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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

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BLÄTTER UND BLÜTHEN.


Heimstätten für Genesende. Es ist ein schwerer, schier endlos scheinender Kampf, den die menschliche Barmherzigkeit gegen menschliches Elend ficht; aber die guten Geister, die auf dieser Wahlstatt gegen die düsteren Schemen Krankheit, Hunger, Noth und Schwäche ringen, sie lassen den Muth nicht sinken, ihr hochherziger Eifer erlahmt nicht, und mit immer neuen Waffen erscheinen sie auf dem Plane, dem Feinde den Sieg zu entreißen.

Solch eine neue Waffe sind die Heimstätten für Genesende. Zwar eine ganz neue Erscheinung sind sie auch bei uns in Deutschland nicht mehr. Schon vor mehr als dreißig Jahren hat der „Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger Rekonvaleszenten“ in München die erste Anstalt dieser Art ins Leben gerufen, eine andere in Frankfurt a. M. folgte, und das berühmte „Lovisa-Hospital“ in Ruprechtsau bei Straßburg, die Gründungen der Johanniter in Lichterfelde, Heinersdorf und Blankenburg, die Schwabesche Stiftung für Leipzig, das „Adelenstift“ in Bremen und ein Heim in Nürnberg erweiterten die Zahl in erfreulichster Weise. Aber immer noch sind das erst Anfänge, kühne, hochherzige Beispiele, deren Nacheiferung im weitesten Maße unsere Aufgabe und die der kommenden Geschlechter bleibt.

Denn in der That, es ist etwas Schönes und Gutes um diese Heime! Allüberall sorgen Krankenhäuser und Krankenkassen dafür, daß dem Kranken, auch dem bedürftigsten, ärztlicher Rath und sorgsame Pflege zu theil werde. Der Segen, der durch diese Einrichtungen gestiftet wird, liegt auf der Hand. Aber noch ist nicht alles erreicht. Das Krankenhaus muß den Pflegling entlassen, wenn das eigentliche Leiden gehoben, die Gefahr für das Leben beseitigt ist. Die völlige Wiederherstellung der Kräfte kann in seinen Mauern nicht abgewartet werden.

Aber auch nicht zu Hause. Denn wir wissen alle, daß gerade die Wohnungen der Bedürftigen zuletzt danach angethan sind, einem eben erst von schwerem Krankenlager Erstandenen die Bedingungen einer raschen und sicheren Erholung zu bieten.

Und da öffnen nun die Heimstätten für Genesende ihre Pforten. Sie bieten Licht und Luft, gesunde Kost und gesundes Leben – und bald wird der geschwächte Körper seine volle Kraft und Leistungsfähigkeit für den mühevollen Kampf ums Dasein wieder errungen haben.

Das ist die Aufgabe der Genesungsheime – sie sind die sinngemäße Ergänzung der Krankenhäuser.

Mit Freuden haben wir darum das Vorgehen der „Freien Vereinigung sächsischer Ortskrankenkassen“ begrüßt, welche es unternommen haben, solche Heime in größerer Zahl zu errichten. Ihre regelmäßigen Einkünfte reichen dazu freilich nicht aus. Aber gewiß verlassen sie sich nicht umsonst auf die Mildthätigkeit der Bewohner Sachsens, und auch wir unterstützen gerne ihre Bitte, Beiträge zu dem menschenfreundlichen Werke an irgend eine der sächsischen Ortskrankenkassen einzusenden, zugleich auch in der Hoffnung, daß die von diesen Kassen gegebene Anregung in weiteren Kreisen unseres Vaterlandes nicht ohne Nachfolge bleiben werde.

Wie sagt doch Esajas Tegnér einmal in seiner Frithjofs-Sage? „Was edel ist und recht, das ist nothwendig!“

Der schüchterne Freier. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) So schwierig hat sich Herr Christoph Vollpfund das Geschäft einer Brautwerbung nicht vorgestellt! Nach mühsam erlangter Erlaubniß des Herrn Vaters, des reichen Großhändlers am Marktplatz, hatte er es eilig, sich in sein kostbarstes Wams zu stecken und die Kappe mit der wunderschönen Pfauenfeder aufzusetzen, dann strich er, so schnell er konnte, dem Witwenhaus zu, das die holde, einziggeliebte Ursula barg, um ihr den großen Schatz, welchen sie gewinnen sollte, in eigener Person vor Augen zu stellen.

