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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


setz’ ich alles daran, diesen Namen und Odensberg davor zu bewahren, daß sie die Beute werden von zwei – Abenteurern!“

Das furchtbare Wort war heraus, und Cäcilie zuckte zusammen, als habe sie ein Schlag getroffen. Geisterbleich, keines Wortes mächtig, starrte sie den Mann an, den sie in ihren Banden zu halten wähnte und der sich nun plötzlich als ein erbarmungsloser Feind enthüllte. Sie sah ja nicht den wilden, fast bis zur Raserei gesteigerten Schmerz, der in seinem Inneren wühlte und ihn über alle Schranken der Besinnung hinwegriß, wußte nicht, daß jedes dieser Worte, die er ihr so vernichtend entgegenschleuderte, ihn selbst zehnfach traf, sie empfand nur die tödliche Beleidigung, die er ihr anthat. Erst als er schwieg, wich ihr lähmendes Entsetzen.

„Ah, das ist zuviel – zuviel! Sie häufen eine Verleumdung, eine Beschimpfung auf die andere. Ich weiß nicht, wohin Ihre Andeutungen zielen, aber ich weiß, daß alles Lüge ist, schändliche Lüge, daß Sie uns dafür Rede stehen werden. Mein Bruder erfährt diesen Auftritt Wort für Wort – er wird Ihnen die Antwort geben!“

Es war ein so glühender Ausbruch der Empörung, ein so stürmisches Aufbäumen gegen unverdiente Schmach, daß sie jeden Zweifel an der Wahrheit ihrer Worte niederschlug. Egbert schien das auch zu fühlen, denn in seinen düster drohenden Augen blitzte ein Hoffnungsstrahl auf. Mit einer hastigen Bewegung trat er einen Schritt näher.

„Sie verstehen mich nicht? Wirklich nicht? Sie sind nicht die Vertraute Ihres Bruders? Antworten Sie mir!“

„Nein – nein!“ stieß Cäcilie hervor, noch zornbebend, aber wider Willen gezwungen durch die qualvolle Spannung, die in der Frage lag.

Egbert sah sie an, sein Blick schien sich einzubohren in ihr Innerstes, als wollte er die Wahrheit darin lesen, dann hob ein tiefer, tiefer Athemzug seine Brust. „Nein!“ sagte er leise, „Sie wissen nichts!“

Es folgte eine lange schwere Pause. Die Glockenstimmen im Thale waren nach und nach verstummt, nur eine einzige klang noch leise und fern herüber. Um so lauter erhob sich der Wind, die Riesenschwingen brausten, als trügen sie das Unheil heran.

„Dann habe ich Sie um Verzeihung zu bitten,“ hob Egbert wieder an, seine Stimme hatte einen verschleierten Klang. „Meine Anklage gegen den Freiherrn nehme ich nicht zurück. Wiederholen Sie ihm Wort für Wort, was ich sagte, blicken Sie ihm dabei ins Auge – vielleicht werden Sie mich dann nicht mehr einen Lügner schelten.“

Es lag trotz des gedämpften Tones eine so eiserne Bestimmtheit in den Worten, daß Cäcilie erbebte. Zum ersten Mal stieg eine dunkle Furcht, eine geheime Angst in ihr auf. Dieser Runeck sah aus, als sei er bereit, seine Worte vor der ganzen Welt zu vertreten. Wenn er doch nicht gelogen hätte, wenn – sie warf den Gedanken weit von sich, aber es überkam sie dabei wie ein Schwindel.

„Verlassen Sie mich!“ sagte sie mit zuckenden Lippen. „Gehen Sie!“

Egberts Auge ruhte düster auf ihrem Gesicht, dann neigte er das Haupt. „Sie können mir die Beleidigung nicht verzeihen, die ich Ihnen anthat – ich begreife das. Aber glauben Sie mir, auch für mich war das eine schwere Stunde – die schwerste meines Lebens!“

Er ging, und als Cäcilie aufblickte, war er schon zwischen den Bäumen verschwunden, sie stand allein. Hoch oben am Kreuz des Albensteins wehte und flatterte ihr Schleier, um sie her brauste der Wald und leise erstarb der letzte Glockenklang in der Ferne.

(Fortsetzung folgt.)




Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts.
Von Rudolf von Gottschall.
Konrad Ekhof.

Der berühmteste Schauspieler des vorigen Jahrhunderts, dessen Leben uns so recht in die damaligen Theaterzustände einführt, hat in der Geschichte dieser Kunst wie in der Litteraturgeschichte eine dauernde Stätte gefunden. Ein Lessing, ein Goethe, ein Engel, ein Nicolai, ein Kotzebue haben seinen Ruhm aus der Taufe gehoben, ebenso Berufsgenossen, die selbst schriftstellerisch thätig waren, wie Iffland und Schröder. Und doch war Konrad Ekhof keine jener glänzenden Bühnenerscheinungen, wie sie heutzutage das Publicum begeistern, kein gewaltiger Beherrscher der Scene, wie etwa Wilhelm Kunst und Moritz Rott. Er war ein kleiner, unscheinbarer, krummer Mann von so fehlerhaftem Körperbau, daß oft die Kleidung künstlich nachhelfen mußte. Doch das Herz, das darunter schlug – das machte den Künstler, und Goethe konnte ihn den einzigen tragischen Schauspieler Deutschlands nennen.

