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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Brut, die in der Anstalt selbst ausgesetzt wird, kommt in Teiche, von denen das Fischgut Seewiese nahe an 30 enthält, die thalaufwärts an beiden Seiten des Fischbachs angelegt sind.

Der Bach ist am oberen Ende der Besitzung durch ein Wehr abgeschlossen, und von hier aus strömt das Wasser nach rechts und links beständig durch die Teiche – eine dritte Leitung geht nach dem Bruthaus. Ein Theil der Teiche ist der Aufzucht der jungen Brut gewidmet, in den anderen befinden sich, nach Gattungen und Jahrgängen geordnet, die größeren Fische, 6 Teiche werden allein von dem „Laichmaterial“ beansprucht, den Thieren, welche im Herste die Anstalt wieder mit Eiern versehen sollen. Die Teiche haben – damit das Wasser leicht vollständig abgelassen werden kann – geneigten Boden, sind am unteren Ende drei Meter tief und sämmtlich mit Schutzvorrichtungen gegen Verschlammung, Hochwasser etc. versehen. Dort wo das Thal sich verbreitert und der Waldschatten spärlicher wird, ist stellenweise Baum und Busch gesetzt, und kleine Inseln mit Strauchwerk beschatten die größeren Teiche von ihren Mittelpunkten aus – zugleich locken sie die Insekten an, die ja von den Forellen bekanntlich mit besonderer Vorliebe geschmaust werden. In jedem der Teiche befindet sich überdies – einen halben Meter unter dem Wasserspiegel – ein Speisetisch, auf welchem den Herrschaften ihre Mahlzeit vorgesetzt wird, was übrigens nicht geschieht, um ihnen „Lebensart“ beizubringen, sondern weil es praktisch von größter Bedeutung ist. Man kann sich auf diese Weise überzeugen, wie ihr Appetit beschaffen ist, und andererseits ist dafür gesorgt, daß das Futter nicht im Teiche liegen bleibt, dort in Fäulniß geräth und so das Wasser und damit die Fische schädigt. Eine Wanderung von Teich zu Teich, während die Tafeln besetzt werden, bietet ein Vergnügen eigener Art, und ich habe mir die Gelegenheit denn auch nicht entgehen lassen, mich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie gut es den Zöglingen von Seewiese schmeckt. Man bekommt wahrhaftig selber Appetit, wenn man ihnen so zusieht, und gefährliche Visionen von blaugesottenen Forellen, thymianduftenden Aeschen und braunen Karpfen stellen sich ein. Zuletzt kostete es auch wirklich ein paar der munteren Gesellen das Leben.

Zu dem Fischgut gehören übrigens auch noch einige außerhalb der Besitzung gelegene Teiche, in denen Karpfen einquartiert sind. Auch sind in der Umgebung Fischereien gepachtet: so die der Schondra, 53 Kilometer lang, dann eine Strecke der Sinn und der Jossa.

Die Erkenntniß, daß die Entvölkerung unserer Fischwasser ein erheblicher Schaden für unser Nationalvermögen ist, verbreitet sich in immer weitere Kreise, es steht aber glücklicherweise in unserer Macht, diesem Schaden entgegenzuarbeiten. Und wie häufig bieten sich dem Landwirth ertragslose Flächen, die ohne große Kosten in nutzbare Fischwasser umgewandelt werden könnten! Das ist natürlich nur möglich, wenn man geeignetes Zuchtmaterial beziehen kann, und in Seewiese hat man denn auch bereits erfreulicherweise alle Hände voll zu thun. Die Besitzer des Fischgutes, die Herren Oberstlieutenant v. Derschau und G. Schellhorn-Wallbillich, werden für ihre Mühen und ihre Opfer durch das ihnen aus allen Welttheilen entgegengebrachte Vertrauen reichlich belohnt, und wenn man, gleich mir, längere Zeit in Seewiese verbringt, dann bekommt man nicht bloß Visionen von blaugesottenen und gebackenen Flossern, man fühlt auch die Lust erwachen … Briefmarkensammler zu werden.

Aber nun zum Schluß, denn wir wollen ja nicht bloß Fische studieren, sondern auch Berge, Thäler, Menschen. Und so nehmen wir Abschied von dem Rieseln und Rauschen und steigen rhönaufwärts in die einsamen Wälder, wo in der Morgenstille noch der Auerhahn balzt. Und dann hinunter nach Kissingen, wo uns vielleicht wieder eine Forelle aus Seewiese begrüßt … blau gesotten natürlich!


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Der Amateurphotograph.

Skizze aus dem Familienleben von Hans Arnold.


