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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Die Kolumbusfeier in Genua. (Zu dem Bilde S. 648 u. 649.) Zehn Städte Italiens haben sich um die Ehre gestritten, die Wiege des kühnen Entdeckers einer neuen Welt beherbergt zu haben, die geschichtliche Forschung hat, soweit sie entscheiden konnte, Genua den Sieg zugewiesen – Kolumbus trägt den Beinamen der „große Genuese“. Dort in Genua nun hat man in den Tagen vom 8. bis 14. September durch glänzende Feste das Andenken gefeiert jener ersten entscheidenden Entdeckungsfahrt von 1492, die nicht nur für Amerika selbst, sondern auch für die Völker Europas den Anbruch einer neuen Zeit darstellt. Die internationale Bedeutung des Kolumbus, die darin liegt, ist denn auch in Genua zum machtvollen Ausdruck gekommen – von den Schiffen, die im Hafen der herrlichen Rivierastadt sich sammelten, wehten die Flaggen fast aller europäischen, der hauptsächlichsten amerikanischen Staaten. Unser Bild hebt aus der Reihe jener Festlichkeiten die Vorgänge vom 8. September heraus: die Einfahrt des Königs von Italien an Bord der „Savoia“ und dessen Begrüßung durch die festlich beflaggte Flotte – links außen ist das von Deutschland entsendete Kriegsschiff, die „Prinzeß Wilhelm“, sichtbar – ferner die glänzende Beleuchtung von Stadt und Hafen am Abend desselben Tages.

„Schiff in Noth!“ Vor etwas mehr als Jahresfrist hat die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ die Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens zu Berlin festlich begangen. Es ist bei diesem Anlaß dem deutschen Volke aufs neue eindringlich zum Bewußtsein gebracht worden, welch’ einen Schatz es in dieser Gesellschaft besitzt, und wie stolz es sein darf auf eine so herrliche Schöpfung des Gemeinsinns. Man hätte erwarten dürfen, daß diese Feier mit all den begeisterten Aeußerungen der Anerkennung, welche sie im Gefolge hatte, auch in einem Zuwachs an neuen Mitgliedern und in gesteigerter Opferwilligkeit ihre Wirkung äußern werde. Leider ist dem aber nicht so – zu unserer Beschämung muß es gesagt werden! Wie der neueste Jahresbericht der Gesellschaft ausweist, ist die Zahl der Mitglieder in dem Geschäftsjahr 1891/92 von 49 885 auf 49 446 zurückgegangen, während sich die Einnahmen gleichzeitig um mehr als 10000 Mark verminderten. Wohl wissen wir, daß eine Reihe äußerer Umstände angeführt werden kann, welche diese Erscheinung erklären und entschuldigen sollen. Wohl wächst der Wettbewerb der örtlichen Vereine wohlthätiger Art, wohl muß der allgemeine Druck, welcher auf dem Erwerbsleben der Gegenwart lastet, auch in den Summen sich aussprechen, die für gemeinnützige Zwecke erübrigt werden können. Wir meinen aber, wenn gespart werden muß – hier, bei einer so edlen, im höchsten Sinne des Wortes humanen Sache ist nicht der Platz dafür. Wir meinen, dem Rettungsdienst an unseren deutschen Seeküsten, dem nunmehr beinahe 2000 Personen die Erhaltung ihres Lebens verdanken, bei dem Hunderte von wackeren Landsleuten ihr eignes Leben todesmuthig in die Schanze schlagen, darf niemand seine Beihilfe entziehen; im Gegentheil, es sollten immer mehr die Hand aufthun, um nach ihren Kräften beizusteuern für die Forterhaltuug und Weiterführnng des großartigen Liebeswerkes. Wir haben zu unserem deutschen Volke das Vertrauen, daß der Ruf, der hier an seine Hochherzigkeit ergeht, nicht ungehört verhalle, daß seine werkthätige Theilnahme aufs neue und in stetig steigendem Maße dem Verein sich zuwende, der so edle Ziele verfolgt.

