Seite:Die Gartenlaube (1892) 765.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Elektricität und Luftschiffahrt im Kriege der Zukunft.
Von Bernhard v. Graberg. Mit Zeichnungen von O. Gerlach.

 Beim Legen eines Feldtelegraphen.

Die großen Erfindungen und Entdeckungen unseres Jahrhunderts haben selbstverständlich auch auf die Führung der Kriege einen bedeutenden Einfluß ausüben müssen. Dampf und Elektricität haben allen neueren Feldzügen ein ganz anderes Gepräge verliehen: die Schnelligkeit der Kriegsbereitschaft und die Truppenansammlung an den feindlichen Grenzen, die großartigen Nachschübe an Proviant, Munition und Ersatz waren allein das Werk der Eisenbahnen. Sie ermöglichten es, mit großen Heeren eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, – sie verkürzten also naturgemäß auch die Dauer der Kriege. Die Anstrengungen der Großstaaten, alle waffenfähigen Männer zu Soldaten zu machen, wären ein Hirngespinst, wenn die vielen Schienenwege nicht auch gestatten würden, die Heeresmassen durch Zufuhren aus dem eigenen Lande zu ernähren, sie auszurüsten und zu ergänzen. Die Grenze für die Stärke der fechtenden Heere lag zu allen Zeiten in der Möglichkeit ihrer Ernährung und Erhaltung; auch Friedrich der Große und Napoleon durften die Truppenmassen nicht über die durch den voraussichtlichen Kriegsschauplatz gegebenen Verhältnisse hinaus steigern, und als der französische Kaiser 1812 im Kriege gegen Rußland sein Riesenheer nach Moskau führte, ohne durch genügende rückwärtige Verbindungen für einen gesicherten Unterhalt desselben gesorgt zu haben, ereilte ihn für diesen Fehler die fürchterlichste Strafe.

Freilich konnten auch in den großen Kriegen im vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts durch Aufstellung mehrerer Heere, welche in verschiedenen Gegenden nach einem gemeinsamen Plane zu operieren hatten, größere Streitkräfte gegen den Feind zur Verwendung gebracht werden. Aber ihnen fehlte der elektrische Funke des Telegraphen, welcher die getrennten Theile zu Gliedern eines Körpers macht und mit welchem unser Moltke 1870/71 so meisterlich zu rechnen verstanden hat. Vorhergehende Verabredungen mußten für alle Kriegsfälle getroffen werden, wie für den Feldzug 1813 die sogenannte Trachenberger Uebereinkunft; eine verlorene Schlacht brachte aber alles ins Stocken. So bedurfte es der hohen Feldherrnkunst eines Gneisenau, um die infolge der Schlacht bei Dresden nach Böhmen zurückgegangene Hauptarmee zum erneuten Vordringen zu bewegen und zwei Monate später bei Leipzig das gemeinsame Schlagen der getrennten Heere zu ermöglichen. Und ebenso bewies der Krieg von 1814, in welchem das Genie Napoleons seine letzten Triumphe feierte, die ungemeine Schwierigkeit der Leitung räumlich weit getrennter Heere. Drei Monate brauchten die den Franzosen um das Dreifache überlegenen Verbündeten, um vom Rhein bis zur feindlichen Hauptstadt zu gelangen. Vergleichen wir damit die Kriege der Neuzeit, so waren deutscherseits die größten Heeresmassen 1870/71 in Frankreich vereint; in den fünf, oft Hunderte von Kilometern voneinander getrennt fechtenden Armeen wirkte aber nur ein Gedanke, welcher, aus dem Haupte des großen Strategen entsprungen, ihnen durch den elektrischen Draht eingehaucht wurde.

In künftigen Kriegen wird daher die Feldtelegraphie die wichtigste und vornehmste Anwendung der Elektricität für militärische Zwecke sein; sie auf den höchsten Grad der Vervollkommnung zu bringen, ist die Aufgabe jeder Kriegsverwaltung. Auch bei uns ist diesem so wichtigen Zweige des Nachrichtenwesens eine ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet worden; in Bezug auf das Material sind wir mit der Zeit fortgeschritten. Aber das wird bei den großen Anforderungen der Gegenwart allein nicht mehr genügen. Jeder andere zu militärischer Verwendung berufene Heerestheil geht vollständig vorbereitet in den Kampf, nur die Feldtelegraphie ist nicht in der Lage, sich durch unausgesetzte Friedensübungen vollkommen kriegsfertig auszubilden, weil für sie ein Friedensstamm nicht vorhanden ist. Erst bei der Mobilmachung wird das Personal für die Feldtelegraphie aus Ingenieuroffizieren, Mannschaften der Pionierbataillone und aus Beamten der Staatstelegraphen-Verwaltung zusammengesetzt. Nach den im letzten Feldzug gesammelten Erfahrungen und im Hinblick auf die Einrichtungen unserer muthmaßlichen Gegner ist auch bei uns die Errichtung eines Feldtelegraphencorps schon im Frieden eine dringende Forderung; dann erst werden die Telegraphenabtheilungen im Felde ihre schwierige Aufgabe voll zu lösen imstande sein.

Telegraph in der Vorpostenlinie.

Mit Beginn eines Krieges müssen sofort die äußersten von Truppen besetzten Punkte telegraphisch mit den nächsten deutschen Stationen verbunden werden, damit die Heeresleitung jederzeit genau über alle Vorgänge an der Grenze unterrichtet werden kann. Nach beendetem Aufmarsch der Armee beginnt dann die Hauptaufgabe der Feldtelegraphie, die vormarschierenden Corps und Heerestheile stets in Verbindung unter sich und mit dem Hauptquartier zu erhalten. Dieser Dienst fällt den Etappen-Telegraphenabtheilungen zu, welche den sofortigen Anschluß der gemäß der Vorwärtsbewegung der Truppen errichteten Feldstationen an die heimathlichen oder die bereits eroberten Staats-Telegraphenlinien des Feindes herzustellen haben. Außer dem strategischen Dienste der schnellen Befehlsbeförderung soll der Etappentelegraph das Mittel sein, sowohl in richtiger Weise alle Anordnungen für die Verpflegung der Armee zu treffen als auch den rechtzeitigen Munitionsersatz zu veranlassen und für die schnelle Rückbeförderung der Verwundeten und Gefangenen zu sorgen.

Während die Etappen-Telegraphenabtheilungen den einzelnen Oberkommandos zugetheilt sind, gehört zu jedem Corps für dessen inneren Telegraphendienst eine Feld-Telegraphenabtheilung. Diese hat die vormarschierenden Truppen mit den höheren Stäben in Verbindung zu erhalten, d. h. ihre flüchtigen Leitungen möglichst mit der Marschgeschwindigkeit der Truppen – das sind etwa

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_765.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2023)