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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


„An mir ist nicht mehr viel zu Grunde zu richten! Wenn man einmal drin war im Häusl, liegt am zweiten Mal nicht mehr soviel. Freilich bei Dir ist es ’was anderes – da hast Du recht, das wäre schlimm, das möcht’ ich selbst nicht. Die Claire und alles futsch wegen mir – nein, das will ich nicht! Aber ich bin auch kein Kind mehr und laß mich nicht am Gängelband führen. Der Holzmann ist ein fideler Kerl, der sein letztes Hemd hergiebt für seinen Freund, das gefällt mir an ihm; eine Kneipfreundschaft also – weiter nichts. Uebrigens sollst Du ihn nicht mehr bei mir treffen, das verspreche ich Dir. Damit ist’s aber genug der Vorschriften, das merke Dir! Meine Freiheit verkaufe ich nicht für Deine Altersversorgung."

Hans stand auf und nahm seinen Hut. Davis sah ihn erstaunt an.

„Es ist also wirklich Dein Ernst? Du willst nicht mehr kommen wegen dieses Schwätzers? So sei doch vernünftig, ich muß ja mit ihm umgehen, wenn ich den ganzen Tag mit ihm arbeite; ich kann mir meine Gesellschaft nicht aussuchen wie Ihr Herrenleut’! Es wär’ mir wirklich leid, wenn Du nicht mehr kämest.“ Er wühlte mit der Hand in dem offenen Hemde an der Brust. „Und es ist eine große Frage, ob Du gut daran thust. Dann bin ich wieder ganz allein und hab’ auf nichts aufzupassen – aber allerdings. –“ seine Stimme klang wieder heftig – „wenn Du nur kommst, um zu spionieren und uns auszuforschen wie heute, dann bleibst Du mir besser ein für allemal weg.“

In Hans stieg ein heißes Mitleid auf, einen Augenblick besann er sich, dann versprach er, wiederzukommen am nächsten Sonntag, unter der Bedingung, daß Holzmann nicht da sei. Das wurde ihm von Davis feierlich zugesichert.

„Du verstehst unsere Sprache nicht, weißt nicht, was für dumme Gedanken einem kommen, wenn man den ganzen Tag in Staub und Schmutz herumpudelt, während einem die Wagen der Reichen über den Kopf wegrasseln – wenn das alles ausgeführt würde, was da gedacht wird!“

„Ich denke, das Bewußtsein redlich gethaner Arbeit müßte alle diese schlimmen Gedanken verscheuchen und einen Stolz wachrufen, wie ihn der reiche Müßiggänger nicht haben kann," sagte Hans im Tone innerer Ueberzeugung.

„Bei Deiner Arbeit mag das sein, aber unsere – die giebt überhaupt kein Bewußtsein. Mach’s einmal nur einen Tag und such’ dann das ‚Bewußtsein redlich gethaner Arbeit‘ und den ‚Stolz‘!“ Eine tiefe Verbitterung klang aus den Worten.

Hans fand keine Antwort darauf.

„Auf Wiedersehen!“

Er drückte dem Vater die Hand und wandte sich zur Thür; ihm stiegen die Thränen in die Augen, sie drangen aus tiefstem Herzensgrund.

Als er nach Hause kam – seit er festes Gehalt bezog, wohnte er bei Merks, deren Rolle als Pflegeeltern jetzt ausgespielt war, in freier Miethe – sand er auf seinem Tische ein großes Schreiben mit der Firma Berry auf dem Umschlag. Aufgeregt öffnete er den Brief.

„Es freut mich, daß Ihre gute Aufführung und Ihre Fortschritte mich in stand setzen, Sie zum Monteur zu ernennen mit dem Gehalt eines solchen. Ich benutze die Gelegenheit, Sie für morgen abend zu mir zu Tisch zu laden. Ihr geneigter J. Berry.“ 

Das Papier fiel ihm aus den zitternden Händen; er hob es auf, las immer und immer wieder „zum Monteur zu ernennen ... zu Tisch zu laden“. Er an Herrn Berrys Tisch geladen – er, der eben an einem Tische gesessen hatte mit diesem Holzmann, welcher die Beraubung des Kommerzienraths plante und daneben saß der Vater und wartete ab, was er dazu sagen, wartete ab, ob nicht auch in ihm ein verbrecherischer Gedanke sich regen würde – doch nein, das that er nicht, so weit war er noch nicht wie dieser Holzmann, der arme Vater! Und jetzt könnte er ihn ja vielleicht erlösen aus dem Staube und Schmutze, aus der häßlichen Luft unter der Erde, welche alle diese häßlichen Gedanken erzeugte! Er wollte so gern alles entbehren, um nur ihn zu retten. Wenn er rasch hineilte und ihm die Freudenbotschaft brächte, ob er ihn dadurch nicht ganz von Holzmann losreißen könnte?

