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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


an den Leib, als wenn er sich mit Aufwand aller Kräfte zurückhielte. „Pflicht ... in Deinem Munde!“ fuhr er höhnisch auf. „Aber er hat gar keine Pflicht gegen mich, der Hans. Für was denn? Wozu denn? Laß Dich nicht einschüchtern von dem Kerl,“ wandte er sich an den Sohn, „alles Humbug! Er wird sich hüten, mich anzuzeigen. Wie Du nur auf den groben Leim gehen konntest!“

„So! So!“ antwortete Holzmann. „Nun ja, Vater und Sohn müssen zusammenhalten, Respekt davor! Wenn ich Ihnen aber sage, daß der Herr Papa jetzt eben gekommen ist, um mir selbst einen Antrag zu –“

Jakob stieß den Fuß auf, daß der Kalk von der Decke fiel, und schleuderte Holzmann einen wüthenden Blick zu, der es diesem gerathen erscheinen ließ, mitten in seiner Rede abzubrechen.

„Laß den Wicht da doch seine Anzeige machen!“ donnerte der Alte. „Wegen meiner wirst Du ihm doch nicht den Narren machen. Und wegen Deiner – das ist auch nur Einbildung; was soll es Dir schaden, wenn die Geschichte bekannt wird? Es kann ja mehr Davis’ geben! Ja, wenn Du das Mädel herumgekriegt hättest, die Claire, die jetzt den Grafen heirathet, dann – dann wär’s was anderes!“

„Sie heirathet aber nicht den Grafen, sie liebt mich, und ich – ich kann, ich darf nicht um sie werben, ehe ich nicht frei bin von den Fesseln, die Du mir angelegt hast durch die unselige That. Darum bin ich hier.“

Jakob ließ sich schwer auf einen Sessel fallen. Auch Holzmann war verblüfft. „Gratuliere, gratuliere!“ rief er dann zu Hans gewendet. Ich sag’ es ja, ein Mensch wie Sie! Aber was machen Sie denn da lange Geschichten? Für den Mann des Fräulein Berry ist es doch nicht schwer, ein Abkommen zu treffen mit einem armen Teufel, wie ich einer bin! Glaubeu Sie aber nicht, mich mit einer Bettelsumme abfinden zu können, eine Gelegenheit wie diese kommt für mich nie wieder. Kurz und gut – Sie verschaffen mir im Geschäft Ihres Schwiegervaters ein einträgliches und nicht zu anstrengendes Pöstchen, eine Aufseherstelle oder so etwas, zur Sicherung für meine alten Tage –“

Burg Schwaneck an der Isar.
Zeichnung von O. Strützel.

„Was sagen Sie da – ich soll Sie Herrn Berry ins Haus . . . das wagen Sie einem ehrlichen Manne zu bieten!“

„Ja wenn Sie so gar ehrlich sind, dann ist allerdings schwer handeln! Was wollen Sie denn dann eigentlich bei mir? Ihr Vater und ich, wir waren im besten Zuge, alles ohne Sie zu ordnen – dem Herrn Papa liegt ja auch alles daran, obgleich er nicht so thut. Wenn sich nur mit Ihnen reden ließe! Na, lassen wir’s ... Also übermorgen wird der leichtsinnige junge Berry begraben? Nachmittags? Natürlich großes Leichenbegängniß ... die Arbeiter, die Beamten, die ganze Familie? Und man hat wohl nicht einmal Zeit gehabt, die Villa ordentlich in Stand zu setzen und die Gerüste, die ich neulich gesehen habe, abzuschlagen?“

„Was hat denn das mit unserer Angelegenheit zu thun?“ fragte Hans überrascht.

„O nichts, nichts; es ging mir nur gerade so durch den Kopf.“

„So schweig’ mit dem Unsinn!“ mischte sich jetzt der Alte wieder ins Gespräch, in drohender Haltung an Holzmann herantretend. Und Du, Hans, hast ganz recht, Du kannst auf den Vorschlag von Holzmann nicht eingehen. Ueberlasse mir das ganze Geschäft, ich habe Dich hineingebracht, ich will Dich auch wieder herausbringen. Kümmere Dich nicht weiter darum; Holzmann wird so klug sein, sich mit meinem Vorschlag zufrieden zu geben, sonst könnt’s leicht sein, daß mich einmal die Wuth packt und ich ein anderes End’ mache. Trau’ mir nicht zu weit, Holzmann, es geht mir jetzt bis da ’rauf!“ Er machte mit dem Finger einen Strich unter dem Munde und in seinen Augen flammte es unheimlich.

„Narr!“ erwiderte Holzmann, „als ob die Sach’ nicht auch mein eigener Vorschlag wär’!“

„Welche Sache denn? Ich muß sie hören!“ forderte Hans mißtrauisch.

„Nein, Du hörst sie nicht,“ entgegnete der Alte. „Du hast gar nichts damit zu thun, und geht’s aus, wie es mag ... frei bist! Mehr braucht Dich nicht zu kümmern; zuviel Wissen macht Kopfweh! Jetzt geh’ und träume von Deinem Schatz!“

„Ich muß den Vorschlag erfahren, eher gehe ich nicht!“ rief Hans entschlossen.

Jetzt trat Holzmann vor, der im Hintergrunde lauerte und hinter dem Rücken von Hans dem Alten zugewinkt hatte. „Nun, warum thust denn so geheimnißvoll, daß Dein Sohn meinen muß, es stecke wieder eine Lumperei dahinter. Ein Geschäft wollen wir zusammen gründen, ein ganz einträgliches Geschäft, bei dem der Herr Papa für mich eine unentbehrliche Kraft ist; dafür streich’ ich Sie aus meinem Schuldbuch. Das ist alles.“

„Und warum verschweigen Sie die Art des Geschäftes?“ fragte Hans erregt.

„Die Art?“ Holzmann spuckte aus und schob den Cigarrenstummel in die andere Ecke des Mundes. „Nu, wissen Sie, die Art ist gerade keine sehr noble, ich möcht’ fast sagen, ein bißl schmutzig, aber einträglich, einträglich –“

„Und ehrlich, nicht wahr, Vater?“

Holzmann wandte sich auf dem Stiefelabsatz herum zu dem Alten, der im Hintergrund stand.

„Und ehrlich,“ tönte es dumpf von dort wie ein schwerer Seufzer.

„Und ich werde Dich unterstützen mit meinem eigenen Verdienst, das darf ich ja, auch insgeheim. Dann fängst Du etwas anderes an, ein richtiges Geschäft, und dann – wenn die alten Geschichten gebüßt und vergessen sind, dann kommst Du und lebst still Deine alten Tage in unserer Nähe. O, alles wird gut werden, alles wird vergeben und vergessen sein.“ In seiner blinden Freude, auf so unerwartete Weise von der erdrückenden Last befreit zu sein, ließ Hans jedes Mißtrauen fahren und sah die Zukunft im rosigsten Lichte.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte der „Schwarze Jakob“ auf seinen Sohn, der in diesem wüsten Raume verlockende, nie geschaute Bilder vor sein Auge zauberte – ein blühenbes Geschäft, in dem er nach Herzenslust schaffen konnte, er selbst umgeben von der Liebe seiner Kinder, alles vergeben, vergessen . . . und die gute arme Mutter versöhnt herabschauend auf all das Glück und den Segen! Plötzlich schnitt ein häßliches Lachen Holzmanns die schönen Bilder entzwei – er stöhnte auf wie ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 660. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_660.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2021)