Burg Schwaneck. (Zu dem Bilde S. 660.) Uuweit der Station Großhesselohe, wenige Kilometer südlich von München, erhebt sich auf luftigem Hügel über dem malerischen Jsarthal das reizende Schlößchen Schwaneck. Es ist keine alte Ritterburg, so sehr es die Formen einer solchen nachahmt; es stammt erst aus neuerer Zeit, und kein geringerer als Schwanthaler, der Schöpfer der „Bavaria“ in München und so vieler anderer herrlicher Werke der Plastik, hat es einst für sich erbaut. Leider konnte der kränkliche Meister nur selten auf seinem schönen Besitz verweilen und sich an dem entzückenden Ausblick auf das breit hingelagerte München, auf das Jsarthal und auf die fernen Kämme der Alpen erquicken. Ein schweres Gichtleiden fesselte ihn monatelang ans Bett und in den letzten Jahren seines Lebens ganz an den Rollsessel.

Schwaneck ist neuerdings in andere Hände übergegangen und dem Fremden nicht mehr geöffnet. Unten zieht die neu eröffnete Jsarthalbahn vorüber, die den Strom der Reisenden an so manchem anderen hübschen Punkte vorbei nach Wolfratshausen führt. Von dort noch eine kurze Wanderung und wir stehen am villenbesäten Gestade des Starnberger Sees!

Fahrbahre Desinfektionsanlagen. (Zu dem Bilde S. 661.) Die Frage der Desinfektion ist durch den heimtückischen Einbruch der Cholera für ganz Deutschland von zwingendstem Interesse geworden; es hat sich dabei, abgesehen von dem, was der einzelne in seinem Hause unmittelbar zur Desinfektion beitragen kann und muß und was weiterhin die festen öffentlichen Desinfektionsanstalten zu leisten vermögen, als äußerst wünschenswerth herausgestellt, gute fahrbare Desinfektionsanlagen zu besitzen; denn auf diese Weise kann man die verseuchten Gegenstände an den betreffenden Häusern selbst desinfizieren und in vielen Fällen den umständlicheren, eine Verschleppung der Ansteckung nicht in gleichem Maße ausschließenden Transport zu den Desinfektionsanstalten umgehen. Unsere Abbildung zeigt nun als Beispiel derartiger fahrbarer Anlagen einen Desinfektionswagen, wie ihn die Firma Oskar Schimmel u. Co. in Chemnitz herstellt. Der cylinderförmige Desinfektionsapparat ist mit dem Dampfentwickler und allem Zubehör auf einem kräftigen Fahrgestell befestigt, das von zwei Pferden gezogen wird; in seinem Inneren befindet sich ein bewegliches Gerippe, an dem die verseuchten Gegenstände befestigt werden und das ein bequemes Einschieben und Herausnehmen derselben gestattet.

Der Apparat ermöglicht neben einer gründlichen Desinfektion durch strömende Wasserdämpfe eine Vorwärmung und Nachtrocknung der Desinfektionsgegenstände, sowie deren Lüftung nach der Desinfektion, so daß sie vollständig trocken und geruchlos und ohne durch die Wasserdämpfe gelitten zu haben wieder zum Vorschein kommen. Dabei ist die Ventilation der Anlage so eingerichtet, daß die aus dem Innern abziehenden Dünste unter dem Feuer des Dampfentwicklers durchmüssen, und hier verzehrt werden. Die Bedienung der ganzen Anlage ist eine höchst einfache und könnte in den Städten einer besonders zu diesem Zwecke gebildeten Desinfektionskolonne entnommen werden, die an den bedrohten Punkten, ähnlich wie die Feuerwehr mit ihren Spritzen, mit ihren Wagen rasch zur Stelle sein würde. Besonders empfehlenswerth aber ist die Anschaffung derartiger Desinfektionswagen in ländlichen Verhältnissen, wo es an einer ständigen Desinfektionsanstalt fehlt; denn wenn auf irgend einem Gebiet so rächt sich gerade auf dem der ansteckenden Krankheiten und vor allem der Cholera jede Versäumniß in der öffentlichen Gesundheitspflege.

