nachahmerin anderer Sänger.


Blätter und Blüthen.



Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg. (Mit Bildniß.) Am 23. Februar hat das letzte noch lebende Kind der unvergeßlichen Königin Luise, die Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, ihren neunzigsten Geburtstag gefeiert – es sollte ihr letzter sein: am 21. April hat der Tod mit sanfter Hand diesem reichen Leben ein Ziel gesetzt.

Sie war allgemein verehrt von ihrem Volke, die liebenswürdige Schwester Kaiser Wilhelms I., und sie genoß eine unverbrüchliche Liebe von Seiten ihrer Angehörigen. Die verwandtschaftlichen Bande zwischen Mecklenburg und Preußen, die schon vorher herzliche waren – das Haus Mecklenburg-Strelitz schenkte ja Preußen seine Königin Luise – hat sie zu innigen gestaltet.

Zwischen König Friedrich Wilhelm III., der es nie vergaß, daß die Herrscher beider Mecklenburg zuerst von allen deutschen Fürsten im Befreiungskriege sich ihm angeschlossen hatten, und dem alternden Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I., bestand eine enge Freundschaft, an der auch der Erbgroßherzog Ludwig Friedrich aufrichtigen Antheil nahm. Der letztere hatte den Aufschwung Preußens miterlebt und besaß wohl eine Ahnung von der großen Zukunft dieses Staates. Er schickte daher seinen ältesten Sohn Paul Friedrich nach Berlin, und dort machte derselbe im September 1818 die nähere Bekanntschaft der damals fünfzehnjährigen Prinzessin Alexandrine. Der junge Prinz ward von der lieblichen Erscheinung gefesselt; schon im Februar 1819 brachte er seine förmliche Werbung an, der am 13. Juni 1820, nachdem er seine Volljährigkeit erreicht hatte, die offizielle Verlobung folgte. Der Erbgroßherzog Ludwig Friedrich war inzwischen gestorben, nachdem er zu der Werbung des Sohnes von Herzen seine Zustimmung gegeben hatte. „Die Prinzeß,“ heißt es in einem seiner Briefe, „ist ein wahrer Engel. Meine Frau ist ganz glücklich über die künftige Schwiegertochter, die ihrerseits so zutrauensvoll und lieblich mit ihr ist, daß es uns innig freut.“

Am 25. Mai 1822 erfolgte zu Berlin die Vermählung des jungen Paares, das wenige Tage nachher seinen Einzug in das idyllische Ludwigslust hielt, wo der Großherzog Friedrich Franz meistens residierte. In stillem Glücke gingen für Alexandrine die Jahre hin, vollends seit sie am 28. Februar 1823 einem Sohne, dem späteren Großherzog Friedrich Franz II., das Leben gegeben hatte. Kanonendonner verkündigte die Geburt des Prinzen, Kanonendonner in gewaltigem Kriege sollte ihm einst in die Ohren tönen, denn er war mit berufen, unsere Truppen bei Orleans und Le Mans zum Siege zu führen.

Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin †.
Nach einer Photographie von Jungmann und Schorn, Hofphotographen in Baden-Baden.

Hochbetagt starb Friedrich Franz I. am 1. Februar 1837, und sein Enkel Paul Friedrich folgte ihm auf den Thron. Werke des Friedens und der Kunst füllten seine kurze Regierungszeit aus, mit feinem Sinne ging ihm dabei seine Gemahlin zur Hand. Namentlich dem Hoftheater zu Schwerin wandte sie ihr Interesse zu und verhalf dadurch dieser Bühne zu künstlerischer Entwicklung. Doch schon am 7. März 1842 riß der Tod den Gatten von ihrer Seite, und ein langes Witwenleben begann für sie. Der reiche Schatz ihres Herzens öffnete sich nun nur noch mehr als zuvor den Leidenden und Bedrängten, und sie spendete mit voller Hand. Ihre Freude war es vor allem, im stillen zu helfen, wo sie von Noth und Sorge erfuhr. Sie konnte mit den Leidenden fühlen, denn ihr selbst blieb das Leid nicht erspart; ihre drei Kinder sanken vor ihr dahin. Da mochte ihr die treue Liebe ein Trost sein, mit der ihr Bruder, Kaiser Wilhelm I., ihr verbunden blieb; namentlich in seinem höchsten Alter trat diese Zuneigung zur jüngeren Schwester immer rührender hervor. Und nun ist sie dem großen Bruder, dessen gütige Züge sie trug, nachgefolgt in den Tod.