Ekhofs Vater war Hamburger Stadtsoldat, ein bei der Bürgerschaft nicht sehr geachteter Beruf; doch wurden die Soldaten gut gehalten und die Verpflegung war reichlich. Dem bürgerlichen Berufe nach, den die Soldaten beibehielten, war Ekhofs Vater Schmied. Der Sohn, am 12. August 1720 auf dem Opernhof in Hamburg geboren, erhielt eine gute Erziehung; er schrieb später sehr schön und richtiger als manche vornehme Herren. So trat er denn, kaum den Knabenjahren entwachsen, als Postschreiber bei dem damaligen schwedischen Postkommissar König ein, der große Stücke auf ihn hielt und, als er einmal nach Stockholm reisen mußte, ihm eine leitende Stellung anvertraute. Doch das gute Einvernehmen zwischen beiden erlitt bald eine empfindliche Störung. König, der ein großes Haus machte, auch später geadelt wurde, suchte mit einer zahlreichen Dienerschaft zu prunken, und so verlangte er denn auch von seinem Schreiber, er solle, wenn Frau König Sonntags zur Kirche fahre, als Lakai hinten auf der Kutsche stehn. Ekhof machte Einwendungen, und als diese nicht beachtet wurden, erklärte er, daß er zwar dem unwürdigen Befehle folgen, dann aber sofort Haus und Dienst verlassen werde.

Er hielt Wort, und wir sehen ihn bald darauf als Schreiber bei einem Advokaten in Schwerin, der eine ausgewählte Bibliothek besaß. Dem Schreiber war die Benutzung derselben gestattet, und hier las Ekhof Geschichtswerke, Romane, Dramen; hier entzündete sich zuerst seine Begeisterung für die Bühnendichtung und die Bühne. Die später so berühmte Künstlerin Schröder-Ackermann hatte damals ihren ersten Mann, den Musikus Schröder, einen Trunkenbold, verlassen und war nach ihrer Vaterstadt Schwerin gekommen, um für den Hof Stickereien anzufertigen. Auch sie war damals schon Theaterfreundin; anregende Gespräche nährten bei beiden die Lust, zur Bühne zu gehen. Ekhof übte sich im stillen und „agierte“ auf dem Boden vor aufgehängten Kleidern. Der Ruf des Theaterleiters Schönemann ertönte von Lüneburg her; Ekhof begab sich zu ihm und trat zuerst im Januar 1740 in einer Schmiere als Xiphares in Racines „Mithridat“ auf. Man versprach sich anfangs nicht viel von seiner Leistungsfähigkeit; erst durch anhaltenden großen Fleiß und eifrige Lektüre hat er sich in die Höhe gearbeitet. Doch spielte er bald größere Rollen, wie den jüngsten Makkabäer in den „Hingerichteten sieben Söhnen“. Der junge Künstler mußte sich natürlich mit einem sehr dürftigen Auskommen begnügen – wie konnte das anders sein in einer Zeit, da selbst die Größen der Schönemannschen Truppe Gehälter bezogen, welche den heutigen ersten Mitgliedern der reisenden Gesellschaften ein mitleidiges Lächeln abnöthigen würden! Ekhofs erste Wochengage betrug 1 Thaler 16 Groschen. Schönemann entließ die hochbegabte Frau Schröder lieber, als daß er ihr Wochengehalt von 6 Mark Banco (7 Mark 75 Pfennig) auf 7 Mark Banco 8 Schillinge (9 Mark) erhöht hätte, wie sie es verlangte.

Siebzehn Jahre lang blieb Ekhof bei der Schönemannschen Truppe; er begleitete sie bei allen ihren Wanderungen nach Leipzig, Breslau, Danzig, Königsberg, Berlin und Schwerin, wo sie zuletzt vom Hofe unterstützt wurde. Sein Ruf wuchs von Jahr zu Jahr; Gottsched, dessen meiste Stücke er spielte, und Chr. Weiße schätzten ihn nicht nur als Künstler hoch, sie wandten sich auch oft um Rath an seine kritische Einsicht. Später wurden Lessings Stücke von großer Wichtigkeit für die Bühnen und Schauspieler, auch für Ekhof, der außerdem glänzende Rollen in den bürgerlichen Schauspielen der Engländer fand. Es war eine Zeit der Reform und des Umschwungs im deutschen Theater, und Ekhof war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_136.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)