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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

zeigt, vom Fuß der Büste über die Schulterhöhe am Ohr herauf über den Scheitel und an der anderen Seite wieder herunterführt, gleichsam in zwei Hälften geschieden ist, wird Gips mit Wasser angerührt, dem ein wenig rothfärbender Bolus zugesetzt ist. Von dieser Gipsmasse wird nun unter steter Sorgfalt dafür, daß sie in jede Vertiefung eindringe und nirgends Blasen bilde, eine etwa vier bis acht Millimeter starke Schicht nach und nach über die eine abgesteckte Hälfte des Modells gebreitet, die vom Zinkrand begrenzt wird. Ist diese erhärtet, was in fünf bis sechs Minuten geschehen ist, so kommt noch eine stärkere Lage weißer Gips darüber; alsdann wird der Vorgang an der noch unbedeckten Seite wiederholt. Die Büste ist nun „eingeformt“, ringsum von einer unförmlichen Gipsmasse umschlossen, die aber durch die Zinkbleche getrennt ist. Werden diese mit einer Zange herausgezogen, was unschwer möglich ist, so bedarf es nur noch des Eintreibens einiger Keile in die entstandene Fuge, und das weiche Thonmodell, das hierbei natürlich zu Grunde geht, giebt nach – die Form liegt in zwei aneinanderpassenden Hälften da – das genaue Negativ der behandelten Arbeit.

Das Punktieren mit drei Zirkeln.

Die letzten Ueberreste von Thon, die hier und dort noch hängen geblieben sind, werden entfernt, das Ganze sauber ausgewaschen, leicht eingeölt und fest wieder zusammengeschnürt. Nun kommt der eigentliche Guß. Es wird wiederum Gips angerührt und dieser unter Schütteln durch eine Oeffnung in die Form hinein gegossen, bis sie gefüllt ist, sodaß also der Gips nun genau den Platz einnimmt, den vorher der Thon innehatte. Ist die Masse fest geworden, dann geht es ans Wegschlagen der Form mit Hammer und Meißel, zuerst der umhüllenden weißen Lage, dann der inneren rothen. Die letztere sagt dem Arbeiter: hüte dich, hier kommt das Modell! Wäre Form und Ausguß von derselben Farbe, so könnte man leicht mit dem Eisen in den letzteren hinein gerathen. Gleichwohl muß auch so noch mit äußerster Vorsicht verfahren werden. Mit mehr oder minder bedeutenden Abweichungen ist dies das Verfahren beim Abgießen. Es wird schwieriger bei großen zusammengesetzten Werken, weil hier die Form aus mehreren Stücken besteht, einfacher beim Relief. Für das Verständniß ist das aber belanglos.

Wir haben also, was als weicher Thon aus des Künstlers Händen hervorgegangen ist, nunmehr im beständigeren Gips vor uns. Da und dort ist noch eine kleine Beschädigung nachzubessern, sonst steht das Werk – als künstlerische That wenigstens – vollendet da. Was ihm aber noch fehlt, ist der Reiz des Materials! Der Gips, so große Vorzüge er in praktischer Beziehung bietet, hat hiervon wenig oder gar nichts. Seine kreidige Weiße läßt meist keine rechte Freude aufkommen. Wollte man ihn abtönen, so bliebe doch immer noch eine gewisse Stumpfheit. Zudem kann aber von Dauerhaftigkeit auch bei ihm nur im Verhältniß zu dem gänzlich dauerlosen Thon gesprochen werden. Im Freieu würde er gar bald verwittern, in Innenräumen jeder Beschädigung ohne großen Widerstand zum Opfer fallen. Alles das läßt uns also im Gipsmodell immer erst ein Durchgangsstadium erblicken zu der Darstellung in einem haltbaren und edleren Material – Bronze oder Stein, für Kunstwerke vornehmster Art Marmor. Es muß aber noch einmal betont werden, daß alles, was in dieser Beziehung geschieht, bloß ein Nachschaffen, ein Reproduzieren ist, Sache einer oft hochgesteigerten Kunstfertigkeit, aber kein künstlerisches Hervorbringen. Dieses ist mit dem Thon- oder, wenn man will, Gipsmodell abgeschlossen. Der schaffende Künstler, den die Phantasie zu anderen Schöpfungen drängt, giebt seine Arbeit nunmehr in die Hände des Bronzegießers oder des Steinbildhauers.

Es würde zu weit führen, wenn wir die äußerst umständliche Technik des Bronzegusses hier schildern wollten; das verlangt einen Aufsatz für sich. Besser kann das mit der Marmorarbeit geschehen. Im großen Publikum steht man dieser mit ganz besonderer Bewunderung gegenüber, ja eine gewisse Art naiver Kunstbetrachtung hält es eigentlich für das Wesentliche der Bildhauerei, daß ihre Schöpfungen dem glasharten Stein abgerungen sind, und setzt so über die künstlerische Idee, was nur einen Theil der Freude am Kunstwerk ausmachen darf. Nicht um das Verdienst geschickter Marmorarbeiter zu schmälern, sondern bloß um die Bewunderung in richtige Bahnen lenken, sei deshalb hervorgehoben, daß das Arbeiten in Marmor, abgesehen von der nothwendigen oft hohen Kunstfertigkeit in der Behandlung des Nackten, der Haare oder des Gewandes, immerhin nicht mehr ist als ein durch mannigfache mechanische Hilfsmittel erleichtertes Kopieren. „Ohne Gipsmodell kein Marmorwerk“, das gilt, den einzigen Michel Angelo und einige noch dazu fragliche Fälle aus dem Alterthum ausgenommen, für die ganze Plastik.

Relief mit Punktierungszeichen.

Die Art nun, wie dieses Uebertragen geschieht, wollen wir in den Grundzügen an einem einfachen Beispiel (vergleiche hierzu die beiden nebenstehenden Abbildungen) veranschaulichen. Bekanntlich kann man von zwei Punkten aus mittels Zirkelschlags einen Punkt in der Ebene

bestimmen; fügt man einen dritten hinzu, so giebt er die Höhe an. Wäre nun ein Relief in Marmor auszuführen, das eine rechtwinklige Grundfläche hat, so würde man zuvörderst an den Endpunkten der einen Seite des Modells zwei, etwa in der Mitte der gegenüberliegendett Seite eine dritte Einsatzstelle für Zirkel schaffen. Nachdem am rohbehauenen Marmorblock alsdann die Grundfläche des Modells angeschlagen ist, werden genau an die entsprechenden Stellen die drei Einsatzpunkte gesetzt, so daß die Masse, welche das Figürliche enthalten soll, hoch dazwischen stehen bleibt. Nun wird die höchste Stelle des Modells mit einem Punkt versehen und die Entfernung von ihm zu jeder der Einsatzstellen je in einen Zirkel genommen. Werden mit diesen Zirkeln von den entsprechenden Einsatzstellen am Marmorblock Zirkelschläge nach der Mitte zu gethan, so müssen sie dort irgendwo zusammentreffen, sofern nicht noch zuviel Stein dasteht. In diesem Falle wird unter beständigem vorsichtigen Messen vom Stein weggeschlagen, bis die Zirkelbogen haarscharf in einem Punkte zusammentreffen. Das ist der Punkt, der genau der höchsten Stelle des Modells entspricht, und man kann nun sorglos

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_435.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2021)