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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

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weit angelegten Geschichte Louis Philipps hat der Historiker Billault de Gerainville mit nahezu unumstößlicher Gewißheit dargethatt, daß die Feuchères unter Mithilfe eines ihrer vielen Anbeter den alten Fürsten in der Nacht vom 26. zum 27. August mittels einer Serviette, die bei ihrer Auffindung noch Spuren von Schnupftabak zeigte, erwürgt und alsdann die Leiche in der Art, wie dies oben beschrieben wurde, an einem Fensterhaken aufgehäugt hat. Der Mitschuldige des Schandweibes, welches diesen verruchten Plan ersonnen hat, einzig um die auf den nächsten Tag festgesetzte Uebersiedlung des Prinzen nach Chantilly zu vereiteln, war ein schmucker Gendarmerie-Unteroffizier, der tagsüber auf dem Schlosse im Zimmer des der Feuchères ganz ergebenen Geistlichen Briant sich verborgen hielt. Er hat noch im Jahre 1884 in Paris gelebt, in angesehener Stellung, inmitten einer zahlreichen Familie, und dieser Umstand hat Billault de Gerainville bestimmt, uns seinen Namen zu verschweigen, während er an der Hand eines überreichen Materials uns alle Fäden der fein gesponnenen und weit verzweigten Intrigue bloßlegt, durch welche es dem „König Biedermann“ gelungen ist, seiner Familie das reiche Erbe der Condés zu sichern.

Ueber den Tod und den Prozeß des Prinzen sind 27 zum Theil sehr umfangreiche Schriften erschienen, deren genaue Titelaufführung allein schon einige Seiten füllen würde; aber noch weit eingehender befassen sich handschriftlich erhaltene Aufzeichnungen mit dem Falle, Briefschaften, Abrechnungen aller Art, sogar die Schulhefte der Sophie Clarke, späteren Baronin Feuchères, haben Billault de Gerainville bei der Abfassung seines Buches vorgelegen. Nicht der unmittelbaren Mitschuld will er den König zeihen, „aber“, so schließt das betreffende Kapitel, „dadurch, daß Louis Philipp die Mörder seines Onkels entkommen ließ, indem er unter der empörendsten Herzenskälte alle Gefühle der Natur erstickte, hat er seinem Namen einen unauslöschlichen Fleck angeheftet, und die Nichtbestrafung des Verbrechens von St. Leu wird als eine ungesühnte That für immer mit erdrückender Schwere auf seinem Gedächtnisse lasten.“

Ueber den Eindruck, welchen der Fall Condé auf die Pariser und die Franzosen überhaupt machte, hat ein Zeitgenosse und zwar kein anderer als der deutsche Dichter Heinrich Heine sich geäußert in einer seiner ersten Korrespondenzen für die „Allgemeine Zeitung“, wo es unter dem Datum des 28. Dezember 1831 heißt:

„Mehr aber … wird der König jetzt durch den famosen Erbschaftsprozeß, den die Familie Rohan wegen der Bourbon-Condé’schen Verlassenschaft anhängig gemacht, aufs schmerzlichste kompromittiert. Dieser Gegenstand ist so entetzlich, daß selbst die heftigsten Oppositionsjournale sich scheuen, ihn in seiner ganzen grauenhaften Wahrheit zu besprechen. Das Publikum wird davon aufs peinlichste affiziert, die leise, verstohlene Art, wie man in den Salons darüber flüstert, ist beängstigend, und das Schweigen derjenigen, die sonst immer das königliche Haus vertreten, ist noch bedenklicher als das laute Verdammnißurtheil der Menge. Es ist die Halsbandgeschichte der jüngeren Linie, nur daß hier statt Hofgalanterie und Falsum etwas noch Gemeineres, nämlich Erbschleicherei und (von einer Theilnehmerin verübter) Meuchelmord in Rede stehn. Der Name Rohan, der auch hier zum Vorschein kommt, erinnert leider zu sehr an die alten Geschichten. Es ist, als hörte man die Schlangen der Eumeniden zischen und als wollten die strengen Göttinnen keinen Unterschied machen zwischen der älteren und jüngeren Linie des verfehmten Geschlechtes.“

Alle Biographen Louis Philipps, alle Historiker der Juli-Regierung von Louis Blanc angefangen bis zu Billault de Gerainville, dem jüngsten unter ihnen, sind einig in dem verdammenden Urtheil, welches sie über die verderbten Zustände fällen, die unter dem „Bürgerkönig“ bestanden. Auf einem der letzten sogenannten „Reformbankette“ sprach Lamartine die prophetischen

Worte: „Nachdem wir die Revolution der Freiheit und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_561.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2019)