Chlodwigs Uebergang über den Main. (Zu dem Bilde S. 672 und 673.) In den ältesten Ueberlieferungen der Völker spielen die sogenannten „ätiologischen Legenden“ eine große Rolle. Ein Name, ein Brauch fordert Erläuterung – flugs ist die schaffende Phantasie bei der Hand, sie in irgend einem Ereigniß aus altersgrauer Zeit zu geben. So hat auch der Name „Frankfurt“ – Frankfurt a. M. ist gemeint – früh zu mannigfaltigen Versuchen einer geschichtlichen Deutung geführt, da man an der einfachsten Lösung „Furt im Frankenlande“ sich nicht ohne weiteres genügen lassen wollte.

Eine dieser Deutungen hat dem Maler A. Zick den Stoff zu seinem kraftvollen Bilde „Chlodwigs Uebergang über den Main“ geliefert. Nach dem großen Siege über die Alemannen im Jahre 496 verfolgte Chlodwig die Geschlagenen über den Rhein und Main. Als er an den letzteren Strom kam, da soll ihm eine Hirschkuh die Furth über den Main gezeigt haben – und daher habe die „Frankenfurt“ ihren Namen erhalten.

Marienfest. (Zu unserer Kunstbeilage.) Es ist etwa vier Jahre her, seit der Name „Benlliure“ in Deutschland plötzlich Berühmtheit erlangte. Damals, im Jahre 1888, erregte auf der Münchener Jubiläumskunstausstellung ein Bild großes Aufsehen, welches die Bezeichnung trug „Eine Vision im Kolosseum“; es wirkte nicht bloß durch seine riesigen Maße, seinen phantastischen Stoff, sondern auch durch eine ganz eigenartige, effektvolle Farbengebung und verrieth mit zwingender Deutlichkeit, daß man es hier mit einem Meister ersten Ranges zu thun habe. Der Maler war ein in Rom lebender Spanier, José Benlliure y Gil, in Valencia 1855 geboren, also ein verhältnißmäßig noch junger Mann. Man erfuhr über ihn weiter, daß er ein frühreifes Wunderkind war, das schon in zartester Jugend unter des Vaters Leitung sich im Zeichnen übte und im neunten Lebensjahr Bilder zu malen begann. Mit vierzehn Jahren war er zu seiner weiteren Ausbildung nach Madrid und 1878 nach Rom übergesiedelt.

Jenes phantastische Bild, auf dem sich die Opfer der Arena in der Nacht von Allerseelen ein Stelldichein in den Ruinen des römischen Amphitheaters geben, bezeichnet nur eine Seite von Benlliures künstlerischer Thätigkeit. Fast mehr noch zog ihn die Darstellung der farbenschimmernden Kirchenfeste seiner Heimath Valencia an. Die Pracht der Gewänder, die seltsam gebrochenen und gefärbten Lichter, welche durch die gemalten Fenster der Kirche hereinfallen, der leise Dunst des Weihrauchs, die lieblichen Kindergesichter, die Abstufung der religiösen Stimmung auf den Gesichtern der Theilnehmer, das alles bot einem Koloristen wie Benlliure die reizvollsten Aufgaben. In die Reihe der Schöpfungen aus diesem Stoffkreis gehört auch das Gemälde, welches unsere heutige Kunstbeilage wiedergiebt. Auch dieses Bild hat auf deutschen Ausstellungen allgemeine Bewunderung gefunden, weshalb wir unseren Lesern einen Dienst zu erweisen glauben, wenn wir ihnen in der Reproduktion desselben eine Probe vorlegen von dem Schaffen des spanischen Malers.


KLEINER BRIEFKASTEN.


