Seite:Die Gartenlaube (1892) 547.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

an die Schwestern gestellt werden. Die Erwerbung der nöthigen Kenntnisse wird aber nur durch die Zugehörigkeit zu einem Pflegeverein ermöglicht, welchem die Mittel zu Gebote stehen, seinen Schwestern die nöthige theoretische und praktische Ausbildung zu geben. Der Verein schürt die alleinstehende Frau, verschafft ihr eine angesehene Stellung nach außen und bietet in seinem Heime, in der Gemeinsamkeit der Schwestern den Ersatz für das mangelnde Familienleben. Aber nicht nur für die Zeit des Arbeitens und Schaffens sichert der Verein das tägliche Leben der Schwester, indem er sie jeder Auslage und Sorge für dasselbe überhebt. Er trifft auch Vorsorge für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, ob sie nun durch hohes Alter oder durch Kränklichkeit hervorgerufen sein mag.

Anmeldungen zur Aufnahme in die Schwesterngenossenschaft des Wiesbadener Vereins vom Rothen Kreuze nimmt der Vorsitzende, Prinz Nikolas von Nassau, wie auch die Oberin stets entgegen, wobei noch bemerkt werden darf, daß Unterschiede des Bekenntnisses bei der Frage der Aufnahme nicht in Betracht kommen. Der Eintritt kann zu jeder Zeit erfolgen. Möchten Frauen und Jungfrauen der gebildeten Stände diese Gelegenheit, ihre Kräfte in den Dienst der leidenden Menschheit zu stellen und sich eine gesicherte und ehrenvolle Stellung zu verschaffen, in reichem Maße benutzen!

Die Gedächtnißmünze auf die Nürnberger Steckenpferdreiter.
Original im Germanischen Museum zu Nürnberg.

Ein Massenaufgebot von Steckenpferdreitern. (Mit Abbildung.) Als nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zu Nürnberg ein großes Friedensfest begangen wurde, sprengte ein Spaßvogel aus, daß am nächsten Sonntage der kaiserliche Prinzipal-Commissarius, Herzog von Amalfi, Octavio Piccolomini, einem jeden Knaben, der vor sein Quartier auf einem Steckenpferd geritten komme, den sogenannten Friedenspfennig schenken werde. Die Wirkung dieses Einfalles läßt sich denken. Aus allen Gassen kamen ganze Schwadronen kleiner Reiter zum Vorschein, die alle nur ein Ziel kannten. Die hölzernen Gäulchen wieherten und stampften so arg, daß der Herzog ans Fenster eilte und hier Kenntniß von dem Sachverhalt erhielt. Er vertröstete die Knaben auf acht Tage später, mit dem Bedeuten, daß sie in demselben Aufzuge wiederkommen sollten. Gewissenhaft stellten sich nicht allein sie, sondern noch viele andere mit ihnen ein, ein ganzes Reiterheer kam kühn und trotzig dahergezogen, das mit dem Bändigen der wilden Pferde viel zu thun hatte. Nur in Nürnberg war damals ein solches Massenaufgebot hölzerner Gäule möglich. Der Fürst schenkte jedem der Knaben einen viereckigen silbernen Pfennig, den er extra prägen und mit der Darstellung eines der verwegenen Reiter hatte versehen lassen, wie wir ihn auf unserer Abbildung erblicken. Vergnügt zog die kleine Schar von dannen, noch lange die Gassen mit ihren Freudenrufen erfüllend.