Ein bewegtes Leben, eine Zeit tiefgreifender Veränderungen hat die edle Fürstin durchlebt – fast wie aus einer vergangenen Welt ragte sie, die würdige Tochter der Königin Luise, herein in unsere Gegenwart – ihr Andenken wird ein gesegnetes sein. B.     

Zu Nutz und Frommen der Handarbeiten. Wie viel fleißige Hände im lieben Vaterland rühren sich fortwährend strickend, stickend und häkelnd für die verschiedenen Familienfeste! Denn, was auch die Spötter sagen mögen, eine selbst gearbeitete Gabe hat doppelten Werth, besonders wenn sie einen sonst brauchbaren und erfreulichen Gegenstand verschönert. Hierfür sorgen nun wohl unsere stets reichhaltiger werdenden Musterzeitungen, aber es gehört Erfahrung und Uebung dazu, ihre Anweisungen zu benutzen. Das wissen alle, die es zum ersten Mal unternehmen, selbst Wolle und Nadeln auszusuchen, um ein Schultertuch, ein Jäckchen, Kissen u. dergl. nach der angegebenen Vorschrift zu arbeiten. Viel Material wird mit Wiederauftrennen verdorben, bis der Anschlag die richtige Größe hat; dann kommt oft genug das gewünschte Verhältniß doch nicht heraus, weil Wolle und Nadeln zu stark oder zu fein waren, auch weil die Garn- und Wollesorten in Nord- und Süddeutschland verschiedenartig benannt und numeriert sind. Selbst die Farbenwahl nach dem schwarz gedruckten Muster ist für nicht ganz Geübte eine schwierige Sache. Man muß das gewünschte Gesammtbild sehr fest vor dem inneren Auge haben, um mit Sicherheit aus der Anzahl der Farben die harmonischen herauszufinden. Die Geschäfte der Großstädte bieten zwar durch angefangene Arbeiten einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten, aber selbst bei ihnen ist die Auswahl, besonders in Strick- und Häkelarbeiten, manchmal eine recht geringe, und auf dem Lande wohnende Damen haben nicht die Gewißheit, in den theuern Ansichtsendungen dann auch etwas Befriedigendes zu finden.

Um dieser bekannten Uebelstände willen weisen wir heute unsere Leserinnen auf ein Unternehmen hin, welches in praktischer Weise die größte Auswahl sowie die vollkommene Sicherheit des Gelingens mit Zeit- und Portoersparniß vereinigt und einen entschiedenen Fortschritt bedeutet.

Die Firma J. F. Quilling in Frankfurt a. M. hat einen Musterversand im großen eingerichtet, welcher allen Ansprüchen an Auswahl und Schönheit gerecht wird. Auf Anfrage nach Mustern erhält man eine Anzahl Mustertafeln, deren Rücksendung unterbleiben kann. Jede Tafel giebt eine anders geartete Abbildung und Beschreibung des gewünschten Gegenstandes, eine Reihe Farbenzusammenstellungen in Wolle und Seide nebst genauer Preisangabe. Hat man sich für eine davon entschieden, so verlangt und erhält man ein Kästchen, welches außer der genauen Anweisung zur angefangenen Arbeit das reichlich bemessene Material, die erforderlichen passenden Nadeln, sowie alles Zubehör zur Fertigstellung, Bänder, Quästchen, Bälle etc., enthält. Die Angaben sind zuverlässig und die außerordentlich handgerechte Art des Angefangenen ermöglicht ein ganz leichtes Fortarbeiten. Bn.     

Die Enthüllung des Radetzky-Denkmals in Wien. (Zu dem Bilde S. 333.) Es war im Jahre 1858, als Radetzky, der zweiundneunzigjährige Feldmarschall, starb. Ein Menschenalter ist dahingegangen seit seinem Tode, aber sein Ruhm ist in dieser für unser raschlebiges Geschlecht so langen Frist nicht verblaßt, in unerschütterlicher treuer Begeisterung schlagen ihm noch heute alle Herzen in Oesterreich entgegen. Das zeigte sich auch, als Sonntag den 24. April sein Denkmal zu Wien enthüllt wurde: es war ein Fest des Kaisers und der Armee – aber es war auch ein Fest des Volkes, dem „Vater Radetzky“ heute noch so nahe steht wie kaum irgend eine Persönlichkeit in der neueren österreichischen Geschichte. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist auch der Platz, auf dem das Denkmal errichtet wurde, der richtige. Dort „Am Hofe“ steht er mitten im Herzen Wiens, mitten im Treiben des Volkes, das ihn so sehr verehrt.

Unsere Zeichnung führt uns ein Bild aus der Enthüllungsfeierlichkeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_354.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)