(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Richard K. in Hamburg. „Ein Pfund Sterling“ ist allerdings ein merkwürdiger Ausdruck, in welchem, wie in so manchem anderen, ein ganzes Stück Geschichte steckt. Das Wort „Sterling“ erzählt uns von uralten Handelsbeziehungen zwischen den Völkern im Mittelaiter, denn es heißt ursprünglich „Easterling“, das heißt östliche Münze, Geld der Hansestädte, welche schon im 11. und 12. Jahrhundert einen starken Handelsverkehr mit England unterhielten. Ein Pfund solcher Easterlinge wurde dann als Münzeinheit zwischen beiden Völkern angenommen und wandelte sich nach und nach zum national englischen Begriff. Die Goldkrone, der Sovereign, hat genau den Betrag eines Pfundes Sterling, aber neben der neuen Münze blieb der alte Name im Gebrauch und ist so zum geschichtlichen Denkmal geworden.

Fr. B. in Wismar. Wenden Sie sich an einen Augenarzt! Die künstlichen Augen aus Celluloid, welche der Zahnarzt Hamecher in Plauen i. V. anfertigt, werden von dem unseren Lesern wohlbekannten Gewährsmann auf dem Felde der Augenheilkunde, von Professor Dr. Hermann Cohn in Breslau, sehr empfohlen. Sie sind leicht, unzerbrechlich und lassen sich genau der Form der Augenhöhle anpassen, da man sie beliebig beschneiden kann. Doch unternehmen Sie nichts ohne den Rath Ihres Arztes!

Olifand. Leider nicht geeignet!

M. in Elbing. Die Unterschrift Ihrer Postkarte ist unleserlich. Geben Sie uns eine genaue, deutlich geschriebene Adresse, dann werden wir Ihnen brieflich antworten.

R. S. in H. Ihren Zwecken und Wünschen dürfte ein Werk entgegenkommen, das gegenwärtig im Verlag von Friedrich Wolfrum in Düsseldorf erscheint. Es führt den Titel „Möbel-Neuheiten“ und giebt neben den üblichen Ansichten der Einrichtungsgegenstände Detailzeichnungen in vollständiger natürlicher Größe zur unmittelbaren Verwendung in der Werkstätte und außerdem eine genaue Preisberechnung als Anhalt für den Tischler. Gerade diese beiden Eigenschaften entsprechen ja Ihren Forderungen.

H. H. in B. Der Schillerpreis kommt das nächste Mal im Jahre 1893 zur Verleihung. Eine Kommission von neun durch den preußischen Kultusminister ernannten Mitgliedern besorgt die Auswahl geeigneter Werke, ein Ausschuß von drei Mitgliedern prüft diese und berichtet darüber. Mitte September jedes Preisjahrs erfolgt die Entscheidung.

Ph. R. in Offenburg. Das ist leider nur zu wahr. Unter den „Schleichwegen“, auf welchen die ansteckenden Krankheiten verschleppt werden, erwähnt man nicht mit Unrecht auch die Leihbibliotheken und Lesezirkel. Sie lassen sich aber ebenso wenig abschaffen wie z. B. das Geld und tausend andere Dinge, an denen gleichfalls Ansteckungsstoffe hängen bleiben. Unser Bestreben kann nur darauf gerichtet sein, die Gefahr zu mindern und Vorsichtsmaßregeln anzuwenden. Neuerdings wurden solche von dem „British Medical Journal“ in Vorschlag gebracht. Dieselben gehen von der Voraussetzung aus, daß, wie dies bereits vielfach der Fall ist, eine Anzeigepflicht für ansteckende Krankheiten besteht und darüber Listen geführt werden. Diese Listen sollten nun den Leihbibliothekbesitzern zugestellt werden und diese müßten alsdann den betreffenden Abonnenten mittheilen, daß sie die Bücher nicht zurückgeben sollen, so lange das Haus nicht frei von ansteckender Krankheit ist. Die dann zurückkommenden Bücher sollten in einem eigens dafür gebauten Apparate desinfiziert werden.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_675.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)