Der arme Schubert! Daß es dem unsterblichen Schöpfer so vieler herrlicher Tonwerke in seinem kurzen Leben jämmerlich genug ergangen ist, dürfte wohl allgemein bekannt sein – weniger aber die von seinem vertrauten Freunde und Bewunderer Josef von Spaun in dessen „Erinnerungen“ berichtete Thatsache, daß Schubert zeitlebens zu arm war, um ein Klavier kaufen oder auch nur miethen zu können! Die Musikalienhändler bezahlten seine von Kennern bereits ihrem vollen Werthe nach gewürdigten Lieder und Klavierstücke so elend, daß es eben immer nur zum nothdürftigsten Lebensunterhalt reichte. Selbst bei den berühmten Abenden im Gasthaus, an welche Moritz von Schwind, Schober, Kupelwieser u. a. noch in späten Jahren als an selige Höhepunkte ihres Lebens zurückdachten, wo man bis weit nach Mitternacht Schuberts Lieder sang, selbst bei diesen in Bezug aus Genüsse des Leibes sehr bescheidenen Symposien hielt es Spaun für geboten, gegen Schubert den Wirth zu machen, was dieser freundlich annahm. Wenn dann, so erzählte Schwind gelegentlich, die schon bekannten Lieder gesungen waren, so zog der kleine bescheidene Meister wohl noch ein paar zerdrückte Blätter aus der Brusttasche, stellte sie aufs Klavierpult und begann, während die anderen voll Andacht zuhörten – den „Wanderer“, „Memnon“, „Ganymed“ oder sonst eines seiner bedeutendsten und schönsten Lieder, die er nur am Schreibtisch hatte verfassen können. Wollte er hören, wie sie klangen, so mußte er einen Glücklicheren aufsuchen, der ein Klavier besaß! Sie wurden bald durch den Sänger Vogl in Konzerten und aristokratischen Salons eingebürgert und erregten die begeistertste Bewunderung – für den Sänger. Kein Mensch achtete auf den unscheinbaren Mann, der am Klavier saß und sich das entzückte Publikum durch seine großen runden Brillengläser betrachtete. Einst trat die feinsinnige Fürstin Kinsky bei solcher Gelegenheit zu Schubert und suchte die Vernachlässigung seiner Person durch die eben ganz seinem Werke geltende Begeisterung zu entschuldigen. Schubert dankte und erwiderte, die Frau Fürstin möge sich gar keine Mühe diesfalls geben, er sei es gewohnt, übersehen zu werden, ja es sei ihm das sogar lieb, da er sich dadurch weniger geniert fühle!

Armer Schubert! Und doch – die Wonne des Schaffens, die höchste auf Erden, hat er in überschwänglichem Maße genossen. Dieser Gedanke allein mildert etwas die Trauer, womit man im Hinblick auf den heutigen Glanz seines Namens, das tragische „Zu spät!“ erwägt. Bn.     

Heinrich der VIII. und Anna Boleyn. (Zu dem Bilde S. 545) König Heinrich VIII. von England war ein Herrscher von geradezu cynischer Gewaltthätigkeit: ein Argwohn – und der Kopf eines langjährigen treuen Rathgebers fällt unter dem Beile des Henkers; eine Regung sinnlichen Gefallens – und Königinnen werden verstoßen oder hingerichtet. So ging es auch der armen Katharina, der ersten Gemahlin dieses Fauns auf dem throne von England. Als des Königs Augen auf ihre junge Hofdame, die aus niedrigem Stande geborene, aber mit allen Reizen weiblicher Anmuth ausgestattete und am Hofe von Frankreich fein erzogene Anna Boleyn fielen, da trat er die Rechte der Katharina mit Füßen. Anna Boleyn war stolz und hielt sich werth. Sie war taub für die Bitten des begehrlichen Fürsten, solange er ihr nicht eines versprach – den Platz an seiner Seite auf dem Throne. Und der König trug kein Bedenken, ihr ihn freizumachen. Ein Umstand kam ihm zu statten. Katharina war seines Bruders Witwe, seine Schwägerin – und die Ehe mit ihr war nach der strengen Auffassung der Kirche verboten.

Wohl hatte der Papst selbst ihm den Dispens ertheilt – nun aber, da es Heinrich so gar bequem in seine Wünsche paßte, flüchtete er sich auf einmal hinter sein zweifelndes „Gewissen“ und that, als könne er ferner nicht mit Katharina in der Ehe leben. Und als der Papst von einer Scheidung nichts wissen wollte, da war Heinrich ebenso unbedenklich bereit, die Verbindung mit ihm zu lösen und sich selbst für das Oberhaupt der Kirche und Geistlichkeit von England zu erklären. So floß bei diesem Fürsten die folgenreichste Entscheidung aus den niedrigsten Regungen seiner Menschennatur.

C. v. Piloty hat für sein Gemälde den Augenblick gewählt, wie Heinrich bei einem Feste vergeblich um die Gunst der schönen Hofdame wirbt. Mit Sorgen theils, theils mit Ingrimm schaut die Umgebung auf das gefährliche Liebesgeflüster, der Hofnarr aber macht seiner Mephistophelesnatur durch ein paar klimpernde Griffe in die Saiten der neben Anna liegenden Laute Luft.

Und was war das Ende? Fünf Jahre, nachdem Anna Boleyn feierlich als Königin von England gekrönt worden war, am 19. Mai 1536, sank ihr Haupt im Tower auf das Blutgerüst. Am Tage darauf vermählte sich Heinrich mit Johanna Seymour!

Der „hermetische Verschluß“. Wohl mancher hat sich schon nach dem Ursprung dieses sonderbaren Ausdrucks gefragt, und wenn er auch wußte, daß es soviel bedeute wie „luftdichter Verschluß“, so fehlte ihm doch eine nähere Erklärung für diese Bezeichnungsweise.

