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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


duften die Fichtenwälder um den See, dessen regungslose dunkelgrüne Fluth fast überall den Grund erkennen läßt, auf welchem Felstrümmer und versunkene Baumstämme seit Jahrhunderten ein Schlummerdasein führen. So klein der See auch ist, er wirkt doch als großartiges Bild, weil die umherliegenden bemoosten Felstrümmer als beredte Zeugen von jenen donnernden Revolutionen der Erdrinde erzählen, die sie einst in dieses Thal herniederkrachen ließen. Geisterhaft schön ist die Landschaft am späten Abend, wenn die Zugspitzwände, von der sinkenden Sonne feurig angeglüht, ihr Bild in der träumenden Seefluth spiegeln, während über den Wald schon die Nacht ihre Schatten legt. H. 

Noch einmal der Weinberg der Zukunft. Die Leser erinnern sich des Artikels von B. Ost in Halbheft 14 des Jahrgangs 1891, in welchem die Hauptschen Weinbergsanlagen zu Brieg in Schlesien geschildert waren. Nun schreibt uns Herr Dr. F. Tschaplowitz, chemischer Vorsteher der Versuchsstation des Königl. pomologischen Instituts zu Proskau, daß er in Bezug auf die Art und Weise der Wärmeregulierung, ferner auf die Erzeugung, die Menge und den Wechsel der jeweils günstigsten Luftfeuchtigkeit, endlich auf die Lüftung der Glashäuser in Veröffentlichungen, die bis ins Jahr 1877 zurückgehen, verwandte Vorschläge gemacht habe. Allerdings sind diese Vorschläge von ihm nicht speziell auf den Weinbau angewendet worden und Herrn Haupt unbekannt geblieben. Wir geben unseren Lesern von jener Mittheilung des Herrn Dr. Tschaplowitz Kenntniß, indem wir die Hoffnung aussprechen, daß der Sache auch aus diesen Bemühungen Vortheil erwachse.

Die Sitze in den Eisenbahnwagen. Im Januar 1884 wurde in der „Gartenlaube“ eine Betrachtung über die Sitze in den Eisenbahnwagen veröffentlicht. Dieselbe sollte die Verbesserungsbedürftigkeit der damaligen Einrichtungen erweisen und über die Mittel zur Abhilfe Vorschläge machen.

Fig. 1.

Sie ging davon aus, daß die Wirbelsäule, welche dem menschlichen Rücken seine Haltung bestimmt, nicht einem geraden Stocke gleicht, sondern eine gestreckt ~förmige Linie bildet, und daß aus diesem Grunde nur eine solche Rückenstütze bequem sein kann, welche sich dieser Linie möglichst anschmiegt.

Leider hatte jene Betrachtung nicht den gewünschten Erfolg. Nach wie vor wird den Reisenden die Wohlthat eines natur- und vernunftgemäßen Sitzes vorenthalten. Der rollende Eisenbahnwagen wird vom Ingenieur und Maschinisten gelenkt, im Departement des Innern aber herrscht der Tapezierer, und zwar mit jener treuen Anhänglichkeit an das Verkehrte, welche bekanntlich der Kulturgeschichte immer neuen Stoff liefert und den philosophischen Betrachter mit einer Mischung von Entrüstung und Humor erfüllt.

Fig. 2.

Wenn der Verfasser nunmehr auf seine damaligen Erörterungen zurückkommt, so geschieht es aus einem gewissen Gerechtigkeitsgefühl: er hat getadelt und möchte nun auch loben. Hierzu bietet sich heute eine Gelegenheit. Es sind ihm nämlich im Verlauf der Zeit zweimal Verbesserungsversuche für die gerügten Mängel zu Gesicht gekommen.

