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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


sich noch lang’ gewehrt hätt’ ... ich glaub’, den hätten die anderen niedergeschlagen. Der Klees hat Wein anfahren lassen, und wie wir all’ miteinander heiße Köpf’ gehabt haben, da ist der Klees zum Hauptmann ausgeschrien worden ... und der hat auch gleich die richtige Stund’ ausgenützt ... noch in der Nacht sind wir fort aus der Tafern’, und allweil durch Wald ist der Weg gegangen, den der Klees uns geführt hat. Ich muß schon sagen, die Sach’ hat mir nicht recht hineingepaßt in mein Hirnkastel ... aber wie der Mensch ist ... wo ein paar hundert laufen, da lauft man halt mit. Und der Wein hat auch uns allen die Köpf’ dumper gemacht! Ich glaub’, der Klees ist der einzig’ gewesen, der recht gewußt hat, was es gilt. So um die zweite Morgenstund’ muß es gewesen sein, da sind wir aus dem Holz ins Feld gekommen, und ganz schwarz sind die Burgmauern vor uns aufgestiegen in der Nacht!“

Pater Desertus athmete schwer und drückte die Fäuste auf seine Brust.

„Beherrsche Dich, Dietwald!“ mahnte Herr Heinrich in lateinischer Sprache. „Der Mann soll nicht wissen, wie nahe Dich berührt, was er erzählt.“ Und zu Wolfrat sich wendend, sagte er: „Sprich nur weiter!“

In treuer Hut.
Nach einem Gemälde von E. Debat-Ponsau.

„Der Klees hat uns halten lassen .... keinen Laut und keinen Tritt hat man gehört . . und dann ist der Klees bis an den Burgwall hingegangen und hat den Thorwart angeschrien. Ich hab’s nicht recht hören können, denn ich bin einer von den Letzten gewesen .... aber ich mein’, er hat dem Thorwart zugerufen, daß er eine Botschaft brächt’ vom Burgherrn, und die Sach’ hätt’ Eil’. Ich weiß nicht, hat der Klees die Losung gewußt, oder war der Thorwart so ein guter Hascher, der gleich das erste Wörtl geglaubt hat . . . wie ich halt sag’. ich hab’ noch kaum recht gewußt, was los ist, da war die Zugbrück’ schon herunt’, eine Hauerei und ein fürchtiges Geschrei ist losgegangen ... und bis ich nach einer Weil’ mit den Letzten hineingekommen bin in den Burghof, da sind die paar Herrenleut' schon im Blut herumgelegen, die Unsrigen haben schon alle Thüren eingedrückt, und die brennenden Pechkränz’ sind in die Fenster geflogen. Da bin ich mit einem Male nüchtern worden ... und wie ein steiniges Mandl bin ich gestanden hab’ nur allweil geschaut und hab’ mir an den Kopf gegriffen ... und gegraust hat’s mir in der tiefsten Seel’! Hätt’ mich einer am Ampfinger Tag niedergeschlagen, ich glaub’, mir wär’ wohler gewesen als in derselbigen Stund’. Ich hab’ freilich keinen Finger gerührt und keine Hand gestreckt . . . aber dabei gewesen bin ich halt doch! Und die ganzen Jahr’ her . . . so oft was Unguts über mich und meine lieben Heimleut’ gekommen ist . . . allweil hab’ ich an dieselbige Nacht denken müssen und mir sagen: Schau, jetzt mußt zahlen dafür!“

Wolfrat schwieg, und tiefe Stille herrschte in der Klause. Das Antlitz des Paters war erblaßt, und seine heißen Augen starrten ins Leere.

„Wie die Flammen herausgeschlagen sind aus jedem Dach, da haben sie’s drunten im Dorf gemerkt, was vorgeht, und haben die Sturmglock’ geläutet. Haufenweis’ sind die hörigen Leut’ aus dem ganzen Burgbann herbeigelaufen, die einen mit Schwert und Spieß, die andern mit Dreschflegeln und Sensen. Da ist die Hauerei aufs neu’ wieder angegangen. Ich aber hab’ mir gedacht, ich will mit so einer schiechen Sach’ nichts mehr zu schaffen haben. Doch wie ich mich schon hab’ hinausschleichen wollen beim Thor und abschieben, da hör’ ich auf einmal ein fürchtiges Gejammer von einer Weiberstimm’ . . . und wie ich aufschau’, steht auf dem Thurmaltan, mitten im Feuer, eine junge schöne Frau. Ein kleines Bübel ist bei ihr gestanden, und auf dem Arm hat sie ein Kind im Wickel gehalten. ‚Jesus Maria!‘ hab’ ich geschrien und bin zugesprungen und hab’ gemeint, ich könnt’ noch hinauf in den Thurm und helfen. Aber derweil thut’s schon einen fürchtigen Krach. Das ganze Sparrenwerk ist eingefallen, und als wär’ die Höll’ zersprungen, so fliegt der Thurm auseinander in lauter Feuer.“

Am ganzen Körper erzitternd, schlug Pater Desertus die Hände vor das Antlitz.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_537.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2022)