Die Vorbereitungen zum bedeutungsvollen Vespermahl lassen erkennen, daß die Witwe Griesbeck den reichen Freier nach Gebühr zu schätzen weiß: das feinste Linnen grenzt die obere Tischhälfte von der unteren ab, wo die jüngeren Geschwister mit Milchschüssel und Brotlaib ihren Platz erhalten; ein gebratener Welscher prangt zwischen den Silberbechern, den Zeugen früherer besserer Tage, die Griesbeckin nöthigt wacker zum Zulangen und bemüht sich zwischendurch, den blöden Gast gesprächig zu machen, ihm sozusagen die Reden auf die Zunge zu legen. Aber umsonst! Nie hat sich Jungherr Christoph mehr auf den Mund geschlagen gefühlt als an diesem Tage! Das kalte Schweigen der schönen Ursula verschüchtert ihn ganz und gar, er stammelt und giebt verkehrte Antworten, darüber entwickelt sich eine verdächtige Heiterkeit am unteren Tischende, die ihm vollends die Fassung raubt. Die zwei Backfische, deren einer gerade die köstlichen Schmalzküchlein aufträgt, kichern über der Schüssel, das Nesthäkchen schaut ergötzt von seinem „Mordsstück“ Brot nach dem spaßhaften Stotterer hin, der kleine Mundschenk im samtenen Feiertagsgewand lacht ihm mit der ganzen Heiterkeit seines kindlichen Alters ins Gesicht, selbst um Ursulas strenge Mundwinkel zuckt ein verhaltenes Lachen . . . Ernst nimmt den unseligen Christoph nur einer von der Gesellschaft – der junge Werkführer, der seit Jahr und Tag Haus und Geschäft erhält. Der beargwöhnt ihn mit haßerfüllten Blicken und verwünscht auch im grimmigen Herzen die Alte, die so etwas hinter seinem Rücken angezettelt hat. – Nun, ein wenig Angst schadet dem künftigen Haustyrannen nicht – und über den Ausgang der Sache hat uns ja der Künstler glücklicherweise nicht im Zweifel gelassen!

Warum schweben die Wolken? Durch neuere Untersuchungen ist es zweifellos festgestellt worden, daß der Nebel nicht aus Bläschen, sondern aus Wasserkügelchen oder Tröpfchen gebildet wird. Man hat diese mikroskopisch beobachtet und gemessen. Der Engländer Dines fand, daß der dichte englische Nebel aus Tröpfchen von 0,016 bis 0,127 mm Durchmesser besteht, während der Deutsche Aßmus auf dem Brocken die Größe des Durchmessers auf 0,006 bis 0,035 mm bestimmte. Aus ähnlichen, bald kleineren, bald größeren Tröpfchen bestehen auch die Wolken, die über uns schweben. Der österreichische Meteorolog A. von Frank, der auf Märschen im Gebirg oft durch Wolken wanderte, erklärt, daß er diese Wassertröpfchen noch auf eine Entfernung von 20 cm mit bloßem Auge zu erkennen vermochte, und berechnet daraus die Größe ihres Durchmessers auf 0,028 mm. Das Gewicht eines solchen Wasserkügelchens beträgt nur etwas über ein zehnmilliontel Gramm! So winzig nun diese Kügelchen sind, so sind sie doch schwerer als die Luft. Warum fallen sie dann aber nicht beständig zur Erde, warum schweben sie so oft und so lange in der Luft, ja steigen mitunter empor? A. von Frank erklärt dies in der „Meteorologischen Zeitschrift“ dadurch, daß jedes dieser Wassertröpfchen mit einer Schicht Wasserdampf umgeben ist, und da der Wasserdampf leichter ist als die Luft, so hebt er den Tropfen und erhält ihn in der Schwebe. Scheint die Sonne auf die Wolken und erwärmt die Tröpfchen, so wird der Dampf vermehrt, der Ballast aber geringer: die Wolken steigen empor. Infolge der Abkühlung dagegen sinken sie, da sich dann der Wasserdampf vermindert und zu flüssigem Wasser verdichtet. Nach dieser Erklärung wären also die Wasserkügelchen winzige Luftballons und die Wolken Ansammlungen von solchen unendlich kleinen Luftschiffen, von denen in einem Kubikmeter Wolke Hunderttausende enthalten sind.

Wir erinnern uns dabei einer geschichtlichen Thatsache. Als die Gebrüder Montgolfier vor mehr als hundert Jahren ein Luftschiff erfinden wollten, suchten sie durch Raucherzeugung u. s. w. die Wolken nachzumachen und erfanden – die Montgolfière, den ersten Luftballon; die Natur der Wolken ist ihnen fremd geblieben. Wie seltsam, daß nach hundert Jahren die Wissenschaft das Schweben der Wolken durch das Vorhandensein zahlloser winziger Luftballons zu erklären sucht! *      

Im Dschungl. (Zu dem Bilde S. 12 und 13.) Da steht er, der gewaltige Räuber, der Beherrscher des Dschungls, jener sumpfigen Rohrdickichte Indiens, der prachtvolle Königstiger; vor sich sein Opfer, die Antilope, die er aus sicherem Hinterhalte überfallen, mit einem Biß in die Kehle getötet und hierhergeschleppt hat in das hohe Schilfgras, um mit Ruhe sich an die blutige Mahlzeit zu machen. Aber noch soll es ihm nicht glücken: irgend ein verdächtiges Geräusch läßt ihn zusammenzucken. Mit aufgehobener linker Vorderpranke, mit niedergedrücktem Hinterleib und schwach erhobenem Kopfe „sichert“ er nach der Gegend, von der ihm die Störung gekommen; sein heißer Athem weht bei der kühlen Morgenluft in dichter Dunstwolke um seine bärtige Schnauze. Hat ihn ein Jäger erspäht, oder ist’s ein anderes Gethier, das, die Nähe des Furchtbaren witternd, in eiliger Flucht durch das Dickicht sich Bahn bricht? Der Künstler überläßt unserer Phantasie die Antwort auf diese Frage; ihm war das Bild des Räubers die Hauptsache, es vor uns hinzustellen – ganz Kraft, Schönheit, Blutdurst und Verschlagenheit.

Frühlingsblüthen. (Zu unserer farbigen Kunstbeilage.) Mit zartem Händchen greift das Kind, von der Mutter sicherem Arme gestützt, in des Lenzes üppige Blüthenfülle – ein liebliches Idyll, voll tiefer sinnbildlicher Bedeutung! Dem Kinde, das von treuer Mutterliebe behütet wird, ihm ist auch das Leben ein ewiger Lenz; wohin es das Aermchen ausstreckt, greift es in reinen Glückes lichte Blüthentrauben. Und es selber, das junge Menschenwesen, es ist nichts anderes als eine solche Frühlingsblüthe, die sich erschließt, Seligkeit ausströmend über das Mutterherz wie die tausend Knospen auf Flur und Feld über die Herzen der Menschen. Gewiß ein dankbarer Stoff für einen so zartsinnigen Künstler wie Rob. Beyschlag! Aber auch nur unter Zuhilfenahme der Farbe war es möglich, den duftigen Reiz dieses Bildes in der Vervielfältigung zu wahren. So eröffne denn dieses Blatt würdig den Reigen der Kunstbeilagen im neuen Jahrgang der „Gartenlaube“!


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

E. G. B . . . t in Sebnitz. Besten Dank für Ihre freundliche Mittheilung! Die „Gartenlaube“ entbietet ihrem alten Freunde, der ihr durch die vierzig Jahre ihres Bestehens so wacker Treue gehalten hat, auch an dieser Stelle ihren herzlichsten Gruß. Möge er uns gestatten, daß wir diesen Gruß auch allen anderen widmen, die, wie er, ihr vierzigjähriges Jubiläum als „Gartenlaube“-Leser feiern!

Vier alte Abonnenten in Frankfurt a. M. Sie ereifern sich über das Copyright by etc. an der Spitze des im letzten Jahrgang erschienenen Heimburgischen Romans. Ohne erst mit Ihnen in eine Erörterung über die Gesetze der Höflichkeit einzutreten, bemerken wir, daß dieser englische Vermerk durch die im laufe des Jahres 1892 erlassene amerikanische Copyright-Bill bedingt ist. In der Ihnen so sehr anstößigen Formel liegt die einzige Möglichkeit, einen Roman im Gebiet der Vereinigten Staaten von Nordamerika vor Nachdruck zu schützen.


manicula Hierzu die farbige Kunstbeilage I: Frühlingsblüthen. Von R. Beyschlag.

Inhalt: Freie Bahn! Roman von E. Werner. S. 1. – Loni. Bild. S. 1. – Der schüchterne Freier. Bild. S. 4 und 5. – Am „Eisernen Thor“. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. S. 7. Mit Abbildungen S. 7, 8, 9, 10 und 11. – Im Dschungl. Bild. S. 12 und 13. – Auf Geben und Nehmen. Novelle von Johannes Wilda. S. 14. – Vom Struwwelpeter. Von Dr. H. Hoffmann-Donner. S. 17. Mit Abbildungen S. 17, 18 und 19. – Blätter und Blüthen: Heimstätte für Genesende. S. 20. – Der schüchterne Freier. S. 20. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) – Warum schweben die Wolken? S. 20. – Im Dschungl. S. 20. (Zu dem Bilde S. 12 und 13.) – Frühlingsblüthen. S. 20. (Zu unserer farbigen Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 20.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_020.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2023)