Die Benennung stammt aus sehr alten Zeiten, da es noch keine Chemie, wohl aber eine Alchemie gab. Die alten Aegypter verehrten als Beschützer der Wissenschaften und Künste den Gott Thoth, den die Griechen Hermes und die Römer Merkur nannten. Dieser Gott soll eigenhändig eine Anzahl von Büchern geschrieben haben, in denen alle Geheimnisse der ägyptischen Religion und des Wissens enthalten waren. Wohl sind die echten heiligen Bücher verloren gegangen, aber als sich später Griechen in Alexandrien niederließen, wurde eine große Zahl ähnlicher Bücher geschrieben, die man „hermetische Schriften“ nannte. „Hermes Trismegistos“, d. h. „Hermes der dreimal größte“, spielte in der Geschichte der Alchemie bis in den Anfang unsres Jahrhunderts eine große Rolle, da in seinen Schriften der Schlüssel zur Lösung der verschiedensten chemischen Probleme enthalten sein sollte. Er war auch der Gott der Magie und sollte imstande sein, durch magische Siegel Gefäße unzugänglich zu machen. Man nannte darum einen möglichst vollkommenen Verschluß einen „hermetischen“, und da ein solcher Verschluß luftdicht sein mußte, so wurden luftdicht und hermetisch gleichbedeutend. Heutzutage sind hermetische Verschlüsse etwas sehr Gewöhnliches; Bier, Wein, Mineralwässer müssen in Flaschen hermetisch verschlossen sein. Ein wesentlicher Fortschritt wurde in dieser Beziehung durch die Einführung des Gummi in den sogenannten Patentverschlüssen erzielt. *      

Zum Licht! Einen neuen deutschen Lyriker der Welt anzukündigen, ist eigentlich ein recht undankbares Unterfangen. Von wie wenigen, die in den legten Jahrzehnten aufgetaucht sind, hat die große Leserwelt ernstlich Kenntniß genommen! Wie schwer wird es einem solchen gar, die österreichische Grenze zu überschreiten und sich im „Reiche" Hörer zu verschaffen, wenn er auch das Glück gehabt hat, als Oesterreicher einen reichsdeutschen Verleger zu gewinnen! Und was kann vollends einer Gutes erhoffen, der nicht Süßholz für empfindsame Backfische raspelt, sondern meist in ernsten, männlichen Tönen siegt und sich mit seinem Dichten in die Räthsel des Welt- und Menschenlebens versenkt! Und doch will ich es wagen, den Dichter der kleinen Sammlung „Zum Licht!“, Hermann Hango, einen Wiener, vorzustellen, den übrigens die Leser der „Gartenlaube“ schon mehrfach als liebevollen Chronisten seiner Vaterstadt kennenzulernen Gelegenheit gehabt haben. Schon der Titel seiner Gedichtsammlung (Stuttgart, A. Bonz) „Zum Licht!“ ist ein deutlicher Fingerzeig, daß wir hier nicht jene Lieder allerneuesten Gepräges vor uns haben, die uns die Sonne vom Himmel wegreimen und nur den Widerschein von Erdenelend und Schmutz bieten. Auch H. Hango sieht die Naturseite des Lebens. sieht das ewige Vergehen und die nie schwindenden Schatten, aber statt sich dadurch die Lebensfreude verkümmern zu lassen, grüßt er in der Blüthe, im Schmetterling, in der Wolke, im Irrlicht, in allem, was da wird und webt, freudig die wiederbelebten Toten, welche die Welt unter Steinen, Denkmälern und Kreuzen begraben wähnt. Das formfreudige österreichische Wesen des Dichters giebt sich in Weisen kund, die geradeswegs zum Singen herausfordern, wie der „Herbst“, „Im Freien“, „Weltfern“, oder „Also schläft die Frühlingsnacht“:

„Silbermond und Sternefunkeln,
Schweigen über Trift und Wald,
Hier und dort ein Licht im Dunkeln
Wird erlöschen balde, bald“ . . .

Möchte man ihn hier als Nachfahren N. Lenaus grüßen, so weht uns etwas wie Goethescher Geist an in den machtvollen Hymnen, „Auferstehung“, „An die Wolken“, „An Mutter Erde“. Antike Versmaße meistert er mit demselben feinen und strengen Formgefühle wie den deutschen Reim, in welchem er niemals gewöhnlich wird. Und in packendem Flusse rauschen seine Balladen dahin, wie „Kleopatra“, „Klytia“, „Der

Tod des Priamos“ und andere. Der Zug zum Großen, wie er nicht

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_547.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2022)