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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Beispiel ihrer Jüngsten, bot die in fröhlichster Laune befindliche Fürstin dem Offizier ein Vielliebchen an. Mit tiefer Verbeugung nahm dieser den Kern entgegen.

„Also wie soll’s gelten, Herr Lieutenant? Machen wir’s bei der ersten Begrüßung morgen aus ober sofort aus die hinterlistige Art des Gebens und Nehmens?“

„Wie Königliche Hoheit befehlen.“

„Natürlich auf Geben und Nehmen, Mama, das ist viel lustiger!“ entschieden die Prinzessinnen.

„Fügen wir uns denn dem Verlangen der Kinder, Herr Lieutenant. Auf Geben und Nehmen! Doch eines mache ich zur Bedingung: der gewinnende Theil bestimmt das Geschenk, das er zu haben wünscht! Und nun – ehrlich Spiel!“

Herbert verbeugte sich zustimmend. Er durchschaute seine hohe Partnerin. In der Annahme, er werde sie gewinnen lassen, wollte sie ihn von vornherein an der Thorheit einer kostbaren Gabe hindern. Allein er gedachte keineswegs, diese Entwicklung zu unterstützen. Ein Gedanke, ein unverschämt kühner Gedanke hatte ihn durchzuckt.

Das Spiel begann, und offenbar trachtete die Prinzessin thatsächlich nach dem kleinen Triumph, ihn zu überrumpeln, denn als er zu ihrem Erstaunen stets ein pünktliches „Ich denke dran“ in Bereitschaft hatte, wurde sie förmlich eifrig in ihren Versuchungen und rief schließlich halb scherzhaft, halb ärgerlich: „Ach gehen Sie, Sie sind langweilig aufmerksam!“

„Ich bin eben kein Träumer, Königliche Hoheit,“ erlaubte sich Herbert zu bemerken.

Inzwischen war das einfache Mahl fertig geworden und wurde in der bequemsten Lage verzehrt. Für die Prinzessin war ein Tischchen aus Steinen hergestellt worden, die übrigen setzten den Teller in den Schoß oder speisten liegend unmittelbar vom grünen Rasen aus. Dabei ertönte das Lachen und Scherzen weithin durch den Wald.

Die Kartoffeln in der Schale mit frischer Butter und Schinken mundeten herrlich und wurden noch gewürzt durch das groteske Bild, das der Graf der Gesellschaft bot. Mit seinen langen Beinen etwas unglücklich, sonst freilich in freundlicher Gemüthsverfassung, im Grase sitzend, betrieb er mit Würde die ungewohnte Arbeit des Kartoffelschälens; sein Monocle, das er dazu nicht entbehren konnte, stand ihm in diesem Augenblick ganz prachtvoll.

Auf den ersten Gang sollten noch Eierkuchen folgen, allein ihre Herstellung hatte sich bei den äußerst mangelhaften Hilfsmitteln verzögert, und so wurde zur Ausfüllung der Kunstpause ein Pfänderspiel eingeschoben, dem sich die Auslösung der Pfänder sofort anschloß.

Als die Reihe, die Art der Einlösung eines Pfandes zu bestimmen, an Herbert kam, bemerkte er ein besonders schlaues Lächeln in den Mienen der Prinzessin, die den Rest der Pfänder unter einem Tuche aufbewahrte. Rasch erklärte er: „Der, dem das Pfand gehört, soll für Euere Königliche Hoheit eigenhändig einen Eierkuchen backen.“

„Also bitte – Sie selbst, Herr Lieutenant!“

Allgemeiner Jubel folgte.

Mit einem leichten „Ich denke dran“ nahm er das ausgelöste Federmesser entgegen und begab sich dann zur Ausführung seiner Aufgabe wohlgemuth an die Pfanne, denn seiner auf Expeditionen im Ausland öfter geübten Kunst im Backen von Eierkuchen durfte er vertrauen. Ob freilich auch das andere gelingen würde, das er im Sinne hatte, mußte er vorläufig mit einigem Herzklopfen dahingestellt sein lassen. Kunstgerecht bereitete er das Gebäck, legte es auf einen Teller und reichte es Frettwurst, indem er dem Vertrauten dabei zuflüsterte: „Frettwurst, Sie tragen jetzt den Eierkuchen zu Ihrer Königlichen Hoheit hinüber und überreichen ihn! Sobald aber die Prinzessin zugreift, halten Sie den Teller plötzlich wie aus Ungeschicklichkeit so schief, daß es aussieht, als ob der Eierkuchen herunterfallen wolle, Für das übrige lassen Sie mich sorgen. Verstanden?“

„Zu Befehl, Herr Leutenant.“

Der junge Offizier klemmte sich nun nach Kellnerart eine Serviette unter den Arm und schritt, von den lachenden Prinzessinnen umdrängt, neben Frettwurst zum Lagerplatz. Vor der Fürstin, die nachlässig im Grase ruhte, machte er Halt.