Schon war er entschlossen zu gehen, da dachte er an morgen abend; jetzt noch einmal Herrn Berry zu hintergehen, jetzt mit diesem Briefe in der Hand, in welchem jede Zeile die Fürsorge des wohlwollenden Mannes verrieth – nein, das war nicht möglich! Nächsten Sonntag mochte es sein, und dann zum letzten Male! Ein Monteur verdiente hundertzwanzig Mark im Monat, mit der Hälfte konnte er leben; die andere sollte der Vater haben unter der Bedingung, daß er die „Fackel“ verlasse . . .

„Für morgen abend zu mir zu Tisch zu laden“ – las er immer wieder.

Was lag doch gar so Beglückendes in diesen Worten? Die Ehre hatte er ja früher schon genossen, als Claire noch hier war, aber nie war er so begeistert davon wie jetzt. Früher war sie ihm zu theil geworden als dem aus Barmherzigkeit angenommenen Knaben, als dem Automaten Nummer zwei; jetzt als einem Angestellten des Hauses – war es deshalb? Aber einen einfachen Monteur lud doch Herr Berry sonst nicht an seine Tafel – was also war der Grund? Hatte vielleicht Claire geschrieben, den Papa gebeten – –? Er hatte seit ihrer Abreise nichts mehr von ihr vernommen, den Kommerzienrath nach ihr zu fragen, wagte er nicht. Jetzt würde er wohl von ihr hören – über was sollte man denn mit ihm sprechen als über Claire? Und morgen durfte er auch fragen nach ihr, sie grüßen lassen! Ja, das war’s, was dies Glücksgefühl in ihm wachgerufen hatte, was ihn sogar seine überraschende Beförderung, den Vater mit seinem entsetzlichen Freunde – alles, alles vergessen ließ.

(Fortsetzung folgt.)

Die Frau im alten Rom.

Von Ernst Eckstein.


Wenn wir das Frauenleben im alten Rom und insbesondere die Stellung betrachten, welche die Gattin im Hause wie in der Gesellschaft einnahm, so gilt es zwei zeitliche Hauptabschnitte zu unterscheiden, die etwa gegen das Ende der Republik nach und nach ineinander übergehen.

Man könnte den ersten dieser beiden Zeitabschnitte als den der römischen Frau, den zweiten als den der römischen Dame bezeichnen.

Hand in Hand mit dieser Veränderung der Hausherrin geht eine Umgestaltung des Hauses, der alten Wahrheit entsprechend, die in dem Satze enthalten ist: „Sage mir, wie Du wohnst, und ich sage Dir, wer Du bist.“

Es sei hier gleich im voraus bemerkt, daß die hier folgende kleine Studie ausschließlich die Frau höherer Stände ins Auge faßt, da jene Umwandlung nur auf sie Bezug hat. Die Frau des Landmanns, des Kleinbürgers, die sich in ihrer Entwicklung naturgemäß weit konservativer zeigt, muß hier unerwähnt bleiben, da sie nach römischen Kulturbegriffen nicht mitzählt, daher denn auch die Quellen für ihre Darstellung sehr spärlich fließen.

Der Mittelpunkt des römischen Hauses, in welchem die Herrin (domina) schaltete und als Zeichen ihrer Herrschaft sämmtliche Schlüssel unter Verwahrung hielt, war das Atrium, so genannt von dem schwärzenden Rauch (ater = schwarz), der von dem Familienherde durch die viereckige Dachöffnung abzog.

Dieses Atrium glich in der guten alten Zeit mehr einem Wohnzimmer, in der späteren Periode ward es vollständig zum Salon.

Ursprünglich hatte hier – außer dem Herde, der gleichzeitig irdische Feuerstätte, Hausaltar und Standort für die Penaten, die Hausgötter, war – alles das Platz gefunden, was mit dem Wesen und dem Begriff der Familie zusammenhing. So befand sich hier, am Boden befestigt oder in die Wand eingelassen, die eiserne Geldkasse des Hausherrn. Liebe Erinnerungen an Verstorbene wurden hier angebracht, vor allem auch die aus Wachs gefertigten sogenannten imagines, die Porträtmasken der Vorfahren. Das Schlafgemach der Ehegatten stieß unmittelbar an diesen Raum oder bildete gar einen Theil desselben.

Das Atrium war auch die Stätte, wo die sittsame Hausfrau, umringt von ihren lustig mitschaffenden Dienerinnen, der Arbeit oblag, besonders dem Wollespinnen. In jener bekannten Scene, die uns der Geschichtschreiber Titus Livius gezeichnet hat, finden die römischen Edelinge die schöne Lucretia noch spät in der Nacht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_524.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)