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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

zersprengen, um ins Freie zu gelangen. Die untere Oeffnung des Ballons, durch welche derselbe auch gefüllt wurde, bleibt daher stets offen, damit das an Raum wachsende Gas ausströmen kann. Wir riechen auch das Gas in der Gondel, und dieser Umstand ist das sicherste Zeichen, daß wir nach aufwärts streben.

Bei einem länger dauernden raschen Steigen kann der nach abwärts in den Korb gerichtete Gasstrom für die Insassen gefährlich werden. Nur darin ist die Ursache der Opfer an Menschenleben zu suchen, welche wissenschaftliche oder andere Hochfahrten gefordert haben. Durch das entgegenkommende Gas wurden die kühnen Reisenden vergiftet und betäubt, trotz der vorsorglichen Mitnahme von Sauerstoff, dessen spärlicheres Vorhandensein in größeren Höhen man früher als die Hauptgefahr bei Hochfahrten ansah. Man darf demnach die beabsichtigte Strecke nach aufwärts nicht auf einmal zurücklegen, sondern muß zeitweise entsprechende Pausen einlegen, in welchen sich die Athmungsorgane wieder durch frische, gute Luft erholen können.

Bisher haben wir das Verhalten eines Ballons betrachtet, welcher prall gefüllt ist. Etwas verschieden hiervon sind die Bewegungen, wenn die Ballonhülle aus irgend einem Grunde nicht mehr vollständig mit Gas gefüllt ist, ein Fall, welcher bei jeder Ballonfahrt eintritt, wie wir weiter unten näher sehen werden.

Nehmen wir an, unserem Ballon von 1500 Kubikmetern Inhalt fehlen noch 50 Kubikmeter an einer vollständigen Füllung, und wir entlasten ihn um 10 Kilogramm. Er steigt nun fürs erste so hoch, bis das sich ausdehnende Gas die Hülle vollkommen ausfüllt, dann erhebt er sich noch soweit, bis die nun prall gewordene Hülle eine Luftmasse verdrängt, welche um 10 Kilogramm leichter ist als die gleiche Luftmenge in jener Höhe, in welcher der Ballon prall geworden war.

Woher kommt nun diese Erscheinung?

Nachdem wir, wohlgemerkt in diesem Falle nicht mit 1500 Kubikmetern, sondern nur mit 1450 Kubikmetern Gas wegfuhren, seien wir beispielsweise auf 150 Meter angelangt, in einer Höhe, in welcher jener prall gefüllte Ballon, wie wir gesehen haben, bereits sein Gleichgewicht erreicht hat. Nun ist allerdings auch unser jetziger Ballon in eine dünnere Luftschicht gekommen und das Gas hat im allgemeinen an Tragkraft verloren, allein eben infolge der dünneren Luft hat sich das Gas ausgedehnt und füllt nun die Hülle allmählich aus, bleibt also dem Ballon erhalten, während es im ersteren Falle aus der unteren Oeffnung abfloß. Es nimmt also die Tragkraft des Gases an und für sich ab, allein die Gasmasse im Ballon nimmt an Ausdehnung zu, und wenn wir mit Zahlen nachrechnen wollten, würden wir finden, daß unser Ballon auch auf 150 Meter immer noch 10 Kilogramm Auftrieb besitzt wie unten bei der Abfahrt, und so fort bis auf 300 Meter, wo er dann ganz ausgefüllt ist. Bis hierher ist auch die Geschwindigkeit nach aufwärts eine gleichbleibende, entsprechend der stetigen Größe des Auftriebes von 10 Kilogramm. Erst von hier ab zeigt der Ballon bis 420 Meter dasselbe Verhalten wie jener Ballon, der mit praller Hülle von der Erde abfuhr.

Und nun noch einige Worte über das Fallen des Ballons.

Wir haben gesehen, daß der Ballon sich in seiner Gleichgewichtslage befindet, wenn er sich nicht mehr nach aufwärts bewegt. Sobald nun der Auftrieb sich verringert, so sinkt der Ballon nach abwärts. Eine Auftriebsverminderung tritt in den weitaus meisten Fällen durch Abkühlung des Gases ein; infolge von Erniedrigung der Temperatur zieht sich das Gas zusammen, wird schwerer als im wärmeren Zustande. Eine solche Temperaturerniedrigung ist sehr häufig, und sie entsteht gewöhnlich dadurch, daß eine Wolke den Ballon beschattet, während er vorher von der Sonne beschienen war, oder dadurch, daß er aus einer tieferen und wärmeren Luftschicht in eine höhere und kältere eintritt.