Vor einigen Jahren erhielt er durch die Redaktion der „Gartenlaube“ die Profilzeichnung eines von der Firma C. Fischmann in Nordhausen für die 3. Wagenklasse entworfenen Sitzes zur Beurtheilung eingesandt. Dem erläuternden Prospekt lagen offenbar des Verfassers Rathschläge zu Grunde. In der Zeichnung (Fig. 1) war die Rückenkurve, wenn auch etwas zaghaft – die punktierte Linie deutet die angemessene Verstärkung dieser Kurve an – doch im wesentlichen richtig ausgeführt, auch die Elasticität von Lehne und Sitz bedeutete im Gegensatz zu den in der 3. Klasse üblichen senkrechten und wagrechten Brettern eine entschiedene Verbesserung. Der eigentliche Sitz, dies sei hier beigefügt, ist von gut geschwungener, nach vorn aufsteigender Linie, welche bekanntlich bei zweckmäßigen Ruhsesseln längst ebenso verwerthet, wie auf den Bänken unserer Fahrklassen hartnäckig versäumt wird. Die vortrefflich geschwungene, allgemein bekannte, in allen civilisierten Ländern verbreitete Gartenbank (Fig. 3) hat sicher jedem, der einmal auf ihr gesessen, den Beweis geliefert, daß sich das Problem eines zweckmäßigen Sitzes auch ohne Polster, schon allein mit Holzlatten und Eisen lösen läßt.

Fig. 3.

Eine zweite noch angenehmere Ueberraschung ward dem Verfasser zu Theil, als er beim Betreten eines „Abtheils“ II. Klasse (Nr. 757 Berlin-Kreiensen-Frankfurt) in diesem – zum ersten Male in Deutschland! – eine leidlich gelungene Rückenkurve vorfand (Fig. 2). Hier war ersichtlich begriffen, worauf es ankommt, nämlich 1) daß die Hauptstütze der Rückenlehne unter dem Schulterblatt liegt; 2) daß dem Kopf die Möglichkeit zur genügenden Rückwärtsneigung bleibt: 3) daß der Kopf alsdann einen Ruhepunkt findet, was im besagten Wagen zweckmäßig durch eine Art von Rolle erstrebt wurde, nur daß diese Rolle nicht so weit als wünschenswerth zurück lag, wie denn überhaupt das ganze Profil noch nicht energisch genug herausgearbeitet war; 4) daß jedes Polstern der Wand oberhalb der Augenhöhe sich als durchaus überflüssig erweist (siehe die punktierte Linie auf Fig. 2).

Fig. 4.

Dem Leser mag zur Veranschaulichung die aus dem früheren Aufsatz entnommene Figur 4 erwünscht sein, welche den hergebrachten Eisenbahnsitz sowie die durch denselben erzwungene Körperhaltung zeigt, sodann Figur 5 mit zweckmäßiger Rückenkurve und einem entsprechend bequemen Sitz. Die Vergleichung ergiebt, daß sich die Figuren 2 und 5 in der Hauptsache decken. –

Fig. 5.

Es sei hier nebenbei bemerkt, daß sich auch Holz- und Rohrstühle, um bequem zu sein, der gegebenen Rückenlinie anzupassen haben. Der Verfasser konnte im Sommer, vorigen Jahres die Beobachtung machen, daß kannn einer der unzähligen in Berliner Lokalen verwendeten eisernen Gartenstühle dieser Anforderung entsprach. Alle ohne Ausnahme zeigten eine Lehne, welche thörichterweise nach innen statt nach außen geschwungen war. Auf solchen Stühlen aber sitzt man entweder mit hohlem Rücken oder reibt sich bei gerader Körperhaltung mit dem Schulterblatt an der oberen scharfen Kante. Durchaus verunglückt sind auch die sogenannten Wiener Stühle, deren Lehne – wenn man die Rohrwurst, welche sie bildet, so nennen will – hartnäckig da ein Loch zu haben pflegt, wo am allernothwendigsten etwas sein müßte.

Nur an ein mit der II. Klasse, wie es scheint, unausrottbar verwachsenes Ding hat sich der sonst lobenswerthe Neuerer, welchem wir jenen Wagen Nr. 757 verdanken, nicht herangewagt: an den gepolsterten Prellstein, welcher je einen der beiden Wagensitze in zwei Hälften zu theilen pflegt. An dieses „hervorragende“ Opus versuchen täglich Tausende von Reisenden ihre Wange zu lehnen, um dann immer aufs neue zu der Wahrnehmung zu gelangen, daß man den Kopf seitlich überhaupt nicht stützen kann, wo keine Schulterstütze vorhanden ist.

