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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

wandert, ist der Marsch ein mühseliges Stück Arbeit. Oft muß man die Halme mit den Armen auseinanderbiegen, geknickte, die im Wege liegen, forträumen, und dann kommt man mit den schilfartigen, harten und scharfkantigen Blättern in Berührung[,] die einem empfindliche Schnittwunden beibringen. So wird man von den Seiten bedroht; andere lästige Ueberraschungen kommen von oben.

Das vom unteren Kongo gebildete Pockockbecken.

In den frühen Morgenstunden, der Zeit, in der man in Afrika am zweckmäßigsten marschiert, hängt der Thau an den Gräsern und seine Tropfen fallen auf die Dahinziehenden wie ein förmlicher Regen herab. Selbst wenn man die Vorsicht anwendet, die halbnackten Neger vorauszuschicken, damit sie den ersten Guß empfangen, und am Ende der Karawane marschiert, entgeht man dem Uebel nur theilweise; es hängen noch Tropfen genug, um die leichte Kleidung in der kurzen Zeit von einer halben Stunde gründlich zu durchnässen.

Ist aber trockenes Wetter, dann spenden die hohen Halme einen anderen Regen: bei jedem Anstoßen an die harten Halme fallen spitzige Grannen und stachlige Samen auf den Wanderer herab, dringen zwischen Wäsche und Haut, bohren sich in die letztere ein und erzeugen das lästigste Jucken, in schlimmeren Fällen selbst leichtere Hautentzündungen.

Auch am Boden sind dem Reisenden mitunter Schlingen gestellt; wie unsere Winden an Wegrainen und Getreidefeldern an den Halmen emporklettern, so streben auch hier Schlingpflanzen an den starren Gräsern in die Höhe. Die Ranken derselben sind fest wie Schnüre, und da sie sich auch am Boden des Pfades ausbreiten, so verwickeln sich darin oft Mensch und Thier.

So ist die hohe Grassavanne zur Zeit ihrer vollen Entwicklung beschaffen, und so zieht man durch sie dahin. Die Poesie, die über den Prairien webt, fehlt ihr, das Bild weidender Herden paßt nicht in ihren Rahmen, und undenkbar ist hier die Erscheinung des flotten Reiters, der auf feurigem Rosse dahinsprengt wie der Sohn der ungarischen Pußta oder der Indianer des amerikanischen Westens. Nicht immer erreicht jedoch der Graswuchs die geschilderte Höhe, häufiger bleibt er niedrig, etwa ein Meter hoch, und dann gleicht die Grassavanne dem wogenden Getreidefeld.

Stammloser Affenbrotbaum.

Sie erscheint aber überall, wo Klima und Boden ihr günstig sind – in Tiefebenen und auf Hochplateaus; sie klimmt Anhöhen und Berge hinan, die dann ein kahles Aussehen haben, wie beispielsweise die Berge am unteren Kongo, wo nur in tiefen Schluchten Busch- und Baumwaldungen vorhanden sind. Ein Blick auf die Abbildung des Pocockbeckens belehrt uns über den Charakter eines steppenartigen Gebirgslandes.

Selten hat die Savanne auf weitere Strecken das eintönige Aussehen der Steppe. Zu den Gräsern gesellen sich zunächst Büsche, in den meisten Fällen auch vereinzelte Bäume. – Unser Hauptbild zeigt uns die Savanne von Kinsembo, die mit Palmen der Hyphaeneart und kandelaberartigen Euphorbien durchsetzt ist. Zu ihnen tritt auch die Oelpalme, deren Samen von Thieren hierher verschleppt wird. Ein hervorragender Charakterbaum der offenen Landschaft ist ferner in vielen Theilen Afrikas der Affenbrotbaum, der Baobab, welcher sich zu ungeheurer Größe entwickeln kann und in der Grasflur wie die Eichen auf unseren Hutungen dasteht. In den wasserarmen Steppen Darfors wird sein Stamm während der Regenzeit mit Wasser gefüllt, das dann in der Trockenzeit zur Verwendung gelangt. Ein einziger solcher Riesenbaum kann bis zu 100 Kamelladungen Wasser halten, also 400 Centner, da in jenen Gegenden 4 Centner auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 663. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_663.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2023)