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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Goldbergwerk in den Besitz einer belgischen Gesellschaft übergegangen, die den Betrieb einstellte; und als am 4. Januar 1891 auch der frühere Besitzer des Werks, J. Rojacher, starb, war auf einmal der ganze früher so lebhafte Thalwinkel verödet.

Der seit 1887 auf dem Gipfel hausende Knappe Peter Lechner befand sich jetzt in einer üblen Lage. Niemand war da, die nöthigen großen Vorräthe von Brennholz aus dem Thale über den Gletscher zum Gipfel zu schaffen, niemand auch, der die ins Thal führende Telephonleitung ausgebessert hätte, wenn sie durch Schneestürme oder Blitzschlag beschädigt worden war. Endlich war gerade in letzterem Falle, wenn Lechner ein Unglück zustieß, Rettung fast ausgeschlossen. Denn nicht nur ist es für den einzelnen schwer, vom Gipfel herab nach Kolm Saigurn zu gelangen, sondern diese letzte Thalstation ist auch noch im Winter oft durch Lawinen und riesige Schneemassen von den unteren Thalstationen abgesperrt. Infolgedessen mußte die „Oesterreichische Gesellschaft für Meteorologie“ sowohl am Gipfel des Sonnblick als auch in Kolm Saigurn je einen Gehilfen für Peter Lechner und etliche Leute für den Holztransport anstellen. Da diese Neueinrichtungen aber einen Mehraufwand von 1500 Gulden jährlich erheischten, der die verfügbaren Mittel der Gesellschaft überschreitet, hat sie soeben einen eigenen „Sonnblickverein“ gegründet. Der Verein wird alljährlich einen kurzen gemeinverständlichen Bericht über alle den Sonnblick betreffenden Ereignisse und Forschungen herausgeben: Freunde der Hochalpen und der Meteorologie dürften daher gern vernehmen, daß der Beitritt nur an eine jährliche Leistung von zwei Gulden ö. W. geknüpft ist. R. E. Petermann.     

Eine gemüthliche Gesellschaft. (Mit Abbildung.) Wie weit es Kunst und Ausdauer in der Zähmung und Abrichtung wilder Bestien bringen können, mag der Leser aus unserem Bildchen ersehen. Es ist eine Vorstellung des „Thiercirkus“, den sich Meister Carl Hagenbeck aus Hamburg zusammendressiert hat. Gefürchtete Bestien, Eisbär, Panther, Tiger und Kragenbären, haben sich zur Pyramide gruppiert, einen Kragenbär mit zwei Hunden rechts und links mag man gleichsam als Thor denken, vor dem zwei mächtige Löwinnen Wache halten. Die Thiere, sonst untereinander die grimmigsten Feinde, scheinen unter der Wirkung der menschlichen Zucht ihre eigenste Natur ausgetauscht zu haben, fügsam gliedern sie sich an der ihnen angewiesenen Stelle in den kunstvollen Bau – eine gemüthliche Gesellschaft, die einem neuzeitlichen Ritter Delorges sein Wagniß erheblich erleichtern würde.

Eine gemüthliche Gesellschaft.
Gezähmte Thiere aus dem Thiercirkus von C. Hagenbeck. Nach einer Photographie.

Das Repetiergewehr – eine alte Geschichte! Im allgemeinen wird das vorgenannte Mordinstrument als die eigenste Erfindung unserer Zeit betrachtet, von welcher die Alten gar keine Ahnung gehabt hätten. Dem ist aber durchaus nicht so; im Gegentheile – unseren Vorfahren leuchteten die Vortheile des Schnellfeuerns ebensogut ein, wie sie heute der ganzen Welt klar sind, und nur der Mangel ausreichender technischer und wissenschaftlicher Hilfsmittel verhinderte in früheren Jahrhunderten eine ähnliche Ausbildung der Feuerwaffen wie heutzutage. Es ist eine ganze Reihe von Versuchen theils durch noch vorhandene Originale, theils durch Modelle, Zeichnungen und Beschreibungen aus alter Zeit bekannt, welche das Schnellfeuern ermöglichen sollten. Und merkwürdigerweise ist fast jeder der Grundbestandtheile, welche die neueren Erfinder der Schnellfeuerwaffen verwendeten, in den vergangenen Jahrhunderten bereits bekannt gewesen. Zu allgemeiner Einführung und rücksichtsloser Anwendung haben es diese Waffen damals aber nie gebracht; diese ist erst unserer Zeit vorbehalten gewesen.