Ob wohl der alte Schlendrian als blinder Eisenbahnpassagier noch in das kommende Jahrhundert mit hineinfahren wird? Otto Knille.     

Eine Deputation. (Zu dem Bilde S. 472 und 473.) „Es wird ja den Kopf nicht kosten!“ hat im letzten Beklemmungsgefühl des Vorzimmers der Thalmüller zu seinem Advokaten gesagt, nachdem er vorher wochenlang in allen Schenken geschworen, er gehe, wenn es sein müsse, bis zur Frau Herzogin, um sein Recht gegen den schurkischen Bergmüller durchzusetzen, er fürchte sich nicht, er habe den Mund auf dem rechten Flecke und werde ihn zu brauchen wissen!

Und nun steht er da, keines Wortes mächtig, vor der durchlauchtigsten Landesmutter und kann nur wieder und wieder dienern, während der Herr Hofmarschall sich seiner erbarmt und seinen Handel mit dem Bergmüller vorträgt, „nur mit ein bißchen anderen Worten“! Die fürstliche Frau aber sieht wirklich nicht aus, als ob sie den Kopf der Unterthanen verlange, eher sollte man denken, sie fürchte sich im stillen ebenso sehr vor einer Deputation wie diese vor ihr. Denn sie ist schüchternen Herzens, die schöne, junge Herzogswitwe, und das „Regieren“ kommt ihr schwer an, sie möchte am liebsten jedem seine Bitte gewähren und alle zufrieden sehen.

„Viel zu affabel!“ denkt die stattliche Hofdame hinter ihr. „Ich wollte es den Tölpeln anders zeigen!“

Die zweite aber, das allerliebste Puderköpfchen, betrachtet mit unendlichem Ergötzen den täppischen Müllerjörg im geliehenen Fracke, der hinter der Deckung des väterlichen Rückens hervor athemlos in soviel Herrlichkeit staunt. Seiner Lebtage hätte der Jörg soviel Holdseligkeit und Vornehmheit in Frauengestalt nicht für möglich gehalten. B–n.     

Zukunft der Sprachwissenschaften. Seitdem die Sprachen der Ureinwohner Afrikas und der Südseeinseln, der Indianer und anderer wilder Völkerschaften in den Bereich wissenschaftlicher Forschung gezogen worden sind, hat die Sprachenkunde einen kaum mehr zu beherrschenden Umfang gewonnen. Doch nicht genug damit — neuerdings beschäftigt man sich ernstlich damit, auch die Sprache der Thiere zu erforschen. Der amerikanische Professor Garner hat die Affensprache und ein Pariser Geflügelzüchter, Prevot du Haudroy, mit Hilfe eines Phonographen die Hühnersprache studiert, und letzterer will bereits Ergebnisse erlangt haben, die er der Pariser Akademie der Wissenschaften vorlegen wird. Welch glänzende Aussichten in die Zukunft eröffnen sich den Sprachwissenschaften! Denn alle die Helden von Brehms „Thierleben“ haben jedenfalls eine Sprache für sich, in deren Geheimnisse einzudringen die Lebensaufgabe einzelner Forscher sein wird. Man wird den Text zum Gesang der Singvögel finden; man wird Grammatiken der Affensprache herausgeben und an den Universitäten werden Privatissima über die Hühner- und Gänsesprache gelesen werden; ein neuer Wilhelm von Humboldt wird bändereiche Werke über irgend eine Thiersprache herausgeben und daran neue tiefsinnige Betrachtungen über den Ursprung der Sprache knüpfen. †      

Eine deutsche Naturdichterin. Auf Seite 648 des Jahrgangs 1872 hat die „Gartenlaube“ eine kurze Nachricht gebracht über das bescheidene Wirken der bayerischen Dichterin Katharina Koch, die in ihrem Heimathdorfe Ortenburg als „Jungfer Bas“ allgemein beliebt war. Das damals mitgetheilte Gedicht „Wer so viel ertragen und tragen kann“ zeugte nicht nur von tiefem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_481.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2024)