Wenn nun der Ballon aus irgend einem Grunde, sagen wir um 5 Kilogramm, an Auftrieb verliert und zu sinken beginnt, so sollte man meinen, er müßte auch nach unten eine Gleichgewichtsgrenze finden; denn die Luft wird ja nach unten zu immer dichter; allein wenn man nachrechnet, so findet man, daß der Ballon, wenn er z. B. um 200 Meter gefallen ist, allerdings sich in einer Luftschicht befindet, welche schon so dicht ist, daß die Auftriebsminderung von 5 Kilogramm längst ausgeglichen sein müßte; allein die Gasmasse in der Hülle ist durch die dichter werdende Luft ebenfalls entsprechend zusammengedrückt worden, und wir dürfen jetzt nicht mehr mit 1500 Kubikmeter Gas rechnen, sondern mit weniger, so daß die Rechnung ergiebt, daß der Ballon, auch wenn er um 200 Meter herabgesunken ist, immer noch einen Auftriebsverlust von 5 Kilogramm zeigt wie in den früheren oberen Schichten. Er wird demnach immer tiefer sinken, bis er endlich den Boden erreicht. Dabei ist es gleichgültig, ob der Ballon um 1 Gramm oder um 10 Kilogramm an Auftrieb verloren hat; sobald er durch Auftriebsverlust ins Sinken kommt, fällt er unter normalen Verhältnissen bis auf die Erde. Nun ist auch der unangenehme Einfluß selbst der geringsten Abkühlung leicht zu erklären.

Was die Schnelligkeit betrifft, mit welcher diese Abwärtsbewegung vor sich geht, so ist dieselbe natürlich verschieden und richtet sich nach dem Verlust an Auftrieb. Doch hat sie noch ihre weiteren Eigenthümlichkeiten. Sie ist nämlich weder gleichmäßig, noch wird sie ähnlich der freien Fallbewegung gleichmäßig beschleunigt, sondern sie wächst zeitweise sogar über die Größe hinaus, welche der Auftriebsminderung entsprechen würde, nimmt aber dann wieder rasch ab, um von neuem anzuwachsen und so fort in stetem Wechsel. Es möge hierbei bemerkt werden, daß die größte Fallgeschwindigkeit unseres Ballons von 1500 Kubikmetern Inhalt, wenn wir denselben, ohne das Ventil zu ziehen, sich selbst überlassen, 4 Meter in der Sekunde nicht übersteigt, so daß wir, auch wenn der Ballon gerade im Maximum des Fallens die Erde erreichte, doch keinen stärkeren Stoß erleiden würden, als wenn wir von einem Stuhle herabsprängen.

Näher auf diese Erscheinung einzugehen, würde hier zu weit führen.

Und nun nach dieser etwas trockenen Abschweifung zurück zu unserer Fahrt.

Der Ballon hatte also zu fallen begonnen, worüber uns das Barometer belehrte; durch Auswerfen von 8 Kilogramm Sand haben wir den Ballon veranlaßt, nicht nur seine frühere Höhe von 700 Metern wieder zu ersteigen, sondern auch, entsprechend dem verausgabten Ballaste, noch um 100 Meter darüber hinauszugehen, so daß wir jetzt auf 800 Meter über dem Erdboden dahintreiben.

Diese Aufwärtsbewegungen des Ballons waren am Barometer unmittelbar abzulesen; indessen zeigt dieses ein Fallen oder Steigen nicht sofort an, und es ist deshalb angenehm, daß es noch andere Mittel giebt, mit deren Hilfe man den Eintritt oder das Vorhandensein einer Vertikalbewegung sofort erkennen kann. Ein sehr gutes Merkmal hat der Ballonfahrer an sich selbst. Sobald man nach abwärts die Höhe ändert, fühlt man einen schwachen, aber deutlichen Druck auf das Trommelfell, hervorgerufen durch den Ueberdruck der äußeren dichteren Luftschicht, während im Innern des Körpers noch die geringere Spannung der höheren Region anhält. Ein weiteres Anzeichen für eine Auf- oder Abwärtsbewegung bildet ein schwacher Luftzug in entgegengesetzter Richtung. Solange nämlich der Ballon die gleiche Höhenlage beibehält, macht sich nicht die geringste Luftbewegung bemerkbar, selbst wenn er mit dem schnellsten Sturmwind dahin treibt, da er dieselbe Geschwindigkeit wie die ihn umgebende Luft besitzt. Bewegt sich dagegen der Ballon in senkrechter Richtung, so wird sofort beim Fallen ein schwacher Luftzug von unten und beim Steigen ein solcher von oben fühlbar. Um nun diese Luftbewegung sofort deutlich wahrnehmen zu können, bringt man außen an dem Korbe mehrere Meter lange und kaum fingerbreite Streifen aus recht leichtem Papier an. Solange der Ballon die Höhe nicht verändert, hängen diese Streifen regungslos nach abwärts, nur durch ihre Struktur leicht gekrümmt; steigt er, so beginnen die Bänder zu zittern und strecken sich gleichzeitig in die Länge; macht er aber Miene, zu fallen, so wird das Zittern noch stärker, die Streifen krümmen sich immer mehr, nähern sich allmählich mit ihrem unteren Ende dem Korbrande und flattern schließlich lustig in die Höhe. Gewöhnlich ist jetzt erst das Fallen am Barometer bemerkbar. Diese Papierstreifen sind also ein ebenso einfaches wie feinfühliges Instrument.

Während wir nun im Vertrauen auf unsere ruhig hinabhängenden Papierschwänze mit Muße das unter uns wegziehende Gelände betrachten, kommt es uns vor, als rücke der breite Strom, dem wir eben zutreiben, mit seinen waldigen Ufern immer näher zu uns herauf, auch einzelne Häuser und Baumgruppen, welche gerade unter uns liegen, werden scheinbar immer größer und deutlicher. Ein Blick auf das Barometer läßt keinen Zweifel: wir fallen und haben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_856.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2024)