Die Versuche zur Herstellung von Stücken zum Geschwindschießen lassen sich nicht weniger als ein halbes Jahrtausend zurückverfolgen. Schon eine in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek befindliche Bilderhandschrift aus den Jahren 1380 bis 1400 enthält verschiedene Zeichnungen von Geschützen, welche mehrere Büchsen auf einem Gestelle zum Zwecke raschen Schießens vereinigen; da sich diese Rohre zum Theil um eine gemeinsame Achse drehen, so ist hier bereits das Vorbild des Revolvers gegeben. Eine ähnliche Handschrift in Göttingen vom Jahre 1405 und ein Band der Ambraser Sammlung etwa aus dem Jahre 1410 zeigen ebenfalls eine Reihe von Geschützen zum Schnellfeuern mit verschiedener Konstruktion. Den ältesten noch vorhandenen Originalhinterlader, mit beweglicher Kammer für das Pulver, welche rückwärts eingelegt und verkeilt wurde, besitzt das Artilleriemuseum zu Paris. Er scheint dem Schlusse des 14. Jahrhunderts anzugehören. Wohl der älteste erhaltene deutsche Hinterlader ist eine etwa aus den Jahren 1420 bis 1430 stammende gußeiserne Büchse mit beweglicher Pulverkammer, welche in der Nähe von Aachen ausgegraben wurde und im Besitze des nunmehr verstorbenen Herrn von Quast auf Radensleben war. In der Waffensammlung des Germanischen Museums zu Nürnberg finden sich aus der Mitte des 15. Jahrhunderts ebenfalls zwei schmiedeeiserne Hinterladergeschütze, von welchen eines in Danzig beim Ausbaggern gefunden wurde, das andere aus der freiherrlich v. Minutolischen Sammlung (Schlesien) in das Museum gelangte. Vortreffliche Abbildungen von Hinterladergeschützen, ähnlich diesen beiden, finden sich auf einem der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehörenden kostbaren Kupferstich von Israel van Meckenen, welcher die Ermordung des Holofernes durch Judith darstellt und auf welchem der Künstler die Geschütze, mit denen die Stadt Bethulia beschossen wird, genau so wiedergiebt, wie er sie bei irgend einer Belagerung seiner Zeit in Gebrauch gesehen hat. Das Schnellfeuer mit den Hinterladern wurde namentlich dadurch ermöglicht, daß zu je einem Geschütze eine Anzahl von Kammern vorhanden war, die man vorher laden und dann rasch nacheinander verwenden konnte.

Eine dem Mitrailleusenfeuer der Neuzeit ähnliche Wirkung erzielte man dadurch, daß man eine Reihe von Rohren nebeneinander anbrachte, die man zu gleicher Zeit abbrennen konnte; oder man ging noch weiter und stellte drei solche Reihen zu einem dreieckigen Prisma zusammen, welches sich um eine Achse drehte, so daß dann die drei Reihen schnell hinter einander losgeschossen werden konnten. Bis diese drei Seiten wieder geladen und verwendungsfähig waren, dauerte es allerdings dann eine lange Zeit.

Diesen Beispielen von Hinterladern, Revolvern und Mitrailleusen aus dem 15. Jahrhundert reihen sich in den verschiedenen Waffensammlungen, namentlich in der des Germanischen Museums, solche aus allen folgenden Jahrhunderten an. Obgleich sich indessen aus der späteren Zeit natürlich viel mehr Feuerwaffen erhalten haben, als aus der früheren, so finden sich darunter doch verhältnißmäßig wenige der geschilderten Art. Es scheint, daß man im 16. Jahrhundert, nachdem man im 15. zwischen dem Vorder- und Hinterlader geschwankt hatte, sich ganz entschieden auf die Seite des ersteren stellte, und daß Hinterlader nur selten mehr zur praktischen Verwendung gelangten, sondern höchstens noch angefertigt wurden, um den Witz des Zeugmeisters namentlich den Laien gegenüber glänzen zu lassen. Zu Anfang unseres Jahrhunderts waltete noch dasselbe Verhältniß ob; ein im Germanischen Museum befindliches, für Napoleon I. hergestelltes Hinterladergewehr bezeugt, daß auch dieser große Feldherr sich mit der Frage, ob Hinterlader oder Vorderlader, befaßte, aber doch an letzterem festhielt.

Ein Repetiergewehr – Hinterlader – kannten im 17. Jahrhundert zwei Nürnberger Bürger, Bernhard Oßwaldt und Jakob Putz, und Kaiser Leopold I. ertheilte ihnen im Jahre 1674 ein Privilegium darauf. Dieses Geschwindstück konnte man mit 1, 2, 3, 4, 5 und 6 Kugeln laden, je nachdem man es für wünschenswerth erachtete, und die Geschosse dann nacheinander losschießen. „Dahero zum Exempel, wenn 20 Mann mit der alten Art Musketen auf 3 Salva mit 60 Schuß Pulver 60 Stück Kugeln brauchen, so kann hingegen mit dieser neuen Art ein Mann allein eben in solcher geschwindter Zeit, als die 3 Salva verricht werden, zehen Schuß prästieren, und jedesmal in den zehen Schüssen zu 6 Kugeln auch 60 Kugeln verschießen.“ Die Privilegiumsinhaber wie der Kaiser versprachen sich von dieser Erfindung große Vortheile für die „werthe Christenheit“ im Kampfe gegen den Erbfeind, die Türken. Die Geschichte weiß aber von Erfolgen, die mit Hilfe dieser neuerfundenen Waffe erzielt worden wären, nichts zu berichten! H. B.      

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_578.jpg&oldid=- (Version vom 1.12.2022)