Wer kennt nicht die nützliche, bisweilen auch unbequeme Einrichtung der „Steckenpferde“? Ich meine nicht die langen Stäbe, an denen oben ein Pferdekopf edelster Rasse mit Zaumzeug und Zügel befestigt ist und auf denen unsere kleinen Kavalleristen unter dem zehnten Lebensjahr durch die Stuben zu toben lieben – ich meine die Steckenpferde, die auch von älteren und alten Leuten mit Vorliebe bestiegen und getummelt werden, die, kurz gesagt, eine etwas überwuchernde Leidenschaft für eine oder die andere Beschäftigung oder einen und den anderen Gegenstand bedeuten.

Es giebt Zeiten und Persönlichkeiten, denen gegenüber die Steckenpferde sich als geradezu unentbehrlich und unschätzbar erweisen – wer hätte es nicht schon gesegnet, wenn sein Junge in den Ferien auf den geräuschlosen Sport des Briefmarken- oder Siegelsammelns gerieth und dieses Pferdchen in allen Gangarten tummelte! Wer fühlte sich nicht zur Dankbarkeit gestimmt, wenn der Vater des Hauses in beschäftigungslosen Urlaubs- oder sonstigen Freizeiten auf das „Gärtnern“ verfällt und von früh bis abends stumm und krumm Unkraut ausjätet, Blumen gießt oder Obst abnimmt!

Die Familie des Landgerichtsraths Scharff hatte in ihrem Marstall für Steckenpferde bisher noch nicht viel Exemplare aufzuweisen gehabt. Daß die Frau des Hauses, trotz ihrer drei Kinder, unglaublich „thierlieb“ war und einen großen Hund sowie einen Papagei besaß, konnte freilich für eine Familienmutter als ungewöhnlicher Zug und somit als Steckenpferd bezeichnet werden. Die Neigung forderte diese Benennung um so gebieterischer heraus, als beide Hausthiere auf den Unparteiischen nicht den geringsten Zauber ausübten.

Der Hund, ein greulich dreinschauender Köter, der auch nicht die leiseste Andeutung irgend welcher Rasse besaß, war fast so lang wie ein Klavier und führte den süßen Namen „Darling“, der ihm als sechs Wochen altem Hundebaby sehr nett zu Gesicht gestanden haben mochte, mit seinem jetzigen Aeußern verglichen aber als der reine Hohn erschien. Rechnet man dazu, daß „Darling“ die berechtigte Eigenthümlichkeit hatte, alles, was ihm in den Weg kam, von dem Fuchsteppich im Wohnzimmer bis zu den Filzpantoffeln des Hausherrn, anzufressen und zu benagen, so wird man die Summe seiner geselligen Talente und Vorzüge etwa erschöpft haben.

Der Papagei entwickelte seinerseits eine hervorragende Anlage, sich in jeder denkbaren Lage verhaßt zu machen.

War er im Käfig, so schrie er so laut und eintönig nach Freiheit, daß man ihn schließlich vor Verzweiflung der Haft entließ. War er aber draußen, so wanderte er boshaft und krummbeinig an der Erde umher, hackte nach allem, was ihm in den Weg kam, kletterte mit Gewandtheit zur Essenszeit auf den gedeckten Tisch und stattete den einzelnen Tellern der Speisenden kleine, freundschaftliche Besuche ab, die man aus Angst vor seinen Schnabelhieben ertrug. Eine jeweilige Tracht Prügel mittels einer Federpose oder einer hölzernen Stricknadel brachte keine wesentliche Verbesserung seines Betragens hervor. Daß er sagte: „Gieb einen Kuß!“ und sich bei guter Stimmung etwa vierzig Mal in der Minute krächzend erkundigte: „Bist Du mir gut?“ stand zu seinen übrigen Charaktereigenschaften in zu grellem Gegensatz, um besondere Rührung hervorzurufen, besonders da diese Worte die einzigen in seinem Sprachschatze blieben und den Reiz der Neuheit bereits verloren hatten.

Der Landgerichtsrath befand sich denn auch, was ihm niemand verdenken wird, in einem Zustand gereizter Gegnerschaft gegen den Krummschnäbler und versicherte öfters, er könnte sich ihn allerliebst in gebratenem oder ausgestopftem Zustand denken. Der Papagei erwiderte diese Empfindung insofern von Herzen, als er entschieden sich als Hausherr fühlte und den Vater im besten Falle mit überlegener Miene duldete – im schlechteren Falle aber in die Finger biß und ihm die Federhalter an- und auffraß.

Um den braven Mann zu beschwichtigen, hatte seine Frau ihm denn seinerseits ein Steckenpferd beizubringen versucht, und zwar, indem sie ihm zum Geburtstag einen photographischen Apparat nebst allen dazugehörigen Chemikalien und sonstigen Verschmitztheiten schenkte. Der diplomatische Schachzug glückte über Erwarten. Der glückliche Besitzer des Apparates warf sich mit einer Leidenschaft aufs Photographieren, die es zweifelhaft

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_596.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2024)