„Nun, ist das Werk gerathen, Herr Oberkoch?“ fragte sie heiter.

„Königliche Hoheit wollen selbst urtheilen – Frettwurst!“

Frettwurst trat heran und kippte den Teller so vorzüglich, daß der Eierkuchen um ein Haar auf die weiße Robe der Prinzessin geglitten wäre. Noch eben rechtzeitig griff Herbert, einen Laut des Schreckens ausstoßend, zu, um mit verblüffender Geschwindigkeit selbst den Teller zu übergeben. Und überrascht durch die kaum abgewendete Katastrophe vergaß die Prinzessin bei der Annahme die rettenden Worte „Ich denke dran.“

„Guten Morgen, Vielliebchen, Königliche Hoheit!“

„Ah, Verräther!“

Betroffen hielt sie den Eierkuchen in den Händen, während ihre Töchter händeklatschend vor Vergnügen umhersprangen und Frettwurst sich wohlweislich aus dem Staube machte.

Ernst schaute Herbert auf die überlistete Gegnerin herab. „Verzeihung, Königliche Hoheit, Verzeihung!“

Der leichte Aerger der Prinzessin hatte schon einer verständigeren Regung Platz gemacht. Mit dem Finger drohend rief sie: „Warten Sie, mein Herr! Das hätt’ ich Ihnen wahrhaftig gar nicht zugetraut.“

„Ich mir auch nicht, aber –“

„Sie wollten um jeden Preis gewinnen?“

„So ist es!“

„Und selbst den Lohn bestimmen?“

„Nach Eurer Königlichen Hoheit eigenen Anordnung!“

„Ja, wenn ich das gewußt hätte! Und das schuldige Geschenk ist?“

„Eine Gnade, eine große Gnade –“

„Ich dachte es schon. Nun wir wollen später darüber reden!“ Sie warf einen Streifblick auf ihre Töchter, die den plötzlichen Umschlag des komischen Vorganges in einen beinahe feierlichen mit neugierigen Gesichtern verfolgten.

Herbert zog sich mit tiefer Verbeugung zurück.

„Er schmeckt übrigens prachtvoll – schade, daß ich Sie nicht für die Hofküche gewinnen kann!“ rief ihm seine hohe Gönnerin noch nach, indem sie das knusperige Ding wacker in Angriff nahm. –

(Schluß folgt.)




Frühlingsaussichten.


Die Menschen beschäftigen sich gern mit dem Wetter, eilen in Gedanken Wind und Wolken voraus und gefallen sich in Wetterprophezeiungen. Der eine hält sich dabei an die alten Lostage: die Siebenschläfer, die Lichtmeß etc. sind seine Leitsterne; der andere wartet auf Falbs kritische Tage – nur die wenigsten geben sich die Mühe, den allerdings etwas umständlichen und einen gewissen Grad von Kenntnissen voraussetzenden Apparat der meteorologischen Wissenschaft zu Rathe zu ziehen. Freilich, auch die Wissenschaft kann irren und im Wettervoraussagen irrt sie sogar häufig, aber ihre Grundsätze sind im allgemeinen zuverlässig, und so weist sie unter allen Systemen der Wetterprophezeiungen die meisten Treffer auf. Sie hat von den Räthseln des Wetters recht viele gelöst, und eine ihrer schönen Errungenschaften in der neuesten Zeit betrifft die Aufdeckung der geheimen Beziehungen, die zwischen dem Winter und dem Frühling bestehen. Auf Grund derselben sind wir unter Umständen wohl in der Lage, den allgemeinen Charakter des nächsten Frühlings aus dem Verlaus des Winters vorauszusagen. Nach dem harten heurigen Winter sehnen wir uns sicher nach der Zeit, da milde Frühlingslüfte zu wehen pflegen. Versuchen wir zu erforschen, wie sich der Frühling 1893 gestalten wird!

In alten Zeiten feierten unsere Vorfahren den Einzug des Frühlings in Deutschland u. a. durch ein Spiel, in welchem ein Ringkampf zwischen zwei vermummten Gestalten aufgeführt wurde. Die in Pelz, Stroh und Moos gehüllte Maske stellte den Winter dar; eine lichte weißgekleidete und buntbebänderte oder laubgeschmückte Gestalt pflegte als Darstellung des Sommers den Sieg davonzutragen und den Winter seiner Verhüllung zu berauben. Die Wissenschaft unserer Zeit hat gezeigt, daß dieses allegorische Spiel trefflich das Wesen des Frühlings charakterisiert. Ja, auch nach den Lehren der Meteorologie ist der schöne Lenz ein Kampf, den zwei Mächtige auf unseren Gefilden miteinander ausfechten, und diese Mächtigen sind das große Festland Asiens und der Atlantische Ocean.

Ueber dem asiatischen Festland und dem europäischen Rußland befindet sich im Winter ein Gebiet hohen Luftdruckes, welches seine Arme bis in das Herz von Europa ausstreckt; zu gleicher Zeit lagert über dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_114.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2020)