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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

ihrem Rauche das Denkmal. Jetzt ist der Zugang durch Mauervorbauten abgewehrt. Auf der Tafel selbst sind bloß die Titel des Kaisers deutlich erhalten. Der verstümmelte Schluß läßt nur errathen, daß der Kaiser sagen will, er habe sich mit diesem Bau durch eine schwierige Bergwelt Bahn gebrochen.

Zigeunerlager. 
 Die Trajanstafel.

Bevor die Schienenverbindung mit Orsowa, der Örtlichkeit jenseit der Strom-Engen, hergestellt war, haben Orientreisende nur zu oft die Annehmlichkeiten der Kataraktenstraße durchgekostet. Bei Niederwasser war an den Verkehr der großen Dampfer nicht zu denken. Landesübliche Fuhrwerke und kleine Dampfschiffe sorgten für die Weiterbeförderung der Passagiere. Erst in der rumänischen Station Turn-Severin konnten wieder die prachtvollen großen Eildampfer bestiegen werden. Nach jahrzehntelangen Bemühungen ist endlich das internationale Abkommen, welches die Beseitigung der Schiffahrtshindernisse zum Ziele hat, zustande gekommen. Seit einiger Zeit arbeiten da und dort, an der großen Prigrada-Bank am „Eisernen Thore“ sowohl als an den Bänken und Riffen zwischen Drenkowa und Milanowac, Felsenstampfer und Bohrflöße, Sprengschiffe und Baggermaschinen, es donnern die Minen, die Wasser stürmen gegen die ihnen unwillkommenen Dämme, dumpf rollen die Steinschüttungen in den unersättlichen Abgrund.

Gewiß ist, daß die Schienennetze welche auf der einen Seite die Balkanhalbinsel, auf der andern Seite Ungarn und Rumänien durchziehen, auch in Zukunft dem Reisen auf dem großen Strome gewaltigen Abbruch thun werden. Ebenso gewiß aber werden sich immer Naturfreunde finden, auf welche die großartigen Stromlandschaften der Donau ihren vollen Reiz ausüben. Grau und mächtig wie die Felsen, die über den Wassern ragen, wirken die verblaßten Geschehnisse aus vergessenen Zeiten auf die Einbildungskraft ein. Hier die leuchtenden Schleier über den finsteren Forsten und vergoldeten Schrofen – ein Tummelplatz der Luftelfen – dort als Staffage ein schmuckes Serbenmädchen in Tressen und flimmerndem Tand; oder ein blinder Sänger, um den sich ein andächtig den alten Heldenliedern horchendes Häuflein drängt; oder die wilde Jagd berittener Marktleute – malerisch in Erscheinung, Farben und Gehaben, eine Mahnung an den nahen Orient. Da ist auch das Inselchen „Ada-Kaleh“, dicht bei Orsowa, ein Stück Morgenland an der großen Strompforte, mit finsteren Winkeln und Kasematten. In der Sonne glänzt der türkische Friedhof, und die wandernden Wasser eilen vorüber – ein Sinnbild des Bleibenden im Wandel der Dinge.

Wie alt die kulturgeschichtliche Bedeutung der Donau ist, das wird durch nichts nachdrücklicher bewiesen als durch jenen sagenhaften Zug der Argonauten den „Istros“ aufwärts bis zu seinen „schattenverhüllten“ Quellen. Selbstverständlich darf man dabei nicht an die Quellen im Schwarzwald denken. Man muß zur Erklärung die Save zu Hilfe nehmen, die bei jener scharfen Biegung der Donau in der Nähe von Belgrad einmündet und in den Anfängen einer geographischen Kenntniß dieser Lande recht wohl für den Hauptstrom gehalten werden konnte.

Ruine Golubac.

Da nun der Argonautensage unbestreitbar ein uralter Handelszug zu Grunde liegt, darf von der Donau behauptet werden, daß, der Nil ausgenommen, kein anderer Strom der Erde in Bezug auf die Betriebsamkeit der Menschen soweit in den Ueberlieferungen zurückreicht. Kein Wunder also, daß dieser herrliche Strom, welcher vom unwirthlichen kimmerischen Bereich bis in das Herz unseres Erdtheiles eindringt, durch Jahrtausende die Aufmerksamkeit der Völker erregt hat. Handel und Krieg bewegten sich auf dieser Wasserflur von Osten nach Westen. Ihr folgte zum Theile die Richtung jener gewaltigen Völkerstürme, welche den Erdtheil wiederholt umgestaltet hatten – von den Wogen der Völkerwanderung bis zu den Heeren der türkischen Sultane. Zugleich hat dieser Strom die Schiffe fast aller Völker und Zeiten des näheren Orients getragen, vom plumpen „Kolchisfahrer“ bis zur modernen serbischen „Tschaike“, vom phönikischen Ruderschiff bis zum heutigen Salondampfer.

Wie die Donau und der Nil in mancher Beziehung zu Vergleichungen Anlaß geben, so fügt es sich auch, daß die Natur beiden Strömen äußerlich ein gemeinsames Kennzeichen aufgedrückt hat: die Riffe und Bänke, welche sich der Schiffahrt als schweres Hinderniß entgegenstellen.

Wie alles am Nil im Vergleich zur Donau ungleich großartiger ist, so sind es auch diese Hindernisse. Umsomehr muß es überraschen, daß ein solcher Zustand der Dinge bei der Donau, inmitten des reichen Kulturlebens unserer Zeit, sich erhalten konnte, denn die Bestrebungen, die Donau in ausreichendem Maße dem Völkerverkehr zu erschließen, sind verhältnißmäßig sehr jungen Ursprunges.

Am 4. September 1830 trugen die Wellen des Stromes den ersten Dampfer von Wien nach Budapest. Mit diesem

Ereigniß ist der Name des Grafen Stephan Széchényi